piwik no script img

Landtagswahl im SaarlandDie Kleinen bleiben klein

Die Grünen scheitern offenbar knapp, die AfD ist gerade so drin. Die FDP bleibt draußen und für die Linkspartei ist die Wahl ein Desaster.

Die Linke ist raus aus dem Landtag: Vorsitzende Barbara Spaniol Foto: Oliver Dietze/dpa

Berlin taz | Im Saarland sind die Volksparteien noch Volksparteien: Über 70 Prozent der Stimmen entfielen auf CDU und SPD – so viel wie bei keiner Bundes- oder Landtagswahl der letzten Jahre. Die Linke fliegt dagegen aus dem Landtag, FDP und Grüne scheitern knapp, die AfD ist nur gerade so drin. Die Schwäche der kleineren Parteien hat im Saarland Tradition, sie haben in den letzten Monaten aber auch Wäh­le­r*in­nen durch interne Konflikte vergrault.

Die Grünen, schon im letzten Landtag nicht vertreten, hatten sich vor der Bundestagswahl zerlegt. Lange war der Landesverband von Hubert Ulrich dominiert worden, einem Meister der Intrigen. Mit ihm als Spitzenkandidaten waren die Grünen 2017 aus dem Landtag geflogen, trotzdem wollte er 2021 die Landesliste zur Bundestagswahl anführen. Der Comeback-Versuch endete im Desaster: Nach Satzungsstreitigkeiten stand der Landesverband ohne rechtsgültige Liste da.

Den Neustart versuchte die Partei jetzt ohne Ulrich, dafür mit der 31-jährigen Lisa Becker als Spitzenkandidatin. An Vertrauen in die Grünen fehlt es aber weiterhin: Laut Infratest Dimap glauben zwei Drittel der Wähler, die Grünen seien noch zu zerstritten, „um ernsthaft Politik mitgestalten zu können“. Das hat sich im vorläufigen Endergebnis niedergeschlagen: Mit 4,99502 Prozent sind die Grünen wohl nicht im neuen Parlament. Sie können jetzt nur noch auf die Nachzählung hoffen.Für eine Partei, die im Bund perspektivisch noch immer das Kanzleramt anstrebt, ist das eine Enttäuschung – auch wenn sich die Grünen angesichts der Umstände schon über einen knappen Einzug gefreut hätten. Nach den ersten Prognosen mit Werten über 5 Prozent hatte Parteichef Omid Nouripour im ZDF noch vom möglicherweise „besten Ergebnis, das wir dort jemals hatten“ geschwärmt. Dafür hätten 6 Prozent ausgereicht.

Immerhin: Die Grünen liegen deutlich vor der Linken, die mit 2,6 Prozent aus dem Landtag fliegt. Einst holte die Partei im Saarland über 20 Prozent. Ex-Ministerpräsident Oskar Lafontaine führte sie 2009 mit diesem Traumergebnis ins Parlament. Maßgeblich mitverantwortlich ist er nun auch für das Aus: Zehn Tage vor der Wahl gab er seinen Austritt aus der Linkspartei bekannt – der Endpunkt eines langen, äußerst erbittert geführten machtpolitischen Grabenkampfs Lafontaines mit dem Landeschef Thomas Lutze. Im Landtag saß die Partei bisher mit zwei Fraktionen, jetzt mit keiner mehr.

Saarland Wahl Grafiken

Am 27. März 2022 hat das Saarland einen neuen Landtag gewählt: Die SPD ist klare Siegerin. Daneben ziehen nur CDU und AfD in den neuen Landtag ein. Die Linkspartei, die Grünen und die FDP scheitern an der 5-Prozent-Hürde. Wer hat wie viele Prozentpunkte gewonnen? Wer verloren? Und wohin sind die Wäh­le­r:in­nen gewandert? Wie wurde in den Wahlkreisen gewählt?

„Es ist, wie es ist: Man wählt keine zerstrittenen Parteien“, sagte Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow am Sonntagabend. Die Krise und die Konflikte in der Bundespartei dürften sich nach dem Ergebnis im Saarland weiter verschärfen. Auf Twitter starteten bereits die Schuldzuweisungen. „Jene, die Oskar aus der Partei vertrieben haben, sich selbst aber für so wichtig halten, inhaltlich und persönlich, merkt ihr jetzt was?“, schrieb dort beispielsweise der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst.

