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Kritik am ungerechten ErbschaftsrechtReiche erben billig

Das Erbschaftssteuerrecht bevorzugt Vermögende, kritisiert die Organisation Finanzwende. Sie fordert die Abschaffung der Privilegien.

Wer im goldenes Nest geboren wird, behält auch beim Erben Vorteile Foto: Miep/plainpicture

Berlin taz | Wer ein hübsches Sümmchen erbt, muss dafür kräftig Steuern zahlen – aber wird ein Milliardenvermögen in der Familie weitergegeben, ist das nicht der Fall. Gegen diese Ungerechtigkeit hat die NGO Finanzwende am Montag mit einer Aktion vor dem Bundesfinanzministerium demonstriert. Die Organisation fordert die Abschaffung der Privilegien bei der Erbschaftssteuer für große Vermögen.

Vor genau fünf Jahren hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Neuregelung von 2016 verfassungswidrig ist, weil sie zu weitgehende Ausnahmen zulässt. Aber: Das Bundesfinanzministerium zwingt die Finanzverwaltung per Erlass, dieses Urteil zu ignorieren. Formell ist das nicht zu beanstanden. „Materiell ist das aus meiner Sicht ein Skandal“, sagt Joachim Wieland, Professor für Steuerrecht an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. „Wir sind weiterhin in einer Situation, wo verfassungswidrig Ausnahmen gemacht werden“, betont er.

Über viele Jahre haben Gesetzgeber und Rechtsprechung bei der Erbschaftssteuer Ping-Pong gespielt, sagt Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick, der von 2005 bis 2018 grüner Bundestagsabgeordneter war. Immer wieder haben Gerichte Reformen als verfassungswidrig kritisiert, weil sie Mega-Reiche zu sehr begünstigten. Dass der Gesetzgeber immer wieder solche Regelungen geschaffen hat, sei der enormen Lobbyarbeit der Vermögenden geschuldet, sagt Schick. Die Stiftung Familienunternehmen habe auf Bundesebene und über die Länder immer wieder interveniert, so dass der Gesetzgeber stets bereit war, erneut die Kritik der obersten Gerichte in Kauf zu nehmen.

Zwar dürfen bei Summen über 26 Millionen Euro die Empfangenden nicht steuerfrei davonkommen. Aber wenn sie als bedürftig gelten, können die Steuern erlassen werden, sagt Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. „Bedürftigkeit“ wird von der Finanzverwaltung nicht mit den Maßstäben der Arbeitsagenturen bewertet. Laut Jirmann wurden 2021 in zehn Fällen Steuern von fast einer halben Milliarde Euro erlassen. Die Privilegien bei der Erbschaftssteuer führen jährlich zu Einnahmeverlusten von rund 5 Milliarden Euro.

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9 Kommentare

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  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Der Bundesfinanzhof (BFH) kann nicht entscheiden, ob ein Gesetz verfassungswidrig ist, das kann nur das Bundesverfassungsgericht. Der BFH kann lediglich die Ansicht vertreten, ein Gesetz sei verfassungswidrig, muss dann aber vorlegen, Art. 100 GG. Ist ja in der Vergangenheit auch in punkto Erbschaftsteuer schon geschehen. Hat der BFH 2016 vorgelegt und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?

  • Eine Bedürftigkeitsprüfung ob man bei über 26 Millionen Erbschaftssteuer bezahlen muss. Deutschland das Land der bedürftigen Millionäre. Hier läuft was ganz gewaltig schief.

    • @Andreas J:

      Selbstverständlich geht es hier nicht um Bedürftigkeit im Sinne von Armut, vielmehr geht es um die Fähigkeit die anfallende Erbschaftssteuer zu begleichen.



      Hohe Vermögen liegen ja in der Regel nicht in Onkel Dagoberts Geldspeicher oder auf dem Girokonto, sondern sind in Unternehmensanteilen oder dergleichen gebunden,da können die Erben durchaus in finanzielle Bedrängnis geraten.



      Das sofortige Begleichen der angefallenen Steuer wäre teilweise nur durch den Verkauf des Unternehmens(anteils) möglich und das ist sicher auch nicht gewollt.

      • 6G
        655170 (Profil gelöscht)
        @Ralf Inkle:

        Doch, das sollte durchaus gewollt sein.



        Wenn ich Steuern nicht aus der Kasse oder aus freiem Vermögen bezahlen kann, dann muss ich die Verbindlichkeit eben finanzieren.



        Das heißt: Kredit, Zinsen drauf und die Gemmeinschaft bekommt, was ihr zusteht.



        Aus die Maus.

      • @Ralf Inkle:

        Man kann ein Erbe aus ausschlagen, wenn es einem finanziell schaden würde.



        Natürlich sollte der Staat ein Auge darauf haben, dass der Tod eines Menschen nicht zu einem Verwürfnis an der Börse führt. 25 % eines Unternehmens plötzlich zum Verkauf freizugeben würde die Kurse stark ins Schwanken bringen.



        Aber es sollte auch andere Möglichkeiten als Bargeled geben, um seine Steuerschuld zu begleichen. Eben diese Unternehmensanteile zum Beispiel. Ohne an der Börse gehandelt zu werden, beeinflussen sie auch nicht die Kurse.



        Bei vollständig vererbten Unternehmen gibt es ja auch Regelungen, wie lange ein Unternehmen weitergeführt werden muss, damit die Steuerlast tatsächlich entfällt. (Hier könnte man vermutlich auch noch etwas strenger sein)

        • @Herma Huhn:

          Die Zockerbude Börse, wo Menschen versuchen, ohne Arbeit reich zu werden, sollte für überhaupt nichts ein Argument sein.

      • @Ralf Inkle:

        Unternehmensanteile kann man nicht verkaufen um seine Steuern zu zahlen? Aha. Wenn ein ganzer Betrieb vererbt wird könnte man sich auch Ratenzahlung einigen um den Betrieb nicht zu gefährden. Es gibt überhaupt keinen Grund keine Erbschaftsteuer zu bezahlen. Schenkungen von Millionenvermögen um die Steuer zu vermeiden, gehören auch verboten. Siehe Familie Klatten / Quant.

  • Vielleicht müsste in der Überschrift von Superreich die Rede sein.

    Wie im Text steht " Wer ein hübsches Sümmchen erbt, muss dafür kräftig Steuern zahlen ".... und mit 100.000 gilt man in anderen Artikeln schon als reich. Erst die Superreichen sparen. Per Ausnahmegenehmigung. Gibt es irgendeine Verbandsklage dagegen?

    • @fly:

      Das ist ja die schreiende Ungerechtigkeit. geht es nach manchen PolitikerInnen dann ist man mit einem Jahreseinkommen von 70/80k breits sehr gut verdienend und darf "angezapft" werden für allerhand soziale Projekte. Mit 100k kommt man in die Gruppe der Top-Verdienenden, wie Multimillionäre etc. Das ist doch mehr als lächerlich!