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Nach Polizeieinsatz gegen Pil­ge­r:in­nenVerfahren eingestellt

Ein als politisch gewerteter Pilgermarsch war von der Polizei ruppig gestoppt worden. Nun müssen die Pil­ge­r:in­nen keine Strafverfolgung mehr fürchten.

Kreuz an der Kante des Tagebaus Garzweiler bei Lützerath Foto: Jochen Tack/imago

Teil­neh­me­r:in­nen eines ökologisch-ökumenischen Pilgerwegs von Gorleben nach Garzweiler, die im vergangenen Sommer von der Polizei ruppig angegangen und teilweise in Gewahrsam genommen worden waren, müssen keine Strafverfolgung mehr befürchten. Alle Ermittlungen seien eingestellt worden, teilten die Organisatoren des Marsches mit. Sie fordern jetzt eine Entschuldigung der Behörden.

Die Pilgerguppe war am 23. Juli bei Hamm von der Polizei gestoppt worden. Die Beamten werteten den Umzug als unangemeldete politische Versammlung, da auch eine Fahne mit der Aufschrift „Stoppt Braunkohle“, ein Transparent mit dem Papstzitat „Diese Wirtschaft tötet“ und das Hungertuch des katholischen Hilfswerks Misereor gezeigt wurden.

Die Situation eskalierte während einer Andacht, als Polizisten einen Pilger umringten und abdrängten. Zwei ältere Männer wurden nach Augenzeugenberichten grob zu Boden gestoßen, eine 67-jährige Frau von den Christians for Future musste im Krankenhaus behandelt werden. Die Beamten nahmen einen jungen Pilger in Gewahrsam, kassierten sein Handy ein und führten einen Mann in Handschellen ab.

„Unangemessene Härte“

Die Polizei sei „mit völlig unangemessener Härte“ vorgegangen, berichteten Teil­neh­me­r:in­nen seinerzeit. Einige Polizisten seien mit gezogenem Schlagstock vorgerückt, andere hätten Pfeffersprayer gezückt. Die Pil­ge­r:in­nen erhielten nach der Kontrolle die Auflage, nur noch explizit religiöse Fahnen und Transparente mitzuführen. Laut Polizei war der Mann in Gewahrsam gekommen, weil er seine Personalien nicht geben wollte und sich „verbal aggressiv“ gegenüber den Beamten verhalten habe. Zudem sollen zwei Mitglieder der Gruppe versucht haben, den jungen Mann beim Abführen durch die Polizei zu befreien.

Erst mit dem Eintreffen von Pfarrern entspannte sich die Lage etwas. Dennoch erstatteten die Beamten Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie versuchter Gefangenenbefreiung. Insbesondere die Evangelische Kirche im Rheinland setzte sich für die Pil­ge­r:in­nen ein. Nach fast sieben Monaten erfolgte nun die Einstellung der Verfahren.

„Es wurde jetzt auch wirklich Zeit, dass diese Beschuldigungen aus der Welt geschafft wurden“, sagt Cornelia Senne. Die evangelische Theologin hält regelmäßig Gottesdienste „an der Kante“ zum Tagebau Garzweiler. Und Negen Jansen, eine der Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen des Pilgermarsches, ergänzt: „Spätestens jetzt wäre wirklich eine Entschuldigung der Verantwortlichen angebracht.“

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19 Kommentare

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  • Die unverständigen und religionsfeindlichen Kommentare hier sind erschreckend? Einer diffamiert die Kreuzwegteilnehmer als "Rechte" und "evangelisch" (dabei waren Papstzitate und Misereortücher der Stein des Anstoßes), der Zweite versteht den Sinn eines 500 km weiten Klimakreuzwegs nicht und der Dritte verwechselt ihn wie die Polizisten mit einer "Demo" und verlangt bürokratische Beschränkungen der freien Religionsausübung. Wo ist die linke Solidarität mit älteren Aktivisten geblieben?

    www.katholisch.de/...er-mit-papst-zitat

    • @Günter Picart:

      Ich finde Ihre Schuldzuweisungen erschreckend, die Sie hier vorbringen, ohne sich z.B. zu den Vorwürfen der Polizei zu äußern.

      • @AusBerlin:

        Welche Vorwürfe? Es hat sich doch in dem Gerichtsverfahren herausgestellt, dass die Polizei den Leuten nichts vorzuwerfen hatte und von Anfang an rechtswidrig vorgegangen ist. Alles, was die Polizei getan und später zu ihrer Entschuldigung vorgebracht hat, war nicht in Ordnung. Auch auf den bekannten Fotos von dem Vorfall sind die Rollen doch sehr aufschlussreich illustriert (Rambo-Polizisten mit Sonnenbrillen vs. etwas schräg gekleidete ältere Herrschaften mit üblichen Pilgerutensilien bei der Rast).

        • @Günter Picart:

          Welche Gerichtsverfahren?