Auch in der AfD gab es vor der Wahl, na klar, erbitterte Machtkämpfe. Die Querelen im Landesverband führten zu Parteiausschlussverfahren und zur Einsetzung eines Notvorstands. Dazu kam die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, dem Verfassungsschutz die Beobachtung der AfD zu erlauben. Zu Beginn des Wahlkampfs lag die Partei in Umfragen noch zwischen 8 und 9 Prozent, jetzt kam sie nur auf 5,7 Prozent. Immerhin: Im Landtag ist sie als wohl einzige der kleinen Parteien wieder vertreten. Negativschlagzeilen schrecken das Stammklientel der AfD wie gewohnt nicht ab.

Geradezu diszipliniert wirkte im Vergleich zu den anderen Parteien der Wahlkampf der FDP. Die Liberalen waren aber aus einer undankbaren Position angetreten: Zehn Jahre lang waren sie zuletzt nicht im Landtag vertreten. 2012, nachdem die Union die bis dahin regierende Jamaika-Koalition platzen ließ, flog die FDP aus dem Parlament. Anlass waren damals Personalquerelen bei den Liberalen.

Langsam haben sie sich jetzt wieder vorangekämpft. Für den Wiedereinzug in den Landtag hat es trotzdem nicht gereicht. Mit 4,8 Prozent der Stimmen ist die FDP wie die Grünen knapp gescheitert. Nach zehn Jahren außerparlamentarischer Opposition habe man es eben schwer, sagte Spitzenkandidatin Angelika Hießerich-Peter.

Letzte Aktualisierung: 22:01 Uhr

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Bemerkenswert sind im Saarland die Gewinner der wirklich kleinen Parteien, allen voran die Tierschutzpartei, die rund die Hälfte der Stimmenzahl der Grünen erreichte:

    Neu kandidiert haben:



    Tierschutzpartei2,30%



    dieBasis 1,43%



    bunt.saar 1,37%



    Die PARTEI 1,04%



    FAMILIE 0,85%



    Volt 0,58%



    ÖDP 0,14%

    Eine Vervierfachung erreichten die Freien Wähler mit 1,69% nach 0,40% bei der vorigen Wahl.

    Gerade der Erfolg der Tierschutzpartei ist auch als Kritik an der Erdgas-freundlichen Politik der Grünen im Bund zu verstehen.

    Wären die Wähler nur einer dieser Parteien stattdessen zu Hause geblieben, hätte es für die Grünen über 5%-Hürde gereicht.

  • Na ja , das Ergebnis der Linken war doch abzusehen. Wenn die meisten der Partei den Ukrainekrieg als Bürgerkrieg ansieht, die Nato als Kriegstreiber ansieht….

    Dem Gegenüber steht eine SPD die endlich das Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung mit einer starken Bundeswehr mit Sozialthemen vereinbart. Das war Scholz beste Idee!!! Und der Grundstein dafür das die SPD wieder aus der Senkung hervorkommt

  • Tja, ohne Lafontaine kommt die Linke nicht weit...

    • @Linksman:

      Dank Oskar haben sie jetzt aber auch diese Probleme im Saarland. Dessen Aktionen in den letzten Jahren sind schon haarsträubend. Wenn er sich einfach nur leise verabschiedet hätte, hätten die Linken Einbußen gehabt, aber nicht in dem Ausmaß.

      • @Jalella:

        "Haarsträubende Aktionen" sind mir ganz recht, wenn die Partei damit zweistellig ist.



        Und die Partei bezahlt nun dafür, ihn rausgeekelt zu haben.

  • Gute Analyse zur Saar-Wahl (vor der Wahl und jetzt durch die Wahl bestätigt):

    twitter.com/robin_...507825931137732613

  • Murphys Gesetz. Das Ergebnis der PdL



    an der Saar ist die größte anzunehmende Unfall!



    Wer so zerstritten ist, braucht sich über die schallende Ohrfeige der WählerInnen nicht zu wundern.



    Man kann manchmal den Eindruck gewinnen, das für manche GenossInnen der Hauptfeind in den eigenen Reihen ist.



    Ich empfehle der Linken sich mal Wolf Biermanns "Roten Stein der Weisen" anzuhören. Im Gegensatz zu heute war er damals noch wirklich gut!

