piwik no script img

KonsumforschungWarum mehr nicht immer mehr ist

Weniger konsumieren oder emmittieren, fällt uns Menschen schwer. Die Verhaltensforschung zeigt, das hat System. Kommen wir trotzdem dagegen an?

Shoppingmeile in Köln: weniger konsumieren oder emmittieren, fällt uns Menschen schwer Foto: Ralph Peters/imago

Menschen verstehen sich seit jeher als exzellente ProblemlöserInnen. Sind unsere Arme zu schwach, um einen Ast zu brechen, erfinden wir kurzerhand die Säge. Ist der Arm zu kurz, verlängern wir die Säge. Für jedes Problem versuchen wir eine neue Lösung zu erfinden.

Dieses Vorgehen spiegelt sich auch im Umgang mit den sozialen und ökologischen Problemen unserer Zeit wider. Schenkt man den TechnikprophetInnen Glauben, werden Innovationen den Klimawandel stoppen. Dadurch würde – so die liberalen PolitikerInnen – auch der ökonomische Kuchen größer.

Statt im Verzicht soll die Lösung für viele Fragen im Mehr liegen. Mehr Technologie, mehr Wachstum, mehr Ressourcen. Inwieweit hat diese Tendenz System? Liegen diesem Verhalten fehlerhafte Denkmuster – sogenannte „Biases“ – zugrunde? Diese Fragen stellt sich die Verhaltensforschung.

Die Studie

Bereits 2021 legte eine Studie im Magazin Nature nahe, dass Menschen dazu neigen, Probleme durch das Hinzufügen statt das Entfernen von Bestehendem zu lösen. Selbst wenn es mit Mehraufwand und Kosten verbunden ist. Die Forschenden demonstrierten dies anhand eines Turms aus Legosteinen, den Teilnehmende des Versuchs stabilisieren sollten.

Team Zukunft – der Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien

Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.

Dafür konnten sie Steine hinzufügen oder entfernen. Für jeden hinzugefügten Stein mussten sie bezahlen. Steine zu entfernen beeinflusste die Belohnung nicht. Trotzdem entschied sich die Mehrheit dafür, Steine hinzuzufügen. Das Fazit: Ist ein Problem durch zu viel verursacht, ist mehr die Antwort.

Inwieweit dieses Verhalten eine unveränderliche Neigung ist, stellt eine Studie aus dem Januar von Forschenden der schwedischen Universität Uppsala infrage. Nachdem die AutorInnen in der ersten Studie bereits über die Einflüsse von Kultur und Industrialisierung spekuliert hatten, konnten die Forschenden aus Uppsala bei gleichem Versuchsaufbau alters- und kulturspezifische Unterschiede feststellen.

Bei Kindern und US-AmerikanerInnen war der Additionsbias stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen und SchwedInnen. Für die WissenschaftlerInnen folgt: Die Neigung, Probleme durch Hinzufügen zu lösen, ist wandelbar und abhängig von kultur- und ökonomiebedingten Mustern.

Was bringt’s?

Die Studie zeigt, nicht alles ist verloren. Dass es für den Klimawandel, den Verlust von Biodiversität und für soziale Ungleichheit keine rein technischen Lösung gibt, ist vielen von uns klar. Für diejenigen, bei denen diese Erkenntnis noch nicht gefruchtet hat, sind diese Studien eine Einladung, ihr Denken zu reflektieren.

Oft übersehen wir die offensichtlichsten ­Lösungen. Statt bedrohte Tierarten in Zoos ­aufwendig nachzuzüchten, sollten wir ihren natürlichen Lebensraum erhalten. Anstatt Emissionen aus der Luft zu saugen, müssen wir sie verhindern, wo sie entstehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • gutes beispiel mode. ich neige dazu, viel aufzuheben + sleber zu nähen/stricken, schon seit kindesbeinen (aus armut).



    daraus macche ich eine styling-kunst. mixe 50, 40,30,20,10-jahre alte teile mit anderen, schwarzen wanderhut dazu auf den kopf(oder ein panama, oder ein damen.panama in schwarz- et voilà, die mädels sind begeistert + sprechen mich laufend an (bin 76j.).



    farben + stffe müssen natürlich passen - aber die meisen frauen sind in pu kto farben sicherer als manche maler.



    + es maht einen riesenspaß. das ist der mehrwert. spart geld und ressourcen. ist übertragbar auf alles mögliche: möbel. wozu kaufen? stilbruch in hamburg ist supi (möbel aus dem sperrmüll), aus nachbarschafftsportalen aus der rubrik 2zu verschenken", geschirr dito usw.



    es gibt umsonstläden +tauschhäuser + öffentlich zugängliche büchercontainer.



    es gibt unendliche möglichkeiten.



    gehen, radeln -öffis nutzen, wenn auto, dann carsharing ....urban gardening, heilkräuter aus der freien natur.einkaufstüten aufheben - braucht man/frau immer - zum abholen nicht gekaufter sachen.



    usw. usf.

  • Technik macht arbeitslos und Arbeitslosigkeit macht nicht satt. Technischer Fortschritt und immer höhere Produktivität sind Kennzeichen eines Kapitalismus, der das menschliche Tun immer mehr von den Grundlagen seiner Existenz entfernt, weil es dazu führt, dass 'menschliches' Tun immer wertloser gegenüber den Maschinen erscheint. Der Weg zurück geht nur über ein 'RECHT AUF ARBEIT' für jeden und alle, das Vorrang haben muss vor allem Treiben derjenigen, die Technik und Maschinen -oft gegen Menschen- einsetzen. Kopf und Hand statt Maschine müssen wir wieder lernen.....

