Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien: Wien bleibt erst mal rot
Wien tickt eben anders als der Rest von Österreich. Die SPÖ liegt klar vorn, die ÖVP deutlich unter den Umfragewerten und die FPÖ stürzt ab.
Die im Bund regierende ÖVP blieb unter Gernot Blümel, im Nebenberuf Finanzminister, unter ihren Möglichkeiten. 18,7 Prozent bedeutet zwar eine Verdopplung des Ergebnisses von 2015 (9,24 Prozent), liegt aber deutlich unter den Werten, die Umfragen noch vor ein paar Monaten gesehen hatten.
Das erwartete Fiasko setzte es für die rechte FPÖ, die vor fünf Jahren noch ein Bürgermeisterduell ausgerufen hatte. Nach der Ibiza-Affaire und Spesenskandalen um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache stürzte sie auf 7,5 Prozent ab. Im Vergleich zum Rekordergebnis von 2015 haben sie mehr als zwei Drittel ihrer Wähler verloren. Das ist ein Minus von 23,3 Prozentpunkten. Der neue Wiener Parteichef Dominik Nepp hatte die üblichen migrationsfeindlichen Angstparolen im Stile von „SPÖ, ÖVP und Grüne: ISLAM“ auf die Spitze getrieben.
Rot-Grün, gut für die Stadt
Wenig spektakulär das Abschneiden der Grünen, die seit zehn Jahren als Juniorpartner mitregieren und mit Begegnungszonen und einem 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Verkehr deutliche Duftmarken hinterlassen haben. Unter der neuen Chefin Birgit Hebein konnten sie von 11,8 auf 14,6 Prozent zulegen. Bei den Nationalratswahlen vor einem Jahr waren sie in Wien noch bei 21 Prozent gelegen. „Wenn es stimmt, ist das das beste Ergebnis aller Zeiten“, so Grünen-Stadtrat David Ellensohn in einer ersten Reaktion: „Rot-Grün für die Stadt war gut, ist gut und wird gut sein.“
Ein möglicher Koalitionspartner wären aber auch die liberalen Neos, die von 7 auf 8,1 Prozent zulegten und damit den kleinsten möglichen Mehrheitsbeschaffer abgeben. Der vor Kurzem noch weitgehend unbekannte Christoph Wiederkehr hat sich bei den Fernsehauftritten überraschend schlagfertig gezeigt und seine Partei als frischen Wind im Rathaus positioniert. Die Neos stehen für eine dynamischere Schule und Impulse für die Wirtschaft abseits der verkrusteten Kammern, die von der ÖVP dominiert werden.
Straches Schicksal hängt an den Wahlkarten
Ob es das Stehaufmännchen Heinz-Christian Strache ins Rathaus schafft, war Sonntagabend noch nicht klar. Umfragen sahen ihn innerhalb der Schwankungsbreite knapp über oder unterhalb der Fünfprozenthürde. Seine Polit-Abstinenz nach nach dem Platzen der türkis-blauen Regierung im Gefolge des Ibiza-Videos im Mai 2019 hatte nur wenige Monate gedauert. Er fand im Wiener Stadtrat vier Gesinnungsgenossen, die der FPÖ den Rücken kehrten und als Team HC Strache eine eigene Fraktion bildeten.
Als Kandidat einer im Stadtparlament vertretenen Partei durfte er auch an allen TV-Diskussionen und Elefantenrunden teilnehmen. Als willkommenes Krokodil genoss er auch überproportionale Aufmerksamkeit der Medien, die ihn kaum mit der Schmach von Ibiza konfrontierten.
Straches Schicksal hängt an den Wahlkarten, die zwar in die Hochrechnung eingerechnet wurden, aber erst am Montag ausgezählt werden. Angesichts der Angst vor Corona-Ansteckung im Wahllokal haben mehr als 30 Prozent der Wahlberechtigten von der Briefwahl Gebrauch gemacht. Verschiebungen einzelner Mandate sind daher möglich. Bürgermeister Michael Ludwig ließ in einer ersten Stellungnahme erwartungsgemäß offen, wen er sich als Koalitionspartner holen will.
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