Lukaschenko zu Besuch in China: Balztanz mit russischen Argusaugen
Der belarussische Präsident hofft auf mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen aus China – und mehr Unabhängigkeit von Russland.
Am Mittwochmorgen trafen die beiden schließlich in der Großen Halle des Volkes in Peking zusammen. Der Zeitpunkt von Lukaschenkos Besuch ist aus europäischer Sicht ein katastrophales Signal, hatte doch Chinas Staatsführung erst am Freitag einen Zwölf-Punkte-Friedensplan zum Krieg in der Ukraine hingelegt. Und nur wenige Tage später rollt die Volksrepublik einem der engsten Verbündeten des Kreml den roten Teppich aus.
Insbesondere die USA dürften nun erneut ihre Warnungen vor möglichen Waffenlieferungen aus China bekräftigen: Der Verdacht steht im Raum, dass Peking Belarus als Mittelsmann nützen könne, um Russland quasi über Bande aufzurüsten. Doch Lukaschenko kommt keineswegs als Gesandter Putins, wie vielfach in der internationalen Presse geschrieben wurde. Die Beziehungen zwischen Minsk und Moskau sind durchaus komplizierter. Denn mit steigender Angst, dass sich Russland den kleineren Nachbarn im Westen einverleiben könnte, dürfte Lukaschenko in China eine Art ausgleichende Macht sehen, um die große Abhängigkeit von Russland ein wenig zu verringern. Anders ausgedrückt: Sein Besuch in Peking dürfte im Kreml durchaus mit Argusaugen beobachtet werden.
Der Ukrainekrieg wird wohl hinter den Kulissen debattiert. Doch wird es China weniger um Lukaschenkos Unterstützung für seine „Friedensinitiative“ gehen, schließlich handelt es sich dabei vor allem um eine PR-Aktion ohne Maßnahmen. Xi Jinping wird seinen belarussischen Gast aber sehr wohl nach seinen Einblicken über den aktuellen Kriegsverlauf ausfragen.
Chinesische „Allwetter-Partnerschaft“
Lukaschenko erhofft sich von seinem Staatsbesuch allen voran wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen aus China. Das Reich der Mitte hat seit den EU-Sanktionen gegen Belarus massiv an Bedeutung gewonnen. Der gemeinsame Handel ist im Vorjahr um 33 Prozent gestiegen, entwickelt sich gemessen an den Erwartungen aber dennoch enttäuschend: Chinesische Unternehmen agieren auf dem belarussischen Markt bislang aus Angst, selbst zur Zielscheibe westlicher Sanktionen zu werden, eher zaghaft.
Damit sich das ändert, gibt sich Lukaschenko in allen politischen Kernanliegen der Chinesen loyal: Man schätze die Unterstützung aus Belarus bezüglich „Taiwan, Xinjiang, Hongkong und den Menschenrechten“, heißt es von der chinesischen Seite. Erst im September hievte Peking die Beziehungen mit Minsk beim Treffen der Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO) in Usbekistan auf den Status einer „umfassenden, strategischen Allwetter-Partnerschaft“.
Den Terminus haben die Chinesen in den nuller Jahren kreiert, um der damals ausgebauten Beziehung zu Pakistan einen politischen Rahmen zu geben. Das Präfix „Allwetter“ bezeichnet im diplomatischen Sprachgebrauch der Pekinger Staatsführung vor allem eine Verpflichtung: Man werde die Beziehungen konsequent fortführen – ganz unabhängig davon, wie sich das externe Umfeld ändert.
Lukaschenkos Besuch vom Mittwoch reiht sich ein in eine Liste von Autokraten, denen Peking in diesem Jahr bereits den roten Teppich ausgerollt hat. Zuvor waren bereits der iranische Präsident Ebrahim Raisi, der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen sowie der turkmenische Präsident Serdar Berdimuhamedow zu Gast.
All dies zeigt nicht nur, wie pragmatisch und wertebefreit die Außenpolitik der Chinesen ist, sondern ist auch eine aktive Botschaft an den Westen: Die Volksrepublik baut ihren Einfluss in jenen Weltregionen aus, die von Europa und den USA oft stiefmütterlich behandelt werden. Doch Chinas lange Liste an diktatorischen Freunden legt vor allem offen, mit wem Xi Jinping dieser Tage nicht sprechen will: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat mehrfach um einen Gesprächstermin bei dem chinesischen Staatschef gebeten. Bislang wurde er abgewiesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen