Leben in den Mythen anderer: Brief an die Deutschen
Worum geht es Achille Mbembe? In der taz schildert er sein „Denken des Überquerens von Identitäten“.
I ch sehe mich in Deutschland nicht auf der Anklagebank. Ich möchte jedoch ein paar Schlüssel zum Verständnis vorlegen für alle, die eine konstruktive Debatte mit meinem Werk führen wollen, das nur teilweise auf Deutsch vorliegt.
Um die Entstehungsgeschichte eines Werkes und seine möglichen Widersprüche zu verstehen, muss man den Kontext seiner Entstehung und seine Entwicklung kennen: welche großen Fragen versucht es mit welcher Ausdrucksweise zu beantworten, in welche großen Debatten greift es ein, welche großen Wendungen entstehen daraus? Das gilt für jedes geistige Produkt, egal aus welcher Region oder in welcher Sprache.
Denen, die den Sinn meiner Herangehensweise oder den Inhalt meines Denkens wirklich mit der Perspektive eines interkulturellen Dialogs verstehen wollen, werden Verhörmethoden nicht weiterhelfen. In einer Zeit der Suche nach Sündenböcken, der Exkommunizierungen und der Beschimpfungen hoffe ich, dass diese Schlüssel den Weg zu einer sachlichen Debatte über die großen moralischen und politischen Fragen öffnen, zu denen einige von uns uneinig sind.
Mein intellektuelles Herangehen kann als ununterbrochene Reise beschrieben werden, oder eher noch als endlose Wanderung von einem Ufer zum anderen. Ich nenne das das Überqueren. Es zwingt uns, die Komfortzone des Bekannten zu verlassen und sich bewusst der Gefahr der Erschütterung der eigenen Gewissheiten auszusetzen. Denken bedeutet in diesem Zusammenhang, Risiken einzugehen, auch das Risiko, falsch verstanden oder ausgelegt zu werden. Vielleicht ist das eine Eigenart derer, die irgendwo geboren wurden, sehr früh gingen und nie wieder zurückgekehrt sind.
Historiker und Philosoph aus Kamerun, mehrfach in Deutschland preisgekrönt
Das doppelte Erbe meiner Heimat Kamerun
In Kamerun, wo ich geboren wurde, erhielt ich ein doppeltes Erbe. Das erste entstammt meiner Schulbildung in hervorragenden christlichen Institutionen. Ich wurde nicht nur der klassischen europäischen Kultur ausgesetzt. Die katholische Kirche, ihre Dogmen, ihr Katechismus und ihre Mythologie wurden sehr früh Teil meiner Vorstellungswelt.
Antisemitismusvorwurf: Im März kritisierten der nordrhein-westfälische FDP-Politiker Lorenz Deutsch und der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, die Einladung Achille Mbembes zur Ruhrtriennale. Mbembe sei „ein prominenter Vertreter der in ihrem Kern antisemitischen BDS-Bewegung“, so Deutsch. Unter anderem geht es um einen Text, in dem Mbembe die israelische Besatzung Palästinas als „größten moralischen Skandal unserer Zeit“ beschrieb.
Kontroverse Debatte: Seitdem wird in Deutschland heftig über Mbembe gestritten. Manche Stimmen sprechen von Holocaust-Relativierung, andere stellen sich hinter Mbembe und fordern Kleins Entlassung.
Internationale Unterstützung: Am Montag erklärten 377 Intellektuelle aus mehr als 30 Ländern ihre Solidarität mit Mbembe und sprachen sich gegen „ideologische oder politische Einmischung und Lackmustests in Deutschland“ aus. Sie drohten, Preisverleihungen und andere Veranstaltungen deutscher Institutionen zu boykottieren, sollten sie eine Gesinnungsprüfung befürchten. Unter den UnterzeichnerInnen: Étienne Balibar, Lila Abu-Lughod, Michael Sorkin u.a.
Mbembes Reaktion: Auf Facebook bezog Achille Mbembe am 8. Mai Stellung. Der Text findet sich hier.
