LGBTQ in Russland: Lieblingsfeinde des Regimes

Schon lange kämpft die russische Regierung gegen Homosexualität. Doch seit dem 24. Februar wird die Lage für LGBTQ-Personen im Land noch gefährlicher.

Eine Frau trötet auf einer Demonstration, umgeben von bunten Luftballons und der EU-Flagge

Viele haben Russland wegen homophober Repression Richtung Lettland verlassen: Pride Parade in Riga 2018 Foto: Janis/imago

Unter denen, die nach dem 24. Februar 2022 aus Russland nach Lettland gekommen sind, sind ziemlich viele Ver­tre­te­r*in­nen der LGBTQ-Community. Viele haben Russland wegen der homophoben Repressionen verlassen, die seit Kriegsbeginn noch zugenommen haben.

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Ich sage es ehrlich, die Homophobie, die in Russland auf staatlicher Ebene rapide zunimmt, war auch ein wichtiger Grund dafür, dass ich Russland gleich nach Beginn des Krieges in der Ukraine verlassen habe. Ich bin zusammen mit meiner Partnerin gegangen. Denn seit Jahren ziehen die russischen Behörden die Schrauben in allen Bereichen, die mit Freiheit zu tun haben, auf die eine oder andere Weise an. Das ist das Hauptschlachtfeld des autoritären Systems bzw. der totalitären Ideologie. Wenn man einem Menschen nämlich erlaubt, selbst zu entscheiden, wen er liebt, wird es unmöglich, ihn zu kontrollieren.

Das haben die russischen Machthaber schon lange kapiert. Seit fast zehn Jahren gibt es in Russland bereits ein Gesetz über die sogenannte „Homopropaganda“ unter Minderjährigen. Damit ist alles verboten, was nicht-heterosexuelle Beziehungen als nicht schlechter wie „traditionelle“ zeigt. Jedes beliebige Buch, jeder Artikel, jeder Film, in dem das Thema LGBTQ vorkommt, muss den Vermerk „ab 18“ tragen und für Kinder unzugänglich sein.

LGBTQ (so wie auch die USA, die Nato und Feministinnen) waren lange Zeit die Lieblingsfeinde des Regimes, doch seit man quasi vom Wort zum Bombenangriff übergegangen ist, wurde es wirklich schrecklich. Als der Krieg begann, hatten viele Menschen ernsthaft Sorge, dass es in absehbarer Zeit damit beginnen würde, Homosexuelle an Straßenlaternen aufzuhängen.

Und obwohl Lettland verglichen mit Westeuropa, wo schon in vielen Ländern gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt hat, als nicht sehr homofreundliches Land gilt, habe ich keine Sekunde daran gezweifelt, dass es hier für mich sehr viel sicherer sei als in Russland.

Tatsächlich hat die Saeima, das lettische Parlament, in diesem Sommer die Prüfung des Gesetzentwurfs über gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erneut verschoben. Mir persönlich ist Homophobie in Riga noch nie begegnet. Viele meiner nicht-heterosexuellen Bekannten aus Russland fühlen sich hier mehr als wohl. Händchen halten, auf Motto-Partys gehen – kein Problem. Tausende Menschen nahmen im Juni an der Pride-Parade teil, die ein wunderschönes Fest war.

Gerade erst hat man in der russischen Staatsduma einen neuen Gesetzentwurf eingebracht – das Verbot von „LGBTQ-Propaganda“ sollte für alle Altersgruppen gelten, nicht nur für Kinder. Viele fürchten sich davor, und nur wenige zweifeln daran, dass ein weiteres repressives Gesetz verabschiedet werden wird. Denn das Regime hat allen den Krieg erklärt, nicht nur der Ukraine.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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ist Chef-Redakteurin beim Portal „Takie dela“ (Russland) und Autorin der Bücher „So sprechen wir. Verletzende Wörte und wie man sie vermeidet“ und „Poetik des Feminismus“ Seit März 2022 lebt sie in Riga (Lettland).

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Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

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