    • @Dietmar Rauter:

      Meinen Sie das jetzt ernst? Wie weit sollen wir denn zurückgehen, wäre die Verwendung von Feuerstein-Werkzeugen noch in Ordnung? Das Rad? Das Feuer?

      Es gibt sowieso immer genug zu tun, in den Bereichen Care, Bildung, Kunst und Kultur, Wissenschaft. Warum sollen wir die enorme Produktivität aufgeben und nicht nutzen für echten (d.h. vor allem auch sozialen) Fortschritt?

      Peter Kropotkin: „Das Recht auf Wohlstand ist die soziale Revolution, das Recht auf Arbeit ist günstigstenfalls ein industrielles Zuchthaus.“

      • @Eric Manneschmidt:

        Wenn die Änderung eines Extrems lediglich in einem anderen Extrem liegt, wird das nix.



        Aber das ist so üblich:



        Vorschlag eines veganen Gerichtes auf der Karte = Die wollen uns das Fleischessen verbieten!



        Vielleicht mal etwas weniger Sinnloses produzieren = Produktivität aufgeben!! usw. usw. usw....

        Verlustangst lähmt die Kreativität für Problemlösungen, hauptsächlich die Angst vor Verlust von Überfluss.

      • @Eric Manneschmidt:

        P.S. Noch einmal: Produzieren 'wir' als Gesellschaft nicht schon genug, so dass es für alle reichen sollte und Arbeit und Reichtum 'nur' anders verteilt werden müsste, so dass jede/r etwas davon hat: Teilhabe an allem für alle... Warum die Segnungen der Produktivität nur immer reicher werdenden 'Kapitalisten' (die dann auch nichts mehr davon haben, wenn sich der Einsatz von 'Kapital' nicht mehr lohnt....) ? Wie funktioniert ein demokratisches System, von dem ALLE 'profit'ieren ?

      • @Eric Manneschmidt:

        1) Ich finde gut, dass wir darüber diskutieren, es ist notwendig, schließlich ist die Klimakatstrophe ein Produkt der Technik und Industrialisierung.



        2) Das, was 'wir' brauchen, muß vom Ver-braucher ausgehen und seinen unmittelbaren Bedürfnissen und dabei ist festzuhalten, dass mindestens 80% der angeboten Konsumartikel bis hin zu überdimensionierten Villen, Jachten, Flugzeugen und Autos verzichtbar sind allein zugunsten eines evtl. noch überlebbaren Klimas. Es wird VIEL ZU VIEL einfach nur produziert, damit sich Kapital vermehrt (vermehren muß, damit es nicht wertlos wird). Wir sind mitten in der schon von Karl Marx vorhergesagten Überproduktionskrise, wenn Autos produziert werden, die sich z.B. Chinesen gar nicht leisten können oder Aktionäre irgendwelche *Wert*papiere kaufen in der Hoffnung, dass Manager damit noch etwas anfangen können, dabei aber scheitern MÜSSEN (Der Dax steigt und steigt...), weil auf der anderen Seite die Nachfrage nach immer verrückteren Dingen zurückgeht, weil sie sich zu wenige die zuviel produzierten Waren leisten können. Wundern wir uns dann über einen kleiner werdenden Staatshaushalt? Schulden ?

  • Das ist sehr interessant und erklärt zu einem Teil auch, warum entgegen der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch immer Null bzw weniger Wirtschaftswachstum als Tabu gilt und nur wenige ernsthafte Modelle für ein Wirtschaftssystem entwickeln, das ohne Wachstumszwang funktioniert. Der andere Teil erklärt sich aus der Besitzstansdswahrung all jener, die vom aktuellen System, ohne für die Zerstörung unserer aller Lebensbedingungen zahlen zu müssen, profitieren.

  • Danke für diesen interessanten Artikel.



    Das ist eine Entwicklung die gut zu beobachten ist, schön, hier eine wissenschaftliche Erläuterung zu erhalten.



    Ein Auto kann lange halten und auch recht umweltfreundlich sein, wenn es gewartet und eingesetzt wird, wenn es nötig ist.



    Kleidung kann lange halten, wenn sie Qualität bietet und der höherer Anschaffungspreis relativiert sich über die Lebensdauer.



    Urlaub funktioniert auch ziemlich klimaneutral, z.B.



    wenn Fliegen einfach nicht stattfindet.



    Grundsätzlich kann man/frau sich auch mal was Ausleihen oder verleihen und muss nicht Alles Besitzen.



    Viele analoge Geräte, wie z.B . ein Thermometer funktionieren Jahrzehnte, ganz ohne Batterie.



    Eine Bohrmaschine wird in die Steckdose gesteckt und läuft , wenn die gebraucht wird.



    Dafür wird kein Akku, seltene Erden, moderne Sklaverei oder zusätzliche Umweltverschmutzung benötigt.



    Manchmal ist es, wie der Artikel belegt, sinnvoll, inne zu halten und einfache Lösungen zu finden.



    Ein Legostein Allein ist am Stabilsten.



    Opas Baumsäge hängt seit 60 Jahren am Nagel und funktioniert. Ganz ohne Strom und das gym kann man/frau sich so auch langfristig "sparen"...