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Krieg in NahostIsraels härteste Prüfung

Gastkommentar von Lev Grinberg

Israel ist in einer gefährlichen Lage – auch durch Trumps Gaza-Pläne. Jetzt braucht es verantwortungsvolle Führung und Solidarität mit den Geiseln.

Demonstranten fordern die sofortige Freilassung der von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln, am 8.3.2025 in Tel Aviv Foto: Ariel Schalit/AP/dpa

U S-Präsident Donald Trumps Plan, die Palästinenser aus dem Gazastreifen zu vertreiben, hat eine sehr gefährliche Situation für Israel geschaffen. Zum ersten Mal seit dem Unabhängigkeitskrieg stellen sich alle arabischen Staaten hinter die Palästinenser und gegen die USA und Israel. In den arabischen Gesellschaften herrscht Empörung über die Kriegsverbrechen Israels. Die arabischen Führungen lehnen geschlossen Trumps Pläne für den Gazastreifen ab.

Lev Grinberg

ist Politologe an der Ben-Gurion-Universität in Beer-Scheva. Er befasst sich mit der zionistischen Arbeiterbewegung und dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Er ist Direktor des Humphrey Institute for Social Research.

Die Folge ist eine offene Konfrontation, die zu einem Kompromiss führen muss – hoffentlich früher als später und bevor zu viel Blut vergossen wird. Der Zionismus hat sich immer auf die Unterstützung des westlichen Imperialismus und seine eigene Militärmacht verlassen. Aber die zionistische Bewegung war sich auch stets der Grenzen seiner Macht bewusst. Nach 15 Monaten Krieg ist Israel geschwächt, der westliche Imperialismus ist mit Trump an seinem Tiefpunkt und Israels Feindseligkeit gegenüber den Palästinensern hat ihren Höhepunkt erreicht.

Das politische System Israels ist unfähig, die eigenen Grenzen zu erkennen und den messianischen, nach Blut dürstenden Eiferern Einhalt zu gebieten. Dies ist unsere härteste Prüfung seit der Ermordung des früheren Regierungschefs Jitzchak Rabin. Die Armee ist gespalten und den Vereinigten Staaten mangelt es an einer verantwortungsvollen Führung. Wir müssen mit aller Stärke an der Solidarität mit den Entführten im Gazastreifen und ihren Familien festhalten. Es gibt keine größere moralische Kraft, um den Krieg zu beenden.

Auch die Palästinenser befinden sich in einer schwierigen Lage. Hundert Jahre lang haben sie allein gegen ihre Vertreibung gekämpft, aber nun scheinen die arabischen Führungen auf ihrer Seite zu stehen. Wie wir brauchen die Palästinenser eine verantwortungsvolle Führung. Ein Tausch der Entführten gegen palästinensische Häftlinge könnte für beide Seiten eine Befreiung von unseren extremistischen, eifernden Eliten und das Ende des Krieges bedeuten.

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19 Kommentare

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  • Leider mangelt es auf beiden Seiten an verantwortlichen Akteuren, zumindest in den Schaltstellen der jeweiligen Regierungen. Und auch ihren Allies geht es, so fürchte ich, vor allem um ihre je eigenen Machtinteressen und Einflusssphären.

    Bleibt nur noch die vielbeschworene "Zivilgesellschaft", um Wege zu einem für beide Seiten akzeptablen Frieden zu finden. Ob diese stark genug ist? Im Moment sehe ich das eher nicht.

  • "Zum ersten Mal seit dem Unabhängigkeitskrieg stellen sich alle arabischen Staaten hinter die Palästinenser und gegen die USA und Israel."

    So interpretiere ich die Reaktion der arabischen Staaten nicht. Ich habe eher den Eindruck, dass sie durch den konkreten (?) Vorschlag von Herrn Trump Handlungsbedarf sehen, eigene Vorschläge auszuarbeiten. Das ist für mich kein "gegen die USA und Israel" stellen, sondern eher das Einbringen von eigenen Ideen und möglichen Alternativen.



    Gegen die USA und Israel stellen wäre es für mich gewesen, wenn sie die gegenwärtige Situation dazu nutzen würden, sich pro gazanische Regierung aktiv an den Kampfhandlungen gegen Israel zu beteiligen. Es hat mich ein wenig gewundert, dass nicht einmal der Iran das macht, wo die gazanischen Kämpfer doch teilweise (?) vom Iran ausgebildet und bezahlt werden und sie Israel vernichtet sehen wollen.

    "In den arabischen Gesellschaften herrscht Empörung über die Kriegsverbrechen Israels."

    In arabischen Gesellschaften herrscht meiner Meinung nach grundsätzlich Empörung über Israel, unabhängig davon, was Israel tut oder unterlässt.

    Keine Zeichen mehr.

