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Krönung von Charles III.Schweigen in Gold

Die Krönung von Charles III. am Samstag ist elitär. Doch sie verbindet auch Jahrtausende alte Rituale mit den Realitäten der Gegenwart. Eine Würdigung.

Elizabeth II. nach ihrer Krönung 1953 in Westminster Abbey in der Staatskutsche Foto: Heritage Images/imago

Am 14. September 2022 verließ Queen Elizabeth II. den Buckingham-Palast im Herzen Londons zum letzten Mal. Sechs Tage nach ihrem Tod wurde sie im Sarg zur Aufbahrung in der Westminster Hall im britischen Parlamentsgebäude gebracht. Genau 229 Tage später, am 6. Mai 2023, wird König Charles III. den umgekehrten Weg quicklebendig in einer goldenen Kutsche zurücklegen – von der Westminster-Abtei neben dem Parlament zurück zum Buckingham-Palast. Frisch gekrönt, begleitet von 4.000 Soldaten und, so jedenfalls der Plan, ähnlich bejubelt, wie seine Mutter einst betrauert wurde.

Die Krönung ist nicht der Moment, in dem der König sein Amt aufnimmt. Das tut er in der Sekunde des Todes seiner Vorgängerin, ganz automatisch, ohne menschliches Zutun. Die Krönung ist der Moment, in dem seine Untertanen den Souverän als solchen bestätigen. Das Ritual, das die Welt am Samstagmittag über die TV-Kameras in der Westminster Abbey bestaunen darf, ist so alt wie die Menschheit, aber nicht unveränderlich.

Die einzelnen Stufen des Krönungsrituals sind allen Königen vertraut: die Eingangsprozession des Monarchen in seinen Staatsroben mit seinem Staatsschwert, zwei Zeptern und den drei Schwertern der weltlichen und geistlichen Gerechtigkeit und der Gnade. Symbole der drei Ämter des Königs: Oberkommandierender der Streitkräfte, Oberhaupt der Kirche und Oberhaupt des Staates; die „Anerkennung“, also Präsentation des Souveräns vor dem Volk durch den Erzbischof von Canterbury und seine Bestätigung durch Zuruf; der Amtseid; die Salbung; die Investitur in zeremoniellen Roben und Sporen und der Präsentation eines kirchlichen Schwerts zum Schutz des Guten und zur Bekämpfung des Bösen, gefolgt von der Überreichung weiterer Insignien der Macht; schließlich die Krönung mit der goldenen Krone von St. Edward und die Installation auf dem Königsthron mit dem alten Gebet für Standhaftigkeit und Festigkeit.

Es folgt die „Hommage“ per Treueschwur, und dann wechselt der König in einer Seitenkapelle sein Gewand, um in einer anderen Robe und der etwas leichteren imperialen Krone zum Palast aufzubrechen. Es ist alles ganz einfach.

Mehr als ein Stellvertreter des christlichen Glaubens

Der Ablauf ist im Wesentlichen seit dem frühen Mittelalter unverändert, die Krönungsgegenstände gehen auf die Restauration der englischen Monarchie im Jahr 1660 nach der kurzlebigen englischen Revolution zurück. Charles III hat sich aber ein paar neue Elemente ausgedacht. Den Treueschwur sollen nicht nur die Geistlichen leisten, sondern die ganze Kirchengemeinde mit einem laut ausgesprochenen Schwur – unerhört, populistisch-vulgär, mäkeln manche eingefleischte Royalisten.

Vor dem Verlassen der Abtei Richtung Palast soll der König Vertreter aller nichtchristlichen britischen Religionsgemeinschaften empfangen, also: Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten und Sikhs. Das ist eine Konkretisierung seines alten Vorhabens, als König nicht mehr bloß als Verteidiger des christlichen Glaubens aufzutreten, sondern als Schirmherr aller Glaubensrichtungen und Verkörperung des gesamten multikulturellen Großbritanniens.

Der intimste Teil der Zeremonie ist die Salbung, abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Sie ist ein alttestamentarisches Ritual, wonach der König direkt von Gott geweiht wird, mit einer heiligen Ölmischung, gegossen aus einem besonderen Gefäß in Adlerform mit einem besonderen Löffel. In England ist das seit 1066 das Herzstück jeder Krönung. Die Ölmischung von Charles III ist erstmals rein vegetarisch.

Und das Öl stammt aus Jerusalem, vom Olivenhain am Ölberg – nicht nur eine der heiligsten Stätten mehrerer Weltreligionen, sondern auch die Grabesstätte von Charles III' Großmutter väterlicherseits: Prinzessin Alice von Battenberg. Die Mutter von Prinz Philip, dem Ehemann der verstorbenen Queen, war eine Kusine des letzten deutschen Kaisers und wird heute in Israel als Retterin verfolgter Juden in Griechenland während der deutschen Besatzung als eine der Gerechten geehrt.

Kein unglücklicher Prinz mehr

Charles III stellt damit nicht nur eine Verbindung zu seinem Vater her, während ansonsten die Krönung im Zeichen seiner Mutter steht, sondern auch eine Verbindung zur düsteren Geschichte des 20. Jahrhunderts und zum „Heiligen Land“ und seinen „Völkern“, wie es der Erzbischof von Canterbury bewusst im Plural ausgedrückt hat.

