Lecks an Nord-Stream-Pipelines: Sabotage wahrscheinlich
Drei Lecks binnen kurzer Zeit an den Nord-Stream-Pipelines 1 und 2. Die Ursachen sind unklar, PolitikerInnen sind sicher: Das kann kein Zufall sein.
An den Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 waren am Montagnachmittag und -abend Schäden konstatiert worden, die ein Sprecher des Pipelinebetreibers von Nord Stream 1 als „beispiellos“ bezeichnete. Zunächst hatte es ein Leck an einem der beiden Nord-Stream-2-Stränge 24 Kilometer südöstlich der dänischen Ostseeinsel Bornholm gegeben. Einige Stunden später meldete dann die schwedische Seefahrtsbehörde rund 70 Kilometer davon entfernt zwei Lecks nordöstlich von Bornholm bei den beiden Pipelines von Nord Stream 1. Eines in der dänischen, das andere in der schwedischen Wirtschaftszone, ungefähr sechs Kilometer voneinander entfernt, beide in internationalen Gewässern.
Umgehend wurde der Schiffsverkehr aufgefordert, einen Abstand von mindestens fünf Seemeilen von den Lecks einzuhalten. Entsprechende Verbote gab es auch für den Luftverkehr.
Keine der Pipelines war zum Zeitpunkt des Schadens in Betrieb, so dass die Lecks keine Auswirkungen auf die Energieversorgung hatten. Allerdings waren alle Rohre mit Gas gefüllt, weshalb es ein Explosionsrisiko gebe, erklärte Böttzauw: „Das Gas steigt an die Meeresoberfläche und dann in die Atmosphäre. Hält man einen Sicherheitsabstand ein, sehen wir aber eigentlich keine große Gefahr“. Nord Stream 2 wurde fertiggestellt, aber nie in Betrieb genommen, Ende August hat Russland die Gaslieferungen durch Nord Stream 1 komplett eingestellt.
Dänische Kampfjets entdecken Blasen im Wasser
Allerdings: Noch könnte „für mehrere Tage“ Gas aus den Lecks austreten, so Böttzauw. Taucher könne man so lange nicht hinunterschicken, um sich ein Bild von den Schäden zu machen, das sei zu gefährlich. Über mögliche Auswirkungen auf die Umwelt könne man noch nichts sagen, sagte der dänische Klima- und Energieminister Dan Jørgensen.
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Wie die dänische Zeitung Jyllands-Posten unter Berufung auf das dänische Militär berichtete, wurde das Leck an Nord Stream 2 am Montag von dänischen F-16-Kampfjets entdeckt. Sie wurden von Bornholm aus in die Luft geschickt, um das Gebiet zu fotografieren. Sie hätten dabei entdeckt, dass an einem Punkt südöstlich der Insel Blasen aus dem Wasser aufgestiegen seien.
Die Nord-Stream-1-Betreibergesellschaft „Nord Stream AG“, die mehrheitlich im Eigentum der russischen Gazprom ist, beließ es zunächst bei einer kurzen Pressemitteilung. „Die Ursachen werden untersucht“, hieß es. Im Bereich um Bornholm liegen die Leitungen etwa 70 Meter unter der Wasseroberfläche. Laut Nord-Stream-2-Sprecher Ulrich Lissek sind die Leitungen so verlegt, dass eine gleichzeitige Beschädigung mehrerer Leitungen etwa durch einen einzelnen Schiffsunfall höchst unwahrscheinlich sei. Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten, betonte indes, Russland sei „äußerst besorgt über die Situation“, es müsse eine „sofortige Untersuchung“ geben.
Auch für viele Regierungen in Europa scheint klar, dass eine derartige Häufung von Problemen kein Zufall sein kann: „Wir sehen deutlich, dass ein Sabotogeakt vorliegt“, sagte der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen betonte, eine zufällige Ursache sei „schwer vorstellbar, wir können Sabotage nicht ausschließen“. Dänemarks Marine entsandte eine Fregatte in das betreffende Meeresgebiet vor Bornholm, offiziell mit dem Auftrag, der „Schifffahrt zu assistieren“. Auch deutsche Behörden äußerten Verdacht auf Sabotage.