Dies erklärt vielleicht, dass später das Christentum als solches zum Gegenstand meines Denkens wurde. Da ich es vor allem als Gebilde der Wahrheit verstand, widmete ich mich zu Beginn meines intellektuellen Werdegangs als Erstes der Kritik des Absoluten.
Nicht nur Religionen beruhen auf Theologien des Absoluten, auch weltliche Mächte, auch der Staat in unseren Ländern. Der Staat, kolonial oder als postkoloniale Tyrannei, wurde zum nächsten vorrangigen Objekt meiner Arbeit.
Das zweite Erbe erhielt ich von meiner Großmutter, einer des Lesens und Schreibens unkundigen Bäuerin, die sich am Kampf gegen den Kolonialismus beteiligt hatte und dabei ihren einzigen Sohn verlor, der am 13. September 1958 von der französischen Armee ermordet wurde. Sie führte mich in die Frage des Antikolonialismus ein und in die der verdrängten Erinnerungen, vor allem der Erinnerungen der Besiegten der Geschichte.
Von welchem Standpunkt auch immer man es betrachtet, gehören die Völker Afrikas zu diesen Besiegten. Wie entrinnt man als historische Gemeinschaft der Niederlage und lernt erneut zu gewinnen? Diese Frage hat mich seit meiner Kindheit beschäftigt.
Von allen französischen Kolonialgebieten in Afrika südlich der Sahara ist Kamerun das einzige, wo die Forderung nach Autonomie in einen bewaffneten Konflikt mündete. Die nationalistische Bewegung, die den Widerstand angeführt hatte, wurde militärisch besiegt. Diejenigen, die nach der Unabhängigkeit die Macht ergriffen, nutzten die Werkzeuge des Staates, um die Erinnerung an diesen Widerstand um jeden Preis auszuradieren.
Meine ersten akademischen Arbeiten handelten von diesem Versuch, Vergessen herzustellen.
Diese Erfahrung des Ausradierens des Gedächtnisses der Besiegten hat eine wichtige Rolle in meinen Überlegungen zur Erinnerungspolitik und meinen Analysen des postkolonialen Staates und zeitgenössischer Erscheinungsformen der Tyrannei gespielt. Erst nach und nach begriff ich, dass dies keinesfalls ein Alleinstellungsmerkmal afrikanischer Machthaber war.
Ich sollte hinzufügen, dass meine Großmutter mich auch in die Bibellektüre eingeführt hat. Als Jugendlicher fand ich in der Bibel ein außergewöhnliches Universum vor, das mir nach und nach vertraut wurde. Sehr früh verbanden sich in meinem Geist die Erzählung der Bibel und die antikoloniale Erzählung, bis ich sogar der Bibel und ihren Figuren verbundener war als der Kirche und ihren Dogmen, dem vergessenen Gedächtnis der Besiegten mehr als der Staatstheologie, die das Monopol der Wahrheit beansprucht.
Ein aufständischer Argwohn
Der Kern meines Werkes ist ein aufständischer Argwohn, den eine utopische Ader mäßigt. Diejenigen, die mich heute verfolgen, wissen nicht, dass ich diese utopische Ader, die auf der Idee einer radikalen Ablehnung von realen Zuständen und Machtspielen gründet, in gewissen Traditionen des jüdischen Denkens gefunden habe.
Als ich Kamerun verließ, um meine Studien an französischen Universitäten weiterzuführen, hatte ich bereits die großen Themen im Kopf, die mein intellektuelles Projekt der Jahre 1980–2000 bestimmen würden.
Das erste war eine politische Kritik des Christentums. Ich war dahingekommen, das Christentum als Traum und Vision zu begreifen statt als Institution mit einer Zentralmacht.
Ich wollte wissen, was von dieser Vision bleibt, wenn man ihr die dogmatische Ausdrucksform nimmt. Ist die Kirche mit ihren Hierarchien letztendlich Ausdruck der Gemeinschaft? Oder kann man sich Gemeinschaften vorstellen, die nicht als Erstes Machtausübung anstreben, sondern das Teilen, das Dienen und das Kümmern um die Bedürftigsten?