All das sind einerseits bloße Symbole und Gesten, so unwichtig wie die ganze Krönung überhaupt. Andererseits werden damit Zeichen gesetzt: Aus dem unglücklichen Prinzen mit den Segelohren wird ein glücklicher König der Integration, der Gegensätze zusammenführt und Harmonie stiftet. Das ist eine durchaus politische Aussage.

Vergesst also am Samstag den Zirkus um die Royals, vergesst die Diamanten, die purpurnen Roben, die goldene Kutsche, die prächtigen Uniformen. Was wichtig ist, das sieht man nicht und darüber spricht man nicht. Das ist das Schöne an diesem Weltereignis: Um es zu begreifen, hält man einfach still.

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7 Kommentare

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  • Danke, danke, Dominic, für diesen wunderschönen Artikel.



    Es ist schon eine wahre Freude mitanzusehen, wie das britische Volk seit über dreihundert Jahren von seinen deutschen Monarchen begeistert ist.



    Mann, wat wär dat schön jewesen, wenn nich der olle Hohenzoller sondern einer ausm Haus Hannover oder Sachsen-Coburg und Gotha Kaiser jeworden wäre.



    dann könnten wir uns auch kaiserlich massenhysterisieren bei jeder Geburt, Taufe, Hochzeit und Beerdigung von us' Kaiserlichen.



    Und in der Quasselbude (Wilhelm II) würden sie alle noch artig beim Kaiserhoch aufstehen.



    Und der Bundespräsident ist soo armselig günstig, dass der ja gar keinen Glanz und Gloria haben kann ( www.tagesschau.de/...20weitere%20Kosten. )

  • Im "Der Freitag" lese ich..."Monarchie Die vielleicht irrsinnigste Massenpsychose der Welt"...geht runter wie bestes Olivenöl...dazu noch einen guten Roten ( ...ich denke da an Wein )...wobei ich doch einen Einwand vorbringen möchte... für die "irrsinnigste Massenpsychose" halte ich Religion.

  • Was für ein sympathischer, aufklärender Artikel!



    Natürlich fragt sich ein Republikaner in Deutschland bei einer Krönung sofort, „was soll der Monarchie-Kram im 21. Jahrhundert!! Was für ein altbackener Ritus, und undemokratisch dazu“.

    Aber das ist alles vorschnell und arrogant! Es gibt durchaus Bestandteile in der Krönung, die sich als Zustimmung des Volkes zu ihrem neuen Staatsoberhaut deuten lassen (und die theoretisch verweigert werden könnte; eine Abstimmung wäre legitim, legal und machbar). Und die vielen symbolischen Handlungen und Zeichen bei und während der Krönung zwingen geradezu dazu, genau wahrzunehmen und interessante Botschaften und Absichtserklärungen des Monarchen herauszulesen.

    Mit am Eindrücklichsten ist m.E. jedoch, dass sich in der Krönungszeremonie die Verbindung zu einer Jahrtausende alten nationalen Identität und Geschichte abbildet (mit allen Glanzzeiten und Untiefen) und dabei neue Identifizierung stiftet. Das verleiht dieser Nation Stetigkeit, Tiefe, Verwurzelung. Nicht zu verachten auch der Umstand, dass der aktuelle König seit quasi 70 Jahren auf seine Aufgabe vorbereitet wird! Und: Seine politischen Befugnisse sind demokratisch strikt geregelt!

    Man stelle sich andere Länder vor, in denen abgehalfterte Politiker, die vorher in anderen politischen Ämtern Armut und Sozialabstieg zugunsten von Großkonzernen und Banken bewerkstelligten, aus machtpolitischen Gründen Staatsoberhaupt (ohne direkte Wahl durch das Volk!) werden und in einer ihrer ersten Reden mahnen, `man dürfe der Armen nicht vergessen´! Mir ist die britische Lösung in der Frage Staatsoberhaupt sympathischer...

  • 8G
    8190 (Profil gelöscht)

    Für Satire funktioniert das bei mir nicht auf Anhieb. Der Ton ist wirklich schwer einzuschätzen. Das ist wohl auch die Kunst, dass nicht alle gleichzeitig loslachen, sondern nur ein Teil. Abgesehen davon würde ich es nicht ertragen, dass ordentlicher britischer Humor sich irgendeinem Königshaus unterordnet.

    Die Handlungen sprechen immerhin für sich: die letzten paar hundert Jahre Geschichte vergessen machen mit einem neuen "heiligen Öl" zur "Salbung", welches jetzt vegetarisch ist.

    Ein Donnerhall von Statement. Danke für den Bericht.

  • Diese Briten ... unverbesserlich.

    Ich bin dankbar dafür, in Deutschland kein Untertan zu sein. Es lebe die Republik!

    • 6G
      652797 (Profil gelöscht)
      @Winnetaz:

      Der Bundespräsident ist einfach nur langweilig, keiner kennt ihn, er kostet Geld und ist langweilig. Da haben die Monarchien schon besser.

    • @Winnetaz:

      Ist ja völlig okay wenn Sie lieber in einer Republik leben…aber warum sind die Briten dann gleich „unverbesserlich“? Die Mehrheit dort drüben ist mit der Monarchie halt ganz zufrieden…leben und leben lassen, würde ich sagen…