          Aus dem Artikel:



          "Alle Ermittlungen seien eingestellt worden, teilten die Organisatoren des Marsches mit. "

          • @AusBerlin:

            Ja eben, es gab keins, weil die "Vorwürfe" sich als nicht zutreffend herausgestellt haben.

            Der Polizeieinsatz am Schloss Oberwerries war von Anfang an nicht rechtskonform. Zuerst stieß ein Streifenwagen zufällig auf die Wanderer und hielt die Gruppe für eine anmeldungspflichtige politische Kundgebung. Das wäre auch dann nicht der Fall gewesen, wenn sie wirklich demonstriert hätten (Spontandemos während einer Rast auf einer Wanderung wären auch dann nicht anmeldungspflichtig, eben weil spontan).



            Statt ihren Fehler zu bemerken, haben die Streifenbeamten dann aber auch noch "Verstärkung" angefordert (eben die sonnenbebrillten Rambo-Beamten). Und die sind die Leute dann aggressiv angegangen und wollten wenigstens den jüngsten Teilnehmer mitnehmen, weshalb sie ihm das erlaubte Filmen zu verbieten versuchten. Dass die mit Demos wenig vertrauten und vom Grundvertrauen auf die Polizei durchdrungenen alten Leutchen da empört reagieren und sich vor den jungen Mann stellen, nahm die Polizei zum Anlass für Handgreiflichkeiten, ein renommierter Waldpädagoge wurde in Handschellen abgeführt, zwei Damen auf den Boden geworfen.

            Die Pilger haben aus christlicher Haltung heraus auf Anzeigen gegen die Polizei verzichtet. Der Innenminister höchstpersönlich hat ihnen versichert, dass sie ihren Marsch am nächsten Tag "unbehelligt von der Polizei" fortsetzen könnten. Die Rechtfertigungen der Hammer Polizei waren krass unglaubwürdig (sie bestritten z.B., das Zeigen des Papstzitats verboten zu haben). Das Fehlverhalten der Beamten wurde dann intern vom Dortmunder Präsidium untersucht. Die Anzeigen gegen die Teilnehmer waren haltlos. Was wollen Sie noch mehr?

            www.wa.de/hamm/uen...ueft-90897309.html



            www.grundrechtekom...ries-hammwestfalen

            • @Günter Picart:

              Da können Sie hie noch so lange Texte verfassen, so gut wie nichts davon geht aus dem Artikel hervor. Noch nicht einmal Ihre Behauptung, dass es kein Gerichtsverfahren gab, weil die "Vorwürfe" sich als nicht zutreffend herausgestellt hätten.

              • @AusBerlin:

                Aus diesem Artikel geht hervor, dass die "Vorwürfe" haltlos waren, die Stelle haben Sie doch selbst zitiert.

                Dass ich Ihnen (bequellte) Hintergrundinfos liefere, die das illustrieren, können Sie mir nicht zum Vorwurf machen. Ob Sie das anerkennen wollen, bleibt Ihnen überlassen.

                • @Günter Picart:

                  Nein, eine solche Stelle habe ichnicht zitiert. Geht ja auch nicht, da es einen solchen Hinweis im Artikel seitens der Polizei und des Autors nicht gibt. Im Artikel noch nicht einmal von den Demonstranten/Pilgerern.



                  Sie verdrehen hier anscheinend absichtlich die Tatsachen.

                  • @AusBerlin:

                    Aus dem Artikel geht hervor, dass die "Vorwürfe" der Polizei haltlos waren, die Stelle haben Sie selbst zitiert ("Alle Ermittlungen seien eingestellt worden ...").

                    Nehmen Sie die von mir beigebrachte zusätzliche Hintergrundberichterstattung und meine Anmerkungen dazu zur Kenntnis oder lassen Sie es, aber bitte keine bösen Unterstellungen und Verdrehungen. Sonst ist ein redlicher Austausch nicht möglich.

                    • @Günter Picart:

                      Wie gesagt, Sie verdrehen hier anscheinend absichtlich die Tatsachen. Ob Sie das nun zugeben oder nicht.



                      Bsp.



                      Aus dem Artikel geht hervor, dass die "Vorwürfe" der Polizei haltlos waren, die Stelle haben Sie selbst zitiert ("Alle Ermittlungen seien eingestellt worden ...").



                      Ermittlungen eingestellt und Vorwürfe haltlos ist wohl kaum das selbe, und auch nicht das gleiche.

                      • @AusBerlin:

                        Bei Ihnen gelten nur alternativer Fakten...

                      • @AusBerlin:

                        Ich verdrehe nichts, bitte keine weiteren Beschuldigungen dieser Art. Selbstverständlich haben sich die Beschuldigungen, die von den Polizisten zur Anzeige gebracht wurden ("Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte", siehe den im Artikel verlinkten Vorartikel von Anja Krüger), durch die Einstellung der Ermittlungen als haltlos erwiesen. Dass es an den inkriminierten Plakaten etwas auszusetzen gegeben haben soll, hat die Hammer Polizei schon durch ihr (unglaubwürdiges) Rechtfertigungsstatement vom Folgetag selbst ausgeschlossen.