Jenseits der Kirche wollte ich über die Möglichkeit von Gemeinsinn, von Gemeinsam-Sein, von Gemeinschaften nachdenken, die nicht auf Glauben und Abstammung beruhen, sondern auf Vernunft und Solidarität. Nicht auf der Idee des Einen, sondern auf der der Vielfalt. Nicht auf der Verabsolutierung der Erinnerung an Leiden und Niederlage, sei sie provisorisch (das christliche Martyrium), sondern auf der Erwartung der Wiederauferstehung, also der Hoffnung auf ein anderes Leben, nie erfüllt, da immer vor uns liegend.
Wer „Afriques indociles“ (1988) aufmerksam gelesen hat, weiß, dass dies ein Schlüsselmoment dieser Suche war. Um dieses Buch zu schreiben, musste ich mich der Geschichte der Monotheismen in aller Genauigkeit widmen.
Ich musste begreifen, inwiefern der Monotheismus sich in unserem Kontext in Afrika nicht gegen den Polytheismus definiert wie einst in Griechenland, sondern gegen das, was man Animismus nennt.
In der weiteren Arbeit daran habe ich mich lange mit den vorkolonialen afrikanischen Denksystemen beschäftigt, um zu erfassen, wie der Kosmos und das gesamte Universum bei uns integraler Bestandteil der Lebenskräfte waren.
Was ich sage und schreibe, versteht man so gut wie gar nicht, wenn man nicht weiß, dass es alles seinen Ursprung in den afrikanischen Metaphysiken des Lebendigen hat, in den afrikanischen Begriffen der Lebensenergie, der Zirkulation der Welten und der Metamorphose des Geistigen. Ein sehr großer Teil meines Denkens wurzelt in diesen Systemen, in denen das Prinzip der Vielfalt an die Stelle des Einen tritt.
Wider die Identitätspolitik
Die Arbeit über das Gedächtnis der Besiegten und die Erinnerungspolitik führte zu „La naissance du maquis dans le Sud-Cameroun“ (1996), die Kritik staatlicher Tyrannei zu „De la postcolonie“ (Paris, Karthala, 2000). Dieses Werk macht aus mir, nebenbei gesagt, keinen Denker des Postkolonialismus, wie es viele Kommentatoren in Eile oftmals behaupten.
2001 ließ ich mich in Südafrika nieder. Ich lebte in diesem Land, lehrte jedoch lange einen Teil des Jahres in den USA. Zugleich habe ich weiterhin tiefe Bindungen zu Frankreich, wohin ich oft reise und wo mein gesamtes Werk publiziert ist.
Zwischen 2001 und 2010 haben mein Leben in Südafrika und der Gang der Welt mich gezwungen, das Thema der Erinnerung zu vertiefen, nicht mehr nur unter dem Gesichtspunkt von Vergessen und Niederlage, sondern unter dem der an ihrem Verhältnis zu Ethik der Freiheit leidenden Identitäten. So untersuchte ich zwei Fälle genauer: die Erfahrung der Afroamerikaner in den USA und die Geschichte der Rassentrennung in Südafrika.
Angesichts dieser sehr unterschiedlichen Erfahrungen ging es darum, das Konzept der schwarzen Identität (blackness) zu hinterfragen, es nicht mehr zum grundlegenden Paradigma der Differenz und der Unterscheidung zu erklären, sondern vielmehr zu den Denktraditionen Afrikas und der Diaspora zurückzukehren, die auf Ähnlichkeit, Gleichartigkeit und Öffnung zur weiten Welt beharren. Ich wollte den Charakter der Universalität der Negerkondition in der modernen Welt herausarbeiten.
Indem ich rassische Identitäten relativierte, ihre Essenzialisierung ablehnte und den Ideologien der Differenz den Rücken kehrte, wollte ich eine Theorie dessen entwickeln, was ich Gemeinsam-Sein nenne. Diese Arbeit führte zu „Sortir de la grande nuit“ (2010) und „Critique de la raison nègre“ (2013). Sie und alles, was folgt, enden mit einem nachdrücklichen Aufruf zu Hoffnung und Wiedergutmachung.
