Konflikt in Garzweiler: Kein zweiter Hambi
Eine polizeiliche Großräumung wie im Hambacher Forst wäre politischer Suizid. Aus dem Dorf Lützerath darf kein Tagebau werden.
F ür Klimagerechtigkeit und den sozialen Frieden im Rheinland brauchen wir ein Moratorium für das Dorf Lützerath. Das Dorf an der Kante der Kohlemine Garzweiler lebt, das wird vor Ort schon nach wenigen Minuten deutlich. Regnerischer Wind treibt die Geräusche von Hämmern und Sägen über die große Wiese des Ortes zu uns, fast übertönen sie den Lärm der riesigen Kohlebagger unten im Loch.
Tausende Menschen haben hier protestiert, Hunderte Menschen sind hier in den letzten zwei Jahren hingezogen und machen Lützerath zum neuen Symbolort der Klimagerechtigkeitsbewegung. Eckhardt Heukamp betreibt hier seinen landwirtschaftlichen Betrieb in vierter Generation und klagt dagegen, dass er für RWEs Tagebau zwangsenteignet werden soll. „Hier wegzugehen ist unmöglich. Du kannst das hier nicht verpflanzen“, erklärt er uns seinen Wunsch, sein Zuhause und die umliegenden Äcker zu behalten.
Grothus kandidiert für die Grünen im Rhein-Erft-Kreis. Henneberger ist Grüne Bundestagsabgeordnete für die Region Garzweiler.
Ginge es nach dem Kohlekonzern und der schwarz-gelben Landesregierung, droht am Tagebau Garzweiler ein „zweiter Hambacher Forst“. Wer einmal in Lützerath war, weiß, dass ein Polizeiaufgebot in der Größenordnung der „Hambi-Räumung“ nötig wäre, um RWE den Weg freizuräumen. Die Anordnung einer solchen Maßnahme wäre politischer Suizid. Wieder einmal würden Fakten der Zerstörung geschaffen, obwohl die Kohle unter dem Dorf weder energiewirtschaftlich notwendig ist noch mit Blick auf die Realität der Klimakrise verfeuert werden darf.
Es ist an der Zeit, dass die Landesregierung einem Moratorium zustimmt: Bis die Bundesregierung den Kohleausstieg auf 2030 beschleunigt und in NRW eine neue Leitentscheidung verabschiedet wurde, darf in Lützerath nicht gerodet, geräumt oder gebaggert werden. So gewinnen die demokratischen Prozesse nach dem Regierungswechsel in Berlin und vor der Landtagswahl in NRW Zeit und Raum und unsere Region eine Verschnaufpause. NRW-Ministerpräsident Wüst steht nun vor der Wahl: Sucht er die Eskalation im Rheinland, oder gönnt er dem Revier Dialog und Versöhnung?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?