  • Oskar war einfach sehr populär im Saarland. Darauf basierten die Wahlergebnisse der Linken. Nun ist er weg und gleich ist die Luft raus. Der Krieg in der Ukrainetat sein übriges.

    Im Grunde ist die Linke bundesweit tot. Es lebe die SPD!

  • Die Linke hat die Chance vertan, zu zeigen, dass sie eine Partei ist, die wirklich gegen den Krieg ist, d.h. gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen die horrende Erhöhung der Militärausgaben.



    Es handelt sich um eine Politik, die weit von den einfachern Bürgern entfernt ist, weil sie von den Ausgaben für die Zivilgesellschaft ablenkt und den Frieden auf Distanz hält.



    Vom Krieg profitieren nur die Reichen, und die Armen verlieren mit Sicherheit.



    Das hat der Papst gesagt und heute wiederholt.



    In den letzten Tagen hat der Papst die Erhöhung der Militärausgaben scharf missbilligt.



    Warum sollte man Die Linke wählen, wenn sie praktisch das Gleiche sagt wie die SPD, die entgegen ihrer eigenen Traditionen beschlossen hat, Waffen in die Ukraine zu schicken und eine gigantische Erhöhung der Militärausgaben beschlossen hat? An dieser Stelle stimmt man für das Original.



    Ist es möglich, dass Die Linke "rechter" ist als der Papst? Weiter weg von den Armen? Offensichtlich ja.

    • @Ugo Pioletti:

      Papst Franziskus hat schon bei der Wahl seines Papst-Namens ein Statement für die ärmsten der gesetzt. Anders als die meisten seiner Amtsvorgänger kommt er aus dem Armenhaus der Kirche. In Südamerika ist das reiche Rom für die meisten armen Katholiken sehr, sehr weit weg.

      Franziskus bringt damit die Kirche wenigstens ein Stück weit wieder zu ihren Ursprüngen zurück. Jesus war ganz nah dran an den Armen, Kranken und gesellschaftlich Geächteten. Den Bau von Kathedralen mit Gold und Marmor hat er nicht gepredigt.

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @Ugo Pioletti:

      Die Linkspartei hatte schon nach dem Bundestagswahlkampf, aus welchem sie eigentlich rausgeflogen wäre, die Chance, mal ihr zur Nato, zur Bundeswehr,, zu Russland (Damals noch ohne Krieg) sowie zur Bundeswehr zu klären und zu normalisieren. Auch zu Linksextremismus ist das Verhältnis nicht trennscharf, und auf Kritik daran nur "Hufeisen!" zu rufen, als sei das ein Bannzauber, der vor unangenehmen Fragen schützt, hilft halt auch nicht.

      Aussendem war für mich (persönlich) das unklare Verhältnis zum BGE ein Ausschlusskriterium.

      Offensichtlich auch für 95% aller anderen Wählenden. Aber statt in sich zu gehen, ging es nur voller missionarischer Überzeugung darum, dass alle anderen von der Genialität der eigenen Ansichten einfach nicht überzeugt sind und man einfach inhaltlich noch besser erklären müsste.

  • Die Kleinen haben fast zweistellig zugelegt, sind nach der SPD tatsächlich die größte Gewinnerin. Wenn man sie bei aller Begeisterung für Diversität und Vielfältigkeit (noch) nicht bei den Namen nennen möchte, so wie man sie ja auch im Wahlomat (immer noch) ausdrücklich berücksichtigen muss, dann fasse man sie doch bitte zusammen. Soviel auch zu den ganz überzeugenden Ausflüchten eines Alternativen, der meint, es sei vor allem ggw. Krise, die nur den Großen nutze. Was wir sehen ist, dass vielmehr die Mittelgroßen leer ausgehen und das sind sie nun unstrittig, was Mitglieder, Zuwendungen und vor allem Screen Time angeht, selbstverständlich auch im Saarland. Dort war Die Linke bis vor kurzem auch in Zahlen wenn überhaupt selbst eine der Großen. Dass sie jetzt aber unter den "Sonstigen" verschwindet, eine der guten Nachrichten, ich hoffe nur dafür kommt eine andere mal heraus. Etwas arg überspielt und inzwischen peinlich finde ich die Masche mit den "kleinen" (Kanzleramt ist drin) Grünen, die bei der ersten Prognose und einmal mehr zunächst deftig überbewertet bei 6% verkauft wurden, also gerade genug Zeit für Herrn Nouripour, das auch wörtlich vorteilhaft aufzugreifen. Kaum zwei Stunden später aber wenig überraschend geht's dann doch um's Ganze, sie stehen (selbst) knapp an der Hürde, Ausgang offen und man versucht genau deshalb schon wieder überzuleiten, abzulenken, das ist so durchschaubar. Wir sehen aber was wir sehen. Und das werden wir nicht zum letzten Mal sehen. Die Ampel steht jedenfalls nicht auf grüner Welle und wenn's nach mir geht wird's auch keine mehr geben. Toll, dass die Kleinen dafür größer werden und mehr Zuspruch landet, auch wo Inhalte, wo Verlässlichkeit, Versprechen und Prinzipien noch was bedeuten. Und man seine Überzeugungen überhaupt mal ernst nimmt. Weil wenn sich Politik nur wandelt, wenn und wie sich eben die Welt verändert, dann brauchen wir nicht mehr wählen, Frau Baerbock. Und dann bestimmen Leute wie Wladimir Putin unser Leben.