Zufall unwahrscheinlich
Über mögliche Ursachen des Lecks wollte Energinet-Direktor Böttzauw indes nicht spekulieren. Es könnten „unterschiedliche Dinge sein, beispielsweise durch den Schiffsverkehr, es kann ein Konstruktionsfehler sein oder eben eine bewusste Handlung“. „Theoretisch kann der Anker eines Schiffs dafür verantwortlich sein“, sagte Tomas Kåberger, Professor für Energiewirtschaft an Göteborgs Technischer Hochschule Chalmers: Dass aber gleich mehrere Leitungen durch ein zufälliges Ereignis gleichzeitig beschädigt werden, sei völlig unwahrscheinlich.
Niklas Rossbach, sicherheitspolitischer Experte beim schwedischen Verteidigungsforschungsinstitut FOI, sieht das ähnlich. Natürlich könne es beispielsweise auch ein Konstruktionsfehler sein, aber Sabotage sei jedenfalls nicht auszuschließen. Man könne sich dann verschiedene Szenarien vorstellen. Es könne sich um einen gegen Russland gerichteten Angriff handeln oder Russland selbst könne Verursacher sein, um sich als Opfer einer solchen Sabotage darstellen zu können.
Der dänische Militäranalytiker Anders Puck Nielsen meinte, die nun aufgetretenen Schäden könnten ein Argument für Moskau sein, eine erneute Inbetriebnahme von Nord Stream 1 nicht nur zu verschieben, sondern erst einmal ganz auszuschließen. Dauern wird es auf jeden Fall. Die Nord Stream AG teilte laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax mit, dass es nicht möglich sei, „einen Zeitrahmen für die Wiederherstellung der Gasinfrastruktur abzuschätzen“.
Indes haben Regierungsvertreter aus Polen, Dänemark und Norwegen die neue Ostsee-Pipeline Baltic Pipe eröffnet. Durch sie soll Erdgas aus Norwegen über Dänemark nach Polen fließen. „Die Ära der russischen Vorherrschaft beim Thema Gas geht zu Ende – eine Ära, die von Erpressung, Drohungen und Zwang geprägt war“, sagte Polens Premier Morawiecki bei der symbolischen Einweihung der Kompressorstation von Baltic Pipe in Goleniow nahe der polnischen Hafenstadt Stettin.
Neue Pipeline eingeweiht
„Dieser Tag markiert einen entscheidenden geopolitischen Schritt für uns alle“, sagte auch die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen. Norwegens Öl- und Energieminister Terje Aasland betonte, Russlands Präsident Wladimir Putin wolle den Westen spalten, aber dies gelinge ihm nicht.
Die Baltic Pipe ist ein rund 900 Kilometer langer Abzweig von der bereits bestehenden Trasse Europipe II, die von Norwegen durch die Nordsee nach Niedersachsen führt. Durch die Baltic Pipe kann künftig norwegisches Erdgas auch nach Osten transportiert werden.
Die Leitung schließt westlich von Dänemark in der Nordsee an die bestehende Pipeline an, sie führt dann zum dänischen Festland und weiter durch die Ostsee nach Polen. Die Baukosten für das Projekt belaufen sich auf 1,6 Milliarden Euro. Den größten Teil davon haben der polnische Netzwerkbetreiber Gaz-System sowie das staatliche dänische Unternehmen Energinet beigetragen. Energinet ist in Dänemark für den Gesamtbetrieb des Strom- und Gassystems verantwortlich. Aus EU-Mitteln wurde Baltic Pipe mit 250 Millionen Euro gefördert.
Ab dem 1. Oktober soll Gas durch die Leitung fließen. Der polnische Gasbetreiber PGNiG rechnet damit, dass im kommenden Jahr mindestens 6,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Polen fließen werden. Im darauffolgenden Jahr sollen es 7,5 Milliarden Kubikmeter sein.
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