                        Das Problem mit Ihren evasiven Äußerungen ist vor allem, dass Sie auf die sachlichen Fragen gar nicht eingehen und an keiner Stelle erklären, welche "Vorwürfe der Polizei" Sie überhaupt meinen. Es gibt keine "Vorwürfe", zu denen man irgendwie "äußern" müsste, wie Sie das von mir verlangt hatten. Die Polizei hat sich von Anfang an falsch verhalten und hätte den Zug gar nicht behindern dürfen. Am aussagekräftigsten dazu das Statement des Innenministers. Dass ein dem Opus Dei nahestehender Minister linkschristliche Klimapilger begünstigen möchte, kann man ausschließen.

                        • @Günter Picart:

                          "Selbstverständlich haben sich die Beschuldigungen, ... durch die Einstellung der Ermittlungen als haltlos erwiesen."



                          Sie haben ja wirklich überhaupt keine Ahnung von Strafermittlungen.



                          Ich bedaure wirklich jede Sekunde, die ich hier mit jemandem wie Ihnen verbracht habe.

                          • @AusBerlin:

                            Naja, Argumente haben Sie anscheinend nicht drauf, nur persönliche Anwürfe, das finde ich schade. Um es nochmal ganz klar festzuhalten: Es gibt keine aufrechterhaltenen Vorwürfe gegen die Pilger, die Verfahren wurden eingestellt. Den Hintergrund des angeblichen Fluchtversuchs und der Gefangenenbefreiung lesen Sie hier:



                            www.machtvonunten....d-die-polizei.html



                            (der junge Mann wollte nach eigener Darstellung bloß seinen Ausweis aus dem Auto holen).



                            Wichtig dabei ist vor allem auch der Hinweis, dass speziell die Hammer Polizei durch rechte Netzwerke aufgefallen ist, was die unangemessene Härte gut erklären könnte.



                            Die Reaktion des Hammer Bürgermeisters hebt ebenfalls die Unangemessenheit des polizeilichen Vorgehens hervor:



                            www.gruene-fraktio...-in-hamm-gestoppt/



                            Die vom Bürgermeister geforderte interne Untersuchung hat (wie oben bereits verlinkt) mittlerweile stattgefunden, und zwar bewusst nicht durch die Hammer Polizei selbst, sondern das Nachbarpräsidium. Die Ergebnisse sind natürlich nicht öffentlich, aber ein Fehlverhalten ist ja offensichtlich. Man beachte wie schon gesagt besonders das Statement des Innenministers, dem man weder einen Fabel für linke Pilger noch die Absicht, der Polizei etwas anzuhängen, unterstellen kann.

  • Ok, das ist jetz ein Beispiel dafür, dass Rechte, hier evangelische Christen, freundlicher angefasst werden als Linke.

    Hätte es sich um Autonome oder Querdenker gehandelt, wäre da wohl nichts eingestellt worden.

    Wenn man sich den verlinkten Artikel vom 25.07.21 mit den Ereignissen durchliest, wird offensichtlich, dass das Handeln der Polizei nicht unbegründet war.

    Dass die Polizei bei jemandem, der sich seiner Ingewahrsamnahme entzieht, indem er in ein Auto "flüchtet" und sich andere dann davorstellen, dann sagt: "Na, wir gehen dann mal, war ja nicht so gemeint." wäre schon sehr seltsam.

    Dreist ist es natürlich, bei dieser Privilegierung noch eine Entschuldigung zu verlangen.

  • Pilger oder Demonstrant? Ich sollte mich vielleicht entscheiden! Ich pligere vielleicht zu einem Wallfahrtsort oder einem Heiligenschrein, zum heiligen Garzweiler zu pilgern erscheint mir wenig glaubwürdig. Ambesten wir suchen uns irgendwann alle potentiell schutzwürdigen Begriffe aus, schreiben sie auf unsere Fahnen und dürfen dann tun und lassen, was wir wollen?



    Geht Demonstrieren, bezeichnet das als Demo, meldet sie an und verhaltet euch dementsprechend.

  • Wenn die Vorwürfe der Polizei stimmen, und im Artikel wird nichts gegenteiliges berichtet, dann wäre jetzt auch wirklich keine Entschuldigung der Verantwortlichen angebracht, sondern, dann könnten die Pilgerreisenden froh sein, dass es so ausgegangen ist.

    • @AusBerlin:

      Bitte den Artikel genau lesen. Die Verfahren gegen die Pilger sind eingestellt worden. Wären die Vorwürfe der Polizei zutreffen, dann hätten die Behörden die Verfahren nicht eingestellt. Die Polizisten sollten froh sein, dass sie nicht wegen Machtmissbrauch angeklagt werden.

  • Positive Formulierung:



    Geduld ist eine Tugend!



    Negative Formulierung:



    Da kannste lange warten!