  • Ich finde dieses nun überall strapazierte Narrativ, dass Herr Lafontaine für die Wahlschlappe alleine verantwortlich sei, schlimm.

    Wer hat denn bitte die Linkspartei im Saarland all die Jahre gehindert, weitere Personen aufzubauen, die beim Wähler ziehen? Wer hat denn die Nachwuchsarbeit schleifen lassen? Das ist längst nicht alles nur auf seinem Mist gewachsen.

    Es ist immer noch ehrlicher, wenn er für die Partei nicht mehr steht, direkt aufzuhören, als erst noch die Stimmen einzuholen und dann zu gehen.

  • Starke pragmatische SPD-Frauen kommen. Gut, dass Berlin mit Franziska Giffey die bislang Stärkste aus der Riege hat, denn die Schwierigkeiten sind hier doch noch andere als in Lafontaines Sandkasten.

    • @Winston Smith:

      Also wenn es Pragmatismus ist bei der Diss zu betuppen, mag das wohl stimmen.

      • @hokuspokus666:

        Ohje, solange dass der einzige Vorwurf ist: ja, mit Zustimmung der Doktormutter effizient das Verfahren durchziehen, ist besser als jahrelang im Elfenbeinturm zu sitzen: Grau ist alle Theorie.

  • Es ist schon traurig, dass die Partei Linke im Saarland verschwindet.

    Damit fehlt eine Partei, die sich für arme Menschen, für Arbeitslose und andere Menschen einsetzt, die wenig Vertretung bei anderen Parteien haben.

    Mag sein, dass das Saarland einfach zu klein, zu konfliktreich ist, dass hier in kleinen Parteien schnell die Fetzen fliegen, aber es ist schon bitter, denn wenn eine Regierung spontan €100 Mrd. für Rüstungsfirmen übrig hat, an der Lösung sozialer Probleme, wie Armut und Arbeitslosigkeit, wenig Interesse zeigt, dann tut es weh, dass die einzige Partei, die das glaubwürdig tat, sich derart selbst zerlegt hat.

    An ein Come-Back an der Saar glaube ich nicht mehr. Immerhin kann die SPD sich dort regnerieren und hoffentlich zeigen, dass sie sich dieses Vertrauen auch erarbeitet hat, mit Lösungen jetzt punkten. Ich bin da aber skeptisch. Es ist wohl ein Stimmungsbild und mir fehlen echt die Ansätze für Optimismus. Außerdem kommen mit den Ukrainern auch neue Aufgaben im Sozialen Bereich, bei der Unterstützung und beim Wohnungsbau. Ob die SPD das hinbekommt?

    • @Andreas_2020:

      "Es ist schon traurig, dass die Partei Linke im Saarland verschwindet.

      Damit fehlt eine Partei, die sich für arme Menschen, für Arbeitslose und andere Menschen einsetzt, die wenig Vertretung bei anderen Parteien haben."



      Echt, finden Sie?



      Ich kenne kein Bundesland, in dem die Linke mit regiert (hat), wo es deshalb weniger Arbeitslose oder arme Menschen hat. Die Linke hat nichts verändert, nichts verbessert und wird deshalb auch nicht mehr gewählt.