Landgrabbing in Brandenburg: Agrarbetrieb geht an Immobilienhai
Ein Brandenburger Hof wird nicht an einen Landwirt, sondern an eine Beteiligungsfirma der Deutsche Wohnen verkauft. Agrarminister Vogel ist dagegen.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) warnte am Mittwoch, dass wegen Übernahmen wie jetzt in Brandenburg die Ernährung zunehmend von immer weniger Konzernen abhänge und deshalb gefährdet sei. Der Verband forderte Landesgesetze, um Verkäufe von Höfen an Investoren von außerhalb der Landwirtschaft zu verhindern.
Branchenfremde Großunternehmen kaufen seit einigen Jahren Agrarland oder Betriebe mit umfangreichen Flächen vor allem in Ostdeutschland – zum Beispiel Eigentümer des Discounters Aldi Nord oder der Versicherungskonzern Munich Re. Eine Studie des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts für Ländliche Räume zeigt, dass Anfang 2017 34 Prozent der 853 untersuchten Agrarfirmen in den neuen Bundesländern ortsfremden Investoren gehörten. Aktivisten kritisieren das als „Landgrabbing“.
Mitarbeitende sollen bleiben
Steffen Höppner, Geschäftsführer und einer der Gesellschafter der Röderland-Gruppe, rechtfertigte die Entscheidung für die Quarterback. „Der Käufer wird den landwirtschaftlichen Betrieb mit den Mitarbeitern uneingeschränkt fortsetzen“, so Höppner, der seinen Posten verlieren würde, wenn Landwirt Lemm den Zuschlag bekommen hätte. Quarterback hat nach eigenen Angaben eine „Beschäftigungsgarantie für die nächsten 5 Jahre gegeben“. Außerdem habe die Immobilienfirma genug Geld für Krisen und die „erforderlichen erheblichen Investitionen“, ergänzte Höppner. All das sei bei Lemm „nicht gegeben“. Der Preis habe nicht den Ausschlag gegeben.
„Wir beteiligen uns an landwirtschaftlichen Betrieben, die eine gewisse Ertragsschwäche haben“, sagte Quarterback-Vorstandschef Tarik Wolf der taz. Wenn etwa der Boden nicht sehr fruchtbar ist, lasse er dort Agri-Photovoltaik-Module installieren, zwischen denen Tiere weiden könnten. Den Viehbestand würde er reduzieren. Das könne eine große Firma besser als ein einzelner Landwirt stemmen. Die Quarterback wolle dort keine Wohnungen bauen. „Wir haben das gemacht, um etwas Gutes zu tun und unseren Beitrag zur Energiewende zu leisten.“ Sein Unternehmen habe bereits anderswo Agrarflächen, aber die Röderland sei der erste große Betrieb, den es übernehme.
Lemm entgegnete, auch er wolle Flächen für Solarstrom zur Verfügung stellen. „Dafür ist auch nicht viel Geld nötig, denn ich könnte die Flächen an Unternehmen verpachten, die dann die Solaranlagen installieren und betreiben.“ Mit der 5-jährigen Beschäftigungsgarantie schaffe es der 56 Jahre alte Höppner vielleicht einigermaßen bis zur Rente, aber viele andere der 35 Mitarbeiter seien jünger. „Fünf Jahre ist ja nichts in der Landwirtschaft“, so Lemm. Er würde die Zahl der Milchkühe um ein Drittel auf rund 570 erhöhen und die der Fleischrinder auf der Weide auf mindestens 300 verdoppeln.
Die AbL kritisierte, der Deal trage zur Konzentration in der Landwirtschaft bei. „Branchenfremde Investoren treiben die Bodenpreise nach oben und gefährden bäuerliche Betriebe“, sagte Jan Brunner, Geschäftsführer der AbL Mitteldeutschland. Er befürchtet, dass die Quarterback den Betrieb irgendwann wieder verkauft, während Bauern in Generationen dächten und vor Ort wohnten. Er kündigte eine Protestaktion am Berliner Sitz der Deutsche Wohnen am Montag an, sofern sie nicht ihre Position ändert.
Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) hat die Deutsche Wohnen seinem Ministerium zufolge in einem Schreiben aufgefordert, „ihre Beteiligung an der Quarterback Immobilien AG geltend zu machen und ihre Zustimmung zu dem Erwerb der Agrargesellschaft zu verweigern“. Außerdem prüfe der Landkreis Elbe-Elster gerade, ob der Verkauf das geltende Grundstücksverkehrsrecht umgehe, schrieb das Ministerium der taz. Denn Äußerungen der Quarterback ließen befürchten, „dass kein langfristiger Erhalt des Landwirtschaftsbetriebs geplant ist“.
Die Deutsche Wohnen wies darauf hin, dass sie nur 40 Prozent der Quarterback halte. Trotzdem bemühe man sich, „die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu fördern“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch