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Lage in SyrienRussland bombardiert Syriens Rebellengebiet

Schwere Luftangriffe auf Idlib und Aleppo. Um Aleppo bleibt die Lage zwischen Rebellen, protürkischen Milizen und Kurden angespannt.

Russischer Luftangriff auf Aleppo. Die Stadt steht seit der Nacht zu Samstag unter Rebellenkontrolle Foto: Juma Mohammad/imago

Berlin taz | In den nordsyrischen Städten Idlib und Aleppo fliegen Kampfflugzeuge des syrischen und russischen Militärs verstärkte Luftangriffe auf Zi­vi­lis­t*in­nen. Sie reagieren auf die Erfolge von Rebellen in Nordwestsyrien, seit am Wochenende das Regime die Kontrolle über Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes, verloren hat. Rebellen haben seit vergangenen Mittwoch große Teile der Provinzen Aleppo und Idlib erobert. Die Truppen des Regimes wichen schnell zurück, aber formierten sich am Sonntag nördlich von Hama neu.

Seit der Militäroffensive, geführt von der seit 2017 in Idlib herrschenden Rebellengruppe HTS (Hayat Tahrir al-Sham), sind durch die russisch-syrischen Luftangriffe in den Gebieten um Aleppo und Idlib 56 Menschen getötet worden, darunter 20 Kinder, zählte die Zivilschutzorganisation der Weißhelme am Sonntag. 238 seien verletzt worden, darunter 98 Kinder.

In Idlib wurden am Montag mindestens fünf Zi­vi­lis­t*in­nen getötet, 30 Menschen verletzt und zahlreiche Wohngebäude zerstört, teilten die Weißhelme weiter mit. Die Ret­tungs­hel­fe­r*in­nen arbeiteten daran, die restlichen Personen aus den Trümmern zu bergen.

Kampfflugzeuge des syrischen Regimes haben am Montag auch ein Lager von Binnengeflüchteten im Norden von Idlib angegriffen. Dabei wurden sieben Zi­vi­lis­t*in­nen getötet, darunter fünf Kinder und zwei Frauen. 12 weitere wurden verletzt, meldeten die Weißhelme. Ein Augenzeuge berichtete, mehr als 350 Menschen seien zum Zeitpunkt des Angriffs im Lager gewesen.

Wichtigster Verbündeter schreitet ein

Russland ist Assads wichtigster Verbündeter und hat seit Beginn seines Eingreifens in Syrien immer wieder Zi­vi­lis­t*in­nen auf brutalste Weise bombardiert. Durch den Krieg gegen die Ukraine seit 2022 haben sich aber Russlands Prioritäten verschoben. Russische Bodentruppen in Syrien räumten nach der HTS-Offensive sämtliche Basen im Norden Syriens. Russland stünde unverändert an der Seite von Assad, bekräftigte aber ein Kremlsprecher am Montag. Man analysiere die Situation. Derweil scheint Assad weiter in Moskau auszuharren.

USA bombardieren proiranische Milizen aus Irak, die in Syrien kämpfen sollten

Auch Irans Außenminister Abbas Araghtschi hat Assad Unterstützung versichert. In der Nacht zum Montag überquerten rund 200 Kämpfer aus dem Irak die Grenze nach Syrien, berichtete die unabhängige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die von Iran unterstützten Milizenkämpfer sollen an der Seite der syrischen Regierungstruppen kämpfen. Auch weitere irakische Milizen, die bereits in Syrien waren, seien mobilisiert worden, sagte ein Milizenführer der Nachrichtenagentur AP. In der Nacht auf Montag bombardierten die USA daraufhin die proiranischen Milizen aus dem Irak und sollen ihnen schwere Verluste zugefügt haben.

Die libanesische Hisbollah-Miliz wiederum hat keine Position bezogen. Ihre Kämpfer hatten Assad in Syrien im Kampf gegen die Bevölkerung unterstützt, um strategisch Routen für ihre Waffenlieferungen durch Syrien sichern zu können. Doch Assad hatte seinerseits der Hisbollah in ihrem Kampf gegen Israel keine Verstärkung geschickt. Nachdem Assad die Hisbollah im Stich gelassen hat, werden sie ihm jetzt wohl kaum zur Hilfe eilen.

Aufseiten der Rebellen ist weiter unklar, wie sie die Macht unter sich aufteilen wollen und ob sie in der Gegend um Aleppo gegeneinander kämpfen werden. Vor allem Kur­d*in­nen fürchten sich vor der Machtübernahme protürkischer Milizen. Zahlreiche Menschen flohen am Montag aus der Stadt Tel Rifaat nördlich von Aleppo. Von der Türkei unterstützte Milizen der Syrischen Nationalarmee (SNA), die in einer eigenen Offensive aktiv geworden sind, eroberten zuvor die kurdisch kontrollierte Stadt.

SDF zieht sich zurück

Die von der Kurdenmiliz YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zogen sich weitgehend zurück. Am Sonntagabend hatte auch die HTS die SDF zum Rückzug aus Teilen der Stadt Aleppo in das Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung in Nordostsyrien aufgefordert und angeboten, das nicht zu behindern. Es blieb am Montag unklar, ob die kurdische Seite das annimmt.

Die kurdische Selbstverwaltung erklärte, ihre Streitkräfte hätten versucht, einen humanitären Korridor für die kurdische Bevölkerung im Norden Aleppos zu erkämpfen. Dies sei von den protürkischen SNA-Milizen verhindert wurden. In der Region nördlich von Tel Rifaat, an der Grenze zur Türkei, ist der Kanton Afrin bereits seit 2018 von der SNA besetzt.

