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Landwirte blockieren Discounter-LagerBauern gegen Aldi und ihre Verbände

Wieder blockieren Trecker Lager von Discountern. Der Verband „Land schafft Verbindung“ lehnte solche Aktionen nach einem Gespräch mit dem Handel ab.

Alarm in Niedersachsen: Bauern stellen mit Traktoren die Zufahrten zu einem Aldi-Lager in Weyhe zu Foto: Christian Butt/dpa

Berlin taz | Trotz einer Vereinbarung der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung Deutschland“ (LsV) mit den großen Supermarktketten haben Landwirte erneut Lager von Discountern blockiert. Von Montagabend bis Dienstagmorgen stellten sie laut Polizei mit rund 50 Traktoren das Aldi-Zentrallager in Weyhe bei Bremen zu. Bereits am Sonntag hatten Bauern mit etwa 100 Traktoren laut NDR ein Netto-Depot im niedersächsischen Hodenhagen blockiert. Gleichzeitig fand einem Teilnehmer zufolge eine ähnliche Aktion bei einem Lidl-Lager in Eschbach bei Freiburg statt. Die Blockierer fordern höhere Preise für ihre Produkte.

Dabei hatte der LsV-Bundesvorstand nach früheren Blockaden und darauf folgenden Verhandlungen mit Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland vergangene Woche angekündigt, darauf hinzuwirken, „dass der Warenverkehr künftig ungehindert fließen kann“. Im Gegenzug versprachen die Händler Maßnahmen, um die deutsche Landwirtschaft zu stärken. Viele Bauern klagen, sie könnten mit den derzeitigen Preisen nicht ihre Produktionskosten decken. Schweine etwa haben sich in diesem Jahr stark verbilligt, weil der Export außerhalb der EU wegen des Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland zusammengebrochen ist und die Schlachthöfe aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen gegen Corona-Infektionen weniger Tiere verarbeiten als normalerweise.

Die Vereinbarung stieß bei Bauern auf Widerstand, da sie zwar zum Beispiel eine Ombudsstelle für Konflikte zwischen Konzernen und Landwirten sowie Arbeitsgruppen vorsieht, aber keine Preiserhöhungen. Angeblich verlangt Aldi gerade in Verhandlungen mit Molkereien, die Butterpreise stark zu reduzieren. „Wir haben gefordert, schnellstmöglich – am besten noch vor Weihnachten – Geld auf unsere Höfe zu bekommen“, sagte Milchbauer Jürgen Thielker der taz, der an der Blockade des Discounters teilnahm. „Aber in diesen Verhandlungsrunden wird nur darüber gesprochen, wo noch Fachgruppen gebildet werden sollen. Das hilft uns alles nichts, wenn wir diese Monate nicht Kostendeckung haben“, so Thielker.

„Als Milchviehbetrieb kann ich sagen, dass wir immer so 30/40 Prozent unter unseren Kosten liegen. Und das zum Teil schon seit Jahren.“ Die Bauern hätten unter zwei Dürrejahren sowie „katastrophalen Milchpreisen“ 2015/16 gelitten. „Wir haben uns davon nie erholt.“ Dazu kämen Tierschutz- und Umweltauflagen „ohne Ende“. Viele Höfe würden nur noch durch Umschuldungen überleben, zahlreiche müssten binnen einem halben Jahr aufgeben, wenn sich die Lage nicht bessert.

Ultimatum an die Konzerne

Ein Großteil der Blockadeteilnehmer hat an den Demonstrationen teilgenommen, die LsV seit Oktober 2019 organisierte. Doch von deren Führung fühlen sie sich nicht mehr vertreten. Diese sei auch nicht von der Basis gewählt worden, sagte einer. LsV-Sprecher Dirk Andresen stecke mit dem Bauernverband unter einer Decke, der nicht die Interessen der Landwirte vertrete. Andresen war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die Aldi-Blockade endete, nachdem ein Konzernvertreter versprochen hatte, ein Ultimatum an seine Chefs weiterzugeben: Die großen Ketten sollten spätestens Sonntag einen Termin bis zum 15. Januar für ein Gespräch mit Politik und Bauern festlegen. „Sonst sind wir wieder da“, drohte Teilnehmer Dieter Rempe. Anschließend seien knapp 30 Trecker zur größten deutschen Molkerei, DMK, in Bremen gefahren. Auch dort forderten die Bauern höhere Preise.