  • "nach Blut dürstenden Eiferern"



    Passt das nicht irgendwie eher zur Hamas und den ihnen applaudierende Palästinensern?

    • @Peter Schütt:

      Es passt bei den Eiferern beider Gruppen gleich gut.

      Extremisten gleichen sich in ihrem Hass die andere Gruppe los werden zu wollen.

    • @Peter Schütt:

      Wenn Sie mal die Leserkommentare in der Jerusalem Post anschauen, werden Sie sehen, dass es zu beiden Seiten passt.

    • @Peter Schütt:

      Es passt ohne Zweifel auch zur Hamas; aber vielleicht gestehen Sie einem israelischen Politologen zu, die Extremisten in der eigenen Regierung zu kritisieren, statt den Ball gleich wieder ins andere Feld zu spielen - letzteres passiert im NO-Konflikt ohnehin viel zu oft.

  • Warum gibt es auf deutschen Straßen immer wieder Sympathie für die Hamas. Ich verstehe das nicht. Nie wieder ist JETZT!

  • Viel Pathos, wenig Inhalt, weniger historisch Korrekt.

    Ein Ende des genozidalen Krieges der Hamas gegen alles jüdische und kollaborateure gibt es damit nicht. Nur eine Auszeit bis Hamas wieder zuschlägt.

    Ein Krieg ist mit Frieden zu Ende, nicht mit Waffenruhe. Dafür braucht es Gerichte welche die mehr als 5000 Täter *innen aus Gaza vom 7. Oktober verurteilen.

    Gerne mit internationaler Beteiligung und Wahrheitskommissionen welche diesen Teil der palästinensischen Gesellschaft zum ersten Mal öffentlich zwingen den Anteil von Hamas, PFLP, PIJ an Konflikt zu benennen.

    • @AlHozo Hoto:

      Sie sollten das jüdische Volk nicht mit Israel gleichsetzen, das ist laut der IHRA-Definition Antisemitismus.

    • @AlHozo Hoto:

      Und was ist mit den genozidalen Kriegsverbrechern in Israel?

      • @Perkele:

        Ob in Gaza ein Genozid verübt wird, muss noch juristisch geklärt werden. Die Antwort darauf fällt bei Experten nicht eindeutig aus.

        Ich persönlich gehe davon aus, dass Kriegsverbrechen aufgearbeitet und verfolgt werden. Für die Apologeten beider Seiten wird das vermutlich dennoch frustrierend sein, da, wie ich hoffe, beide Seiten nach "Gerechtigkeit" streben, aber kaum beide Seiten zufriedengestellt werden können.

    • @AlHozo Hoto:

      Wird es dann auch ein Gericht für alle israelischen Täter geben, oder haben die einen Freibrief?

      • @TeeTS:

        Ich habe Ihren Kommentar zu spät gelesen, sonst hätte ich meine Antwort an Perkele auch an Sie gerichtet.

    • @AlHozo Hoto:

      "Viel Pathos, wenig Inhalt, weniger historisch Korrekt."



      Spiegel!

    • @AlHozo Hoto:

      Sie vergessen leider komplett die Kriegs- und Menschenrechtsverbrecher aus der IDF, der Politik und den illegalen Siedlungen.

      Die "Wahrheitskommission" sollte als allererstes bei Ihnen anfangen und Sie zur Vernunft "zwingen"....

      Das solche Kommentare hier veröffentlicht werden....

  • Nicht zu vergessen sind die vielen Israelis, die durchaus fair und menschlich denken und handeln - jedoch von den Hardlinern und Fanatikern quer durch alle Schichten drangsaliert und betrogen werden.

    • @Perkele:

      "Nicht zu vergessen sind die vielen Israelis, die durchaus fair und menschlich denken und handeln ..."

      ... und auch am 07.10.23 bzw. danach von der gegnerischen Kriegspartei getötet wurden. Die israelisch-kanadische Friedensaktivistin Vivian Silver, der Historiker der Gedenkstätte Yad Vashem, Alex Dancyg, der Journalist und Friedensaktivist Oded Lifshitz (83 J., er schrieb "für die Arbeiterzeitung Al-Hamishmar und war einer der ersten Journalisten, die über das Massaker von Sabra und Schatila berichteten. Er setzte sich für die Rückgabe von Land an Beduinen und Palästinenser und ihre Rechte ein ..."). Seine Frau, die Fotografin und „Ikone“ der israelischen Friedensbewegung Jocheved Lifshitz (85 Jahre alt), ließ "man" gnädigerweise am Leben.

    • @Perkele:

      Leider ein weiteres Beispiel wohin Nationalismus und Militarismus führen. Leider ein Trend weltweit, auf den es bisher nicht so richtig eine Antwort gibt.

    • @Perkele:

      Leider eine kaum merkbare Minderheit