Seitdem konzentrieren sich meine Reflexionen auf die Entstehungsbedingungen einer gemeinsamen Welt unter den gegebenen Umständen der technologischen Eskalation, der Klimakrise und der allmählichen Verbrennung der Erde. Wenn ich in „Critique de la raison nègre“ von der „Universalisierung der Negerkondition“ spreche, dann, um der Identitätspolitik, einer Quelle von Feindseligkeit in der Gegenwart, den Rücken zu kehren. Früher dienten Theorien von Differenz und Identität als Hebel der Kämpfe für Gleichheit und Gerechtigkeit. Heute ist das nicht mehr der Fall. Sie sind von den Beharrungskräften vereinnahmt und in Instrumente absoluter Spaltung verwandelt worden.
Unter diesen Umständen ist es geboten, die Suche nach der Möglichkeit einer mit der Gesamtheit des Lebenden solidarischen Menschheit mit neuem Schwung aufzunehmen. Ich versuche, diese Rückkehr zur Idee einer „Menschenrasse“ mit der Idee des Lebenden insgesamt zu verknüpfen, mit der Integration der unteilbaren Biosphäre. Dies ist der Sinn der Kritik von Feindseligkeit in „Politiques de l’inimitié“ und anderen jüngeren Texten.
Die Bibel brachte Israel in unsere Welt
Diejenigen, die mich heute ohne ersichtlichen Grund verfolgen und mir eine öffentliche Entschuldigung schulden, wollen in meinem Reisebericht über Israel 1992 den Beweis gefunden haben, dass Israel der Ausgangspunkt meiner Reflexionen ist.
Sie bemerken dabei nicht einmal ihren eigenen Rassismus und Paternalismus. In Wahrheit arbeite ich an der Entwicklung eines Denkens des Überquerens – Überqueren von Meeren, Grenzen, Identitäten und Entfetischisierung von Ursprüngen. Vielleicht lehnen sie genau das ab, da sie davon überzeugt sind, dass es an der Zeit für Grenzen und Grenzbefestigungen ist.
Im Westen gibt es eine lange Tradition der Reiseberichte. Sie sind keine historischen oder soziologischen Abhandlungen. Sehr oft sind sie Anekdoten. Sie dienen denen als Anregung, die sich selbst in Frage stellen wollen.
Die europäische Literatur ist voll von diesen Texten, in denen der Reisende eine Vorstellung von Afrika, China, Persien oder andere Weltregionen gibt. Es geht dabei nicht darum, zu sagen, wer die Afrikaner, Chinesen oder Iraner wirklich sind.
Es ist immer wie ein Zerrspiegel, den man sich selbst vorhält, um sich zu vergewissern, wer man ist oder wer man zu sein glaubt.
In meiner Reisenotiz von 1992 erzähle ich in sehr flüchtiger, sogar naiver und ausgeschmückter Form, mal übertrieben und mal poetisch, meine Reiseeindrücke nach einem Seminar in Israel.
Hier und da nehme ich bewusst die Position eines staunenden Kindes ein, um dem kamerunischen Leser den Traumanteil und den visionären Aspekt an meiner Erzählung nahezubringen. Dabei verweise ich den Leser an die Zeit meiner Kindheit, als ich meiner leseunkundigen Großmutter aus der Bibel vorlas.
Mit der Bibel, die wir uns nicht selbst ausgesucht haben, ist Israel in unsere Vorstellungswelt eingedrungen und hat sich dort verankert. Wie alle mit der Kolonisierung zu uns gekommenen kulturellen Elemente haben wir ihm einen Raum in unserer Vorstellungswelt eingeräumt, vor allem in der der Christen. Jeder, der sich die Mühe gemacht hat, unsere Gesellschaften zu beobachten und unsere Kulturen zu studieren, kann bezeugen, dass diese Aufnahmebereitschaft nie simuliert war.
Die Kolonisierung des Denkens
Mich trieben damals folgende Fragen um. Was heißt es, in den Mythen und Traditionen anderer zu leben? Was passiert, wenn man merkt, dass diese Mythen und Träume, die man für Wahrheiten hielt, sich als Legenden erweisen? Lehnt man sie komplett ab, oder übernimmt man sie in der Hoffnung, dass sie die Existenz in einer lebensbejahenden Weise orientieren?
Jeder Kolonisierte stellt sich diese Fragen. Sie sind nicht abstrakt. Sie bestimmen unsere Existenz. In unseren intellektuellen Traditionen bewegen sie jede Generation. Denn bei uns war das Erbe oft aufgezwungen. Oft wurde es nicht frei gewählt, vor allem die Religion, die Sprache und der Staat.
Unter diesen Umständen bestand und besteht ein Teil der Arbeit von kritischen Denkern aus ehemals kolonisierten Ländern daraus, diese Kritik zu organisieren; oft tasten wir uns vor, denn es gibt keine endgültigen Antworten. Wie es auch keine endgültigen Fragen gibt. Die Fragen selbst müssen ständig neu formuliert werden. Und wir akzeptieren, dass sich Irrtümer und Ungenauigkeiten in den Akt der Neuformulierung einschleichen können.
Das hat mich jedenfalls Südafrika gelehrt. Israel gehört zu den Mythen, die wir geerbt haben. Für manche von uns ist es ein unentbehrlicher Mythos geworden. Wie soll man im Bewusstsein dessen damit umgehen, nicht als Dogma, während man sich zugleich von allen Philosophien des Absoluten zu lösen versucht? Diese Fragen werden in diesen Reisenotizen aus Israel mit den Lesern geteilt. Es geht nicht um das genaue Wesen Israels, sondern um den Mythos, den wir geerbt haben, um den noch zur Orientierung brauchbaren Teil davon und den verzichtbaren Teil.
Wider die Verfechter fertiger Wahrheiten
Ich glaube, dass unsere Welt sich in zwei teilen lässt. Zum einen die, die wie ich davon überzeugt sind, dass wir nur Passanten sind und dass wir wissen, dass einen Weg zu gehen heißt, sich im Unsicheren und Unbekannten auf die Suche zu machen. Zum anderen die, die sich im Besitz fertiger Wahrheiten wähnen und diese allen aufzwingen wollen, egal wie verschieden die Erfahrungen und Situationen sind. Der Graben zwischen uns wird immer tiefer.
Wir müssen uns heute alle fragen, ob das Leiden eines Volkes diesem Volk allein gehört und nur es selbst sich darauf beziehen darf. Ist es möglich, die Gesamtheit der Erinnerung der Welt zu teilen, und unter welchen Bedingungen? Diese Fragen habe ich Anfang der 2000er Jahre in Südafrika vorgefunden, ebenso jene der Vergebung, der Wiedergutmachung und der Versöhnung. Sie beschäftigen mich bis heute.
Darf ich zum Abschluss daran erinnern, dass ich kein Deutscher bin? Ich habe nicht vor, in Deutschland zu leben oder zu arbeiten. Angesichts der großen moralischen und politischen Probleme unserer Zeit steht es mir nicht zu, den Deutschen ihr Verhalten in einer pluralen Welt vorzuschreiben, in der viele Völker sich noch nach Freiheit sehnen.
Alles, was ich beizutragen habe, ist eine Stimme unter vielen, eine Stimme von anderswo, aus diesen Weltregionen, von denen man fälschlicherweise annimmt, dass sie nichts zu sagen hätten und sich von anderen sagen lassen müssten, was sie zu denken haben.
Deutschland muss selbst entscheiden, ob es diese Stimmen der Anderen hören oder ob es unseren tiefsten Bestrebungen den Rücken kehren und uns sogar unser Bewusstsein aufoktroyieren will.
Deutschland braucht seinerseits keine ausländischen Sündenböcke, um seine vielen Probleme anzugehen. Der mir offenbar prinzipiell feindlich gesonnene Teil Deutschlands hat nicht das Recht, mein Denken als Geisel zu nehmen. Je eher sich mein Werk in Deutschland selbstbestimmt äußern kann, in seiner eigenen Ausdrucksweise und in der Vielfalt von Sprachen und Akzente, desto besser für uns alle.
Aus dem Französischen von Dominic Johnson und Christiane Kayser
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