Studie über Wachstum und Emissionen: Geld macht nicht grün

Die Wirtschaft soll wachsen und gleichzeitig nachhaltig werden. Wissenschaftler haben bei 36 Industriestaaten untersucht, ob das bisher gelingt.

Industriekletterer beim Arbeiten am 55 Meter langen Rotorblatt einer Windkraftanlage, im Hintergrund sind in der Landschaft weitere Windkraftanlagen zu sehen

Industriekletterer im Windpark bei Albertshof Foto: Paul Langrock

Mit der Dampfmaschine begann es einst. Arbeit wurde so produktiv, dass ein Wirtschaftswachstum entstand. Und mit diesem Wachstum entwickelte sich der Kapitalismus. Der fossile Energieverbrauch stieg stetig und damit auch das Wachstum.

Dummerweise spielte der menschengemachte Treibhauseffekt bei dieser Entwicklung lange Zeit keine Rolle, weshalb wir heute ein Klimaproblem haben. Kapitalismus erzeugt nicht nur einmalig Wachstum, das System muss stetig wachsen, um stabil zu bleiben.

Deshalb wurde das „grüne Wachstum“ ausgerufen: War bislang für mehr Wachstum mehr Verbrauch fossiler Energie entscheidend, soll jetzt eine Entkoppelung stattfinden. Also ein Wachstum mit grüner Energie und steigender Energieeffizienz.

In Deutschland ist nach Regierungsangaben das Bruttoinlandsprodukt seit 1990 um 43 Prozent gestiegen, der Primärenergieverbrauch im selben Zeitraum um 11 Prozent gesunken. Die Entwicklung ist bewusst hervorgerufen; auf diese Weise möchte Deutschland kapitalistisches Wirtschaften ermöglichen und gleichzeitig die Erderhitzung stoppen.

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Die Studie

Ob das tatsächlich gelingen kann, hat eine Studie untersucht, die gerade im Fachjournal The Lancet Planetary Health veröffentlicht wurde. Darin verglichen die Autoren Jefrim Vogel von der University of Leeds und Jason Hickel von der Universität Barcelona die im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Reduktionsziele von 36 Industriestaaten mit ihren tatsächlichen Emissionen.

Das Ergebnis: Kein Land mit hohem Einkommen hat das erreicht, was man zu Recht als grünes Wachstum bezeichnen könnte. Nur elf der untersuchten Staaten schafften im Untersuchungszeitraum 2013 bis 2019 überhaupt eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und den Treibhausgasemissionen: Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Schweden, das Vereinigte Königreich und Österreich.

Und dennoch: Deutschland attestieren die Autoren den dreißigfachen Handlungsbedarf bei der Entkoppelung, wenn die Bundesrepublik bis Mitte des Jahrhunderts tatsächlich klimaneutral werden will. „Nichts an dem wirtschaftlichen Wachstum dieser Länder ist grün“, so Hauptautor Vogel.

Denn die Diskrepanzen zwischen den Klimazielen und den derzeitigen Trends sind enorm: Im Schnitt würde es laut Studie noch rund 220 Jahre dauern, bis die Emissionen dieser Staaten um jene 95 Prozent reduziert werden, die im Pariser Klimaabkommen bis 2050 beschlossen sind. Auf dem Weg dahin würden die untersuchten Staaten 27-mal so viel emittieren, wie im Pariser Abkommen vereinbart. Durchschnittlich wäre eine Entkopplung notwendig, die zehnmal so hoch ist wie jetzt – erst dann könnte sie als grün bezeichnet werden.

Was bringt’s?

Eine wichtige Anregung für die Klimadebatte. Denn wenn die Autoren Recht behalten, können wir die Klimawende mit einem „Weiter so – bloß in Grün“ nicht schaffen.

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