Krieg in Gaza: Verhärtete Fronten nach Resolution
Israel reagiert verärgert auf den Beschluss im UN-Sicherheitsrat – und ruft einen Großteil seines Verhandlungsteams aus Katar zurück.
![Menschen stehen eng beieinadner und debattieren angespannt Menschen stehen eng beieinadner und debattieren angespannt](https://taz.de/picture/6909831/14/34969852-1.jpeg)
Laut dem katarischen Außenministerium gehen die Gespräche nun offenbar in kleinerem Rahmen weiter, die Fronten zwischen den Konfliktparteien aber sind verhärtet. „Wir müssen weiterkämpfen“, sagte der israelische Präsident Izchak Herzog am Dienstag in Jerusalem. Außenminister Israel Katz sagte, die UN-Entscheidung würde vor allem Israel unter Druck setzen und die Hamas darin bestätigen, „dass sie sich nicht beeilen müssen“.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisierte, die Hamas sei „nicht an einer Fortsetzung der Verhandlungen über einen Deal interessiert“. Die Resolution werde Israel und den rund 130 in Gaza festgehaltenen Geiseln schaden. Den Verzicht auf ein Veto nannte Netanjahu einen „klaren Rückzug“ der US-Regierung.
Die Hamas begrüßte die UN-Entscheidung und teilte mit, für einen sofortigen Austausch von „Gefangenen“ bereitzustehen. Zugleich aber lehnte die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Gruppe das jüngste Angebot in den Verhandlungen ab und zog sich auf ihre bereits zu Beginn gestellten Forderungen zurück. Diese seien „ein umfassender Waffenstillstand, ein Rückzug (Israels) aus dem Küstenstreifen, die Rückkehr der Vertriebenen sowie ein echter Gefangenenaustausch“.
Bei den Verhandlungen unter Vermittlung der USA, Ägypten und Katar in Doha bewegten sich die beiden Seiten zuvor aufeinander zu. Die Hamas hatte zuletzt angedeutet, ein dauerhaftes Ende der Kämpfe als Vorbedingung für einen Waffenstillstand aufzugeben. Israel hatte die Freilassung mehrerer hundert palästinensischer Gefangener im Austausch gegen 40 Geiseln in Aussicht gestellt.
Auch Macron hat Netanjahu gewarnt
Verteidigungsminister Joav Galant erklärte noch am Montag in Washington, die Kämpfe würden fortgesetzt, einschließlich eines Vorstoßes nach Rafah, wo derzeit rund 1,5 Millionen Menschen unter katastrophalen Bedingungen Schutz suchen. Die Forderung von UN-Generalsekretär António Guterres nach einer umgehenden Umsetzung der Resolution und die Warnung, ein „Scheitern wäre unverzeihlich“, dürften damit ungehört bleiben.
Ein möglicher Einmarsch in Rafah an der ägyptischen Grenze aber könnte Israel nach der Missachtung des völkerrechtlich bindenden UN-Entschlusses weiter isolieren. Selbst die engsten Verbündeten warnen vor einem Angriff auf die Stadt. Die USA haben mit ihrem Verzicht auf ein Veto am Montag bereits einen Bruch in ihrer Israel-Politik vollzogen. Erstmals sind die Mahnungen aus Washington über Worte hinausgegangen.
Mehrere Aussagen führender US-Politiker schüren zudem Spekulationen, dass auch die lange als unverrückbar gesehene US-Militärhilfe zur Debatte gestellt werden könnte, zumindest was offensive Waffen betrifft. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wies Netanjahu am Wochenende darauf hin, dass eine gewaltsame Umsiedlung der Menschen in Rafah ein Kriegsverbrechen sei.
Es fehlt der Plan für einen sicheren Ausweg
Doch der Premier zeigt sich von derartigen Appellen unbeeindruckt: „Israel wird seine legitimen Kriegsziele erreichen: die Zerstörung der militärischen und administrativen Kapazitäten der Hamas“ sowie die Befreiung aller Geiseln, so Netanjahu.
Ein Rafah-Vorstoß könnte dennoch weiter auf sich warten lassen. Israels Truppen in Gaza sind seit Wochen in immer wieder aufflammende Gefechten in nach eigenen Angaben bereits eroberten Gebieten verwickelt. Seit mehr als einer Woche kämpfen israelische Soldaten dabei erneut im Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, in dem sich Hamas-Kämpfer verschanzt haben sollen.
Auch in zwei medizinischen Einrichtungen in Chan Junis werde gekämpft. Viele der zwischenzeitlich einberufenen Reservisten sind im sechsten Kriegsmonat außerdem längst wieder entlassen worden. Einer größeren Offensive dürfte eine weitere Einberufung vorausgehen. Auch ein Plan für einen sicheren Ausweg für die Menschen in Gaza fehlt bis heute.
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