Krieg in der Ukraine: Von Zielsetzungen und Verzichtbarem
Nicht ganz so oft zu hoch zielen, kann Enttäuschungen sparen. Und: Hand in Hand lässt sich bisweilen mehr erreichen.
I ch weiß ja nicht, was Sie unter Zielen verstehen. Für mich definieren sie sich zurzeit in etwa so: Das Kind sagt: Tee! ich sage: Ja! Wenn ich es dann innerhalb der nächsten Stunde – zwischen Spülmaschine-Ausräumen und Bücher-Vorlesen und Mir-selbst-Kaffee-Machen – schaffe, mich beim Anblick der tropfenden Nase des Kindes an seinen bescheidenen Wunsch zu erinnern und ihm einen Tee zu kochen, sage ich mir: Ziel erreicht.
In der Politik läuft’s ja nicht viel anders, das wissen wir spätestens seit Klara Geywitz, ihres Zeichens SPD-Ministerin für Wohnungsbau, und ihrem, nun ja, dynamischen Ziel, dringend benötigte neue Wohnungen bauen zu lassen. Aber auch in dieser Woche wurde wieder mal deutlich, was für hüpfende Häschen politische Ziele sind. Der schnellste Hase im Pfeffer ist der Kampf gegen die Erderhitzung. Hängt natürlich zusammen mit dem eher schleppenden Verlauf der Problemlösung.
So ging’s beim Außenministertreffen der G20-Staaten in Delhi – natürlich – zuvorderst um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wenn auch mit angezogener Handbremse made in China. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich halte den Sieg der Ukraine über diesen durchgeknallten Despoten, dessen Namen ich eigentlich nicht mal mehr schreiben möchte für ein wichtiges, ja notwendiges Ziel. Ich bin auch dafür, Wolodimir Selenski deshalb so viele Waffen zu liefern wie nötig.
Ja, hätten wir zu Hause einen der vielen Panzer rumstehen, die mein Freund in seiner Militärzeit repariert hat – ich würde ihn persönlich vorbeibringen. Ich weiß natürlich auch, wie schnell es an mehreren Ecken brennen kann und dass man manchmal triagieren muss. Klar ist mir auch, dass man sich schnell mit Unsinn verzettelt, dabei könnte man durchaus mehrere Probleme parallel angehen, wenn man auf Unnötiges verzichtet.
Darüber streiten, wer die Spülmaschine ausräumt, Rücksicht auf vermeintlich drängende Wirtschaftsinteressen oder auf falsche Freunde nehmen. Sich Leute warm halten, die sich immer nur quer stellen, vielleicht weil sie einem irgendwie auch nutzen. Leider trotzdem oft lange folgenlos, guckt man auf die SPD und ihr Verhältnis zu Altkanzler Schröder.
Klar, werden Sie sagen, es hängt alles mit allem zusammen, es gibt Sachzwänge und wenn der andere Streit über Nebensächlichkeiten sucht, was soll man dann tun? Na ja, ich kann Ihnen sagen: Es gibt Sachzwänge und es gibt Zwingendes. Als Elternteil lernt man schnell, dass vieles, was normale Menschen für nötig erachten, völlig unnötig ist.
Um Energie für die unausweichlichen Katastrophen zu haben (Krieg, Klimawandel, Kinderkacke), heißt es, an anderer Stelle langmütiger sein können. Viele Dinge sind die Erhitzung des Gemüts nicht wert. Sprich: Wenn man gegen die großen Bullys wie China und Russland schon so wenig ausrichten kann, muss man wenigstens gegen sie zusammenhalten.
Die deutschen Arbeitgeber zum Beispiel nölen gerade herum, Arbeitskämpfe dürften mit allgemeinpolitischen Zielen nicht vermischt werden. Warum? Weil Verdi seine Warnstreiks im Nahverkehr auf denselben Tag gelegt hat wie Fridays for Future ihren Klimastreik. So was nenne ich lächerlich. Das ist genau die Art Streit, bei dem es nur ums Ego des Nörglers geht.
Wenn man gut gelaunt ist und Zeit hat, hilft dann, dem Grantler den Kopf zu tätscheln, ihm das Gefühl geben, gesehen zu sein – und dann einfach weitermachen. So viel Einfühlung ist bei den Arbeitgebern nicht nötig, da reicht: einfach weitermachen. So dumm, dass sie das gemeinsame größere Ziel nicht sehen könnten, sind sie nicht.
Genau wie die Berliner SPD, die auch nicht tatsächlich glaubt, dass mit Kai Wegner eine Stadt zu machen ist. Auch ihr steht bloß ihr Ego im Weg, sie hält die mühsame Suche nach Kompromissen bei Zwingendem für weniger wichtig als geschmeidiges Durchmogeln. Aber was rege ich mich auf? Habe ich doch Wichtigeres zu tun: Tee kochen und abwarten.
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