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9 Kommentare

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  • Die Handelsriesen handeln nach den bei uns geltenden Marktgesetzen, aber die Politik und die Interessenvertretungen der Landwirte haben aus völlig anderen Erwägungen heraus, nämlich eines weltweiten Exports deutscher Landwirtschaftsprodukte die Preise so purzeln lassen.

    Wenn die Bauern noch eine funktionierende Interessenvertretung wie es einst die CMA war, hätten, könnten sie heute gemeinsam die Preise für Lidl, Aldi & Co. festlegen, aber genau das möchte man ja nicht.

    Somit ist auch diese Aktion nur einmal mehr eine Nebelgranate um den pöhsen Verbrauchern, die es ja sooo billig mögen, den schwarzen Peter zuzuschieben.

    Im Ausland gibt es ja inzwischen auch Lidl und Aldi, aber dort kostet der Liter Milch fast doppelt so viel wie in Deutschland, warum wohl?

    Von billiger Milch aus China oder Rumänien bei Aldi hat man noch nie gehört. Wie auch, Deutschland exportiert ja massiv Milch in diese Länder und bietet zu dortigen Marktpreisen an.

    • @Khaled Chaabouté:

      Niemand schiebt den Verbrauchern den schwarzen Peter zu, es sind die Handelspraktiken des Lebensmitteleinzelhandels, und da der vier Großen, die von den Landwirten kritisiert werden. Von jedem Euro den der Verbraucher im Laden für Lebensmittel ausgibt, sind 2019 ca. 22 Cent bei den Landwirten angekommen, 1980, vor 40 Jahren, war das fast das doppelte.



      Nehmen Sie die momentane Situation, die Schweinepreise sind seit Januar bis jetzt fast um einen Euro gefallen, welche der Landwirt erhält, in den Geschäften ist das Fleisch gleich geblieben oder sogar im Preis gestiegen.



      Abgesehen davon das wir bei den Erzeugerpreisen unter dem Niveau vor 40, 50 Jahren sind, müssten Verbraucher nicht mehr ausgeben für ihre Lebensmittel UND die Landwirte würden mehr erzielen, wäre das Stück nicht so groß das sich der Handel von dem Kuchen abschneidet.



      www.topagrar.com/m...n-an-12411420.html

  • Würde sich Herr Maurin auch so für z.B. Arbeitgeber einsetzen, wenn diese nach Streiks von Arbeitnehmern für höhere Löhne, die Löhne erstmal kürzen würden ???



    Die Handelsriesen drücken ja die Preise nicht, weil sich in Deutschland keiner mehr Lebensmittel leisten kann, sondern nur ausschließlich um ihre Gewinne zu maximieren.



    Warum werden von Herrn Maurin, oder der TAZ allgemein nicht die Geschäftspraktiken der Handelsriesen hinterfragt, nein im Gegenteil, sie werden als Unschuldslämmer angepriesen und die Landwirte als Verbrecher gebrandmarkt.

  • Überproduktionen stoppen - der Irrweg des immer mehr und immer billiger ist gescheitert. Die Schweinefleischproduktion steigt seit Jahren, während der Verbrauch im Inland weiter sinkt, also wird exportiert auf Teufel komm raus - im Ergebnis zerstörte Strukturen in den Importländern und hier ertrinkt die Landwirtschaft in der Gülle.



    Da können Sie ja auch die nächsten 20 Jahre noch vor den Lagern ihre Trecker parken, das eigentliche Problem lösen die Bauern so nicht.

    • @unbedeutend:

      Und wie dann? Haben sie einen Tipp für die Bauern?

      Und wieso müssen die Leute eigentlich immer alles alleine regeln? Wo ist die Re(a)gierung?

    • @unbedeutend:

      So ist das. Angebot verknappen, statt einfach so "höhere" Preise fordern. Nun ist die Landwirtschaft keine Marktwirtschaft und mehr prodizieren bedeutet auch mehr Subventionen abkassieren. Hier hat der Staat ein mächtiges Instrument an der Hand, die Preise einzelner Erzeugnisse zu steuern. Billige Fleisch- und Milchprodukte sind kein Grundrecht.

  • Bitte so lange dranbleiben, bis sich merklich was tut!

    • @Karl Kraus:

      Also bis von Seiten der Erzeuger-Betriebe die Überproduktion beendet wird ?

      • @Ruediger:

        Du meinst dann würde Aldi und Co. sagen, ohh ja dann nehmen wir euch noch weniger ab, aber zahlen mehr? Ach Naivität ist schon was feines oder? Von der EU werden Großbetriebe regelrecht hofiert. Die Kleinen sollen halt nicht mithalten können und untergehen...