Legale Schwangerschaftsabbrüche: Alles muss man selber machen
Die Ampel kann sich nicht darauf einigen, Abtreibungen zu legalisieren. Nun haben zivilgesellschaftliche Organisationen einen Gesetzentwurf erarbeitet.
Der Vorschlag sieht vor, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 22. Woche nach Empfängnis nicht mehr als Straftat, sondern als rechtmäßige medizinische Gesundheitsleistung zu regeln. Spätere Abbrüche sollen weiterhin bei medizinischer Indikation rechtmäßig bleiben. Die Kosten für Abbrüche sollen die Krankenkassen tragen.
Zudem sollen die bisherige Beratungspflicht so wie die verpflichtende Wartefrist von drei Tagen wegfallen. Stattdessen sollen Schwangere grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung haben – samt Anrecht auf Sprachmittlung. Der Entwurf sei eine „vollständige Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“, sagt bei der Vorstellung die Strafrechtlerin und Mitverfasserin Liane Wörner.
Gesetzentwurf von unten
Wörner war eine von neun Expertinnen, die im Auftrag der Bundesregierung ein Jahr lang überprüft hatten, ob und wie Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafrechts geregelt werden könnten. Im April hatte die Kommission in ihrem Bericht deutlich gemacht: Die in Deutschland geltende grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Abbrüchen sei zumindest in der Frühphase der Schwangerschaft „nicht haltbar“. Die Ampel-Regierung hat diesem Bericht allerdings bislang keine Taten folgen lassen. Etwas rühriger sind die Fraktionen von SPD und Grünen. Deren Abgeordnete werben derzeit für eine fraktionsübergreifende Initiative. Erfolgschancen: ungewiss.
Stephanie Schlitt, Pro Familia
Ob es dazu kommt, das wollte das Bündnis aus 26 Verbänden, das nun zur Pressekonferenz geladen hat, nicht abwarten. „Üblicherweise kommen Gesetzentwürfe von Ministerien oder Parlamentarier*innen“, sagt Schlitt. An diesem Tag sei das anders: „Wir fordern den Kanzler, die Minister*innen und die Abgeordneten aller demokratischen Parteien auf, den Schwangerschaftsabbruch noch in dieser Legislatur neu zu regeln.“
Erarbeitet wurde der Entwurf von drei Professorinnen, die allesamt auch Teil der im Regierungsauftrag arbeitenden Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Reproduktionsmedizin waren. Neben Liane Wörner sind das die Sozialrechtlerin Maria Wersig und die Verfassungsrechtlerin Friederike Wapler. Zu den 26 Verbänden, die dafür den Auftrag gegeben hatten, zählen neben Pro Familia unter anderem Amnesty International, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, die Doctors for Choice, der Juristinnenbund, die AWO, Verdi, UN Women Deutschland und der Deutsche Frauenrat.
Das Strafrecht sei lange das „Kernstück“ der Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen gewesen, erklärt Wörner. Das soll nun anders werden. Bis zur eigenständigen Lebensfähigkeit des Fötus sollen Abbrüche laut Entwurf „rechtmäßige medizinische Gesundheitsleistung“ sein, geregelt im Schwangerschaftskonfliktgesetz.
Keine Strafe für die Schwangere
Nach der 22. Woche sollen sie rechtswidrig bleiben – aber auch hier soll es ohne Strafrecht gehen: Wer diese Abbrüche durchführe, solle über das Ordnungswidrigkeitenrecht und über die Berufsordnungen der Ärzt*innen oder sonstigen Heilberufe belangt werden, sagt Wapler. Er müsse „empfindliche Konsequenzen tragen“, etwa den Verlust der Approbation.
Die Schwangere selbst soll nicht bestraft werden. Es seien Fälle von „großer Tragik“, bei denen eine Bestrafung der Frauen „nicht angemessen und nicht verhältnismäßig“ sei. Des Strafrechts bedürfe es nur zum Schutz der Frau, so Wörner. Im Entwurf geht es dabei sowohl um Nötigung zum Abbruch wie auch um Nötigung, einen gewollten Abbruch zu unterlassen.
Unberührt bleiben soll das Recht von Ärzt*innen, sich dem Mitwirken an einem Schwangerschaftsabbruch zu verweigern. Diese Entscheidung sei aber „höchst persönlich“, betont Wersig. Öffentliche Einrichtungen könnten sich darauf nicht im Ganzen berufen. Bislang führen etwa viele konfessionelle Krankenhäuser mit Verweis auf Religion keine Abbrüche durch.
Die aktuelle Rechtslage in Deutschland beruht auf Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte zuletzt vor rund 30 Jahren entschieden, dass schon ein Embryo ein Lebensrecht habe und Abbrüche grundsätzlich rechtswidrig seien. Unter bestimmten Bedingungen werden sie aber nicht bestraft.
Mehrheit für Legalisierung
Diese Rechtsprechung trage den Grundrechten der Schwangeren „nicht hinreichend Rechnung“ und zeichne sich durch einen „lebensfremden, mit empirischen Erkenntnissen nicht belegbaren Zugang zu der Lebenssituation ‚Schwangerschaft‘ aus“, heißt es dazu im Gesetzentwurf. Eine Neubewertung sei angezeigt, auch, weil sich das internationale Recht auf dem Gebiet weiterentwickelt habe.
Der Entwurf baue auf den Empfehlungen der Expert*innenkommission auf, betont Wapler. In den ersten 12 Wochen sei der Abbruch ganz klar rechtmäßig und straffrei zu stellen. In der Phase bis zur 22. Woche habe der Gesetzgeber Gestaltungsspielräume. „Wir haben uns entschieden, diese Spielräume im Sinne der Empfehlungen internationaler Menschenrechtsgremien und den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation auszunutzen“, so Wapler.
Ob sich der Bundestag in dieser Legislatur noch mit Schwangerschaftsabbrüchen befassen wird, ist ungewiss. Die Bundesregierung scheut die Debatte aus Angst vor Polarisierung, unter den Ampel-Fraktionen bremst die FDP. Umfragen zeigen allerdings, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für ein liberaleres Abtreibunsgsrecht ist. Kurz nach der Vorstellung des Gesetzentwurfs übergab am Donnerstag zudem das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung der Bundesregierung und den Ampel-Fraktionen eine entsprechende Petition mit mehr als 50.000 Unterschriften.
Die Grünen-Abgeordneten Maria Klein-Schmeink und Ulle Schauws bekräftigten, Ziel ihrer Fraktion sei eine Neuregelung in dieser Legislatur. Deutlich machten sie aber auch, dass sie nicht auf die Regelung aus dem Expertinnenentwurf beharren würden: Man führe derzeit „intensive Gespräche“, um „mehrheitsfähige Lösungen auszuloten“. Wichtig sei ihnen die Rechtssicherheit „in der Frühphase“ der Schwangerschaft – also im Zweifel nicht in den ersten 22 Wochen, sondern in den ersten zwölf.
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