Die Türkei habe kein Interesse an einer Ausweitung des syrischen Bürgerkrieges, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan am Montag in Ankara. Die syrische Regierung müsse mit den Oppositionskräften verhandeln.

Die Türkei wolle eine neue Fluchtbewegung in die Türkei verhindern und wolle, dass syrische Geflüchtete aus der Türkei nach Syrien zurückgingen. Er warb für eine Wiederbelebung des Astana-Prozesses. Dabei hatten Russland, Iran und die Türkei sich ab 2017 gegenseitig Einflussgebiete in Syrien zugestanden und das Land damit quasi unter sich aufgeteilt.

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10 Kommentare

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  • Mir scheint, die Region ist unbefriedbar. Bin mal gespannt, wann es im Irak wieder „rund geht“ und die iranische Mullahkratie implodiert.

  • "In der Nacht auf Montag bombardierten die USA daraufhin die proiranischen Milizen aus dem Irak": AMERICA FUCK YEAH!

    "Die Türkei habe kein Interesse an einer Ausweitung des syrischen Bürgerkrieges." AH ähm ja genau. Deswegen weitet Sie im Moment ja by Proxy auch den Syrischen Bürgerkrieg (Nicht) aus?

  • „In den nordsyrischen Städten Idlib und Aleppo fliegen Kampfflugzeuge des syrischen und russischen Militärs verstärkte Luftangriffe auf Zi¬vi¬lis¬t*in¬nen. Sie reagieren auf die Erfolge von Rebellen in Nordwestsyrien, seit am Wochenende das Regime die Kontrolle über Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes, verloren hat.“



    Die Luftangriffe gelten also „Zivilist*innen“ und reagierten lediglich „auf die Erfolge von Rebellen in Nordwestsyrien“. Das Regime greift Zivilisten in Idlib und Aleppo an und nicht etwa die darin befindlichen „Rebellen“. Klingt, militärisch gesehen, ziemlich ineffizient.



    Um was für „Rebellen“ es sich bei HTS handelt, bringt der Leser woanders in Erfahrung.



    Frau Neumann, wie immer, alles klar!

    • @Torben Jakowski:

      Japp. Qualitätsjournalismus at it's best. Eigentlich wäre HTS und was sie ist die wichtigste und interessanteste Recherche gewesen.

  • "Er warb für eine Wiederbelebung des Astana-Prozesses.Dabei hatten Russland,Iran und die Türkei sich ab 2017 gegenseitig Einflussgebiete in Syrien zugestanden und das Land damit quasi unter sich aufgeteilt."



    Das wäre zumindest eine Verhandlungsgrundlage,wobei ich mir eine "Ecke" für die USA/westlich orientierte,säkulare Syrer:innen wünsche.Hier könnten evtl. auch die Kurd:innen,die vier jüdischen Menschen und vielleicht Christen leben.Die Dschihadisten,je nach Intensität ihrer religiösen Vorstellungen,in den Einflussbereichen des Iran und der Türkei.



    Meiner Meinung nach könnte die UN sich hier durchaus hilfreich positionieren.Bürger:innen:Befragung (auch unter im Ausland registrierten syrischen Flüchtlingen) durchführen,wer sich in wessen Einflussbereich seinen Wohnort vorstellen kann.Abhängig von dieser Befragung wird dann über die Größe der jeweiligen Einflussbereiche entschieden.Die Verteilung der syrischen Ressourcen(Öl,Gas,Phosphat,Eisen-,Chrom-Manganerze,Marmor,Gips,Asphalt,Salz) erfolgt fair nach einem gemeinsam festzulegenden Verteilungsschlüssel.Die Buchhalter und Controller könnten ja durchaus vorerst von der UN gestellt werden.Das Land aufzuteilen..besser als Bürgerkrieg

  • Die Russen machen halt nur was sie die letzten über 500 Jahre immer getan haben.

  • HTS, SNA, SDF, YPG... Milizen allerorten, die USA bombardieren hie, Russen da. Die Türkei lugt auch um die Ecke. Der Iran zündelt mit. Assad sowieso. Hisbollah (noch) nicht...



    Die armen Zivilisten.

    • @Nansen:

      Mich hat der syrische Bürgerkrieg schon immer an den Dreißigjährigen Krieg erinnert, der im 17. Jhdt. weite Teile Deutschlands erfasst hatte.



      Jeder kämpft gegen jeden, es gibt keine klaren Fronten mehr, die Zivilbevölkerung leidet unter dem Wahnsinn - der Krieg könnte von außen beendet werden, aber die verantwortlichen Akteure wollen sich alle ein großes Stück vom syrischen Kuchen abschneiden.



      An ihrer aller Hände - und das sind nicht bloß die russischen und iranischen Allierten Assads, sondern auch der Westen, der Erdogan und seine jihadistischen Kettenhunde gewähren lässt - klebt das Blut unschuldiger Syrerinnen und Syrer.



      Ich glaube keinem westlichen Politiker mehr, der davon schwadroniert, in Syrien sollen Freiheit und Demokratie die Oberhand gewinnen. Alles menschenverachtende Lügen.

  • Volle Solidarität für die Kurden, die der Welt vor 10 Jahren aus einer bösen Klemme geholfen haben, indem sie die Bodenkämpfe gegen die IS-Terroristen übernahmen bis endlich, endlich die USA Luftverstärkung schickten.

    Als Dank dafür entzog Trump den Kurden jede weitere Unterstützung. So auch Baerbock.

    Alles Gute für ein wohlverdientes Kurdistan!

    • @shantivanille:

      Ein - mindestens - autonomes Kurdistan wäre das bestmögliche Ziel der möglichen Machtverschiebung. Leider ziehen sich die kurdisch geführten SDF zurück und Trumps Amtsantritt lässt nicht gerade Hoffnung keimen.