Künstler reagieren auf Absage in Chemnitz: Bloß keine Apfelbäume pflanzen
Das Projekt "We Parapom!" für Chemnitz 2025 wurde abgesagt. Bürgerwille? Oder weicht man da Unbequemlichkeiten der Kunst aus?
![Einige Menschen hauen Asphalt in Chemnitz auf Einige Menschen hauen Asphalt in Chemnitz auf](https://taz.de/picture/6316401/14/Aufhacken-1.jpeg)
Derzeit kursiert ein offener Brief in der Kunstszene. Chemnitz ist 2025 Kulturhauptstadt Europas, und der Intendant dieses riesigen EU-geförderten Vorhabens, der Kulturmanager Stefan Schmidtke, will die Erzgebirgsstadt mit viel Bürgerbeteiligung als Machermetropole präsentieren. Doch ein partizipatives Kunstprojekt hat er abgesagt.
Unter dem Titel „We Parapom!“ sollten 4.000 Apfelbäume quer durch die asphaltierte Stadt gepflanzt werden. Sie sollten im von Kriegszerstörung und DDR-Stadtplanung gezeichneten Chemnitz einen vegetativen Aufmarschboulevard bilden, auch wenn die empfindlichen Bäume unter Aufhitzung und Wassermangel vielleicht nicht gedeihen können. Entlang dieser fragilen Anti-Parade plante die Kuratorin dieses Projektes, die österreichische Künstlerin Barbara Holub, künstlerische Interventionen: Das britische Architekturkollektiv Assemble etwa wollte mit Jugendlichen eine Spielsituation entwickeln, Künstlerin Folke Köbberling hatte bereits 2021 für die Pflanzung mit Schüler:innen einen Parkplatz freigelegt. Rund 20 solcher Beiträge sollte es geben.
Doch Bäume scheinen in der Öffentlichkeit ein empfindliches Thema zu sein, vor allem in der Stadt, in der Auflagen und begrenzte Mittel der häufig klammen Behörden schnell die Grenzen zwischen Vision und Praktikabilität aufweisen. Komplikationen tauchten auf, in der „Stadtgesellschaft gab es schließlich wenig Akzeptanz für den künstlerischen Aspekt dieses Projekts“, verkündete am 26. Mai Stefan Schmidtke in einer Pressemitteilung und cancelte das Vorhaben. Die Apfelbäume sollen jetzt unter Bürgerbeteiligung andernorts gepflanzt werden.
Man verhindere, beklagen nun in jenem offenen Brief die Künstler:innen von „We Parapom!“, dass Chemnitz mit seinem Ruf „als ‚NeoNazi‘-Stadt auch ein Ort sein kann, an dem relevante Ideen für eine gemeinsame Zukunft produziert werden können“. Es kursierten gar Spekulationen, die Absage sei eine Zensur von rechts. Dem widerspricht die Pressesprecherin der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 GmbH, Mareike Holfeld, heftig.
Trotzdem scheint man in Chemnitz offenbar demokratische Werte der Kunst nicht verteidigen zu wollen. Denn ist es nicht sie, die losgelöst von Pragmatismus und stadtgesellschaftlichen Stimmungsschwankungen auch unbequeme Fragen stellen kann, vielleicht jene Stellen öffentlich aufdeckt, an denen Wunsch und Wirklichkeit clashen?
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