Konflikt im Westjordanland: Ohne Wasser und Strom

Israelische Soldaten zerstören im Westjordanland Pumpen und Solargeräte palästinen­sischer Hirten. Diese haben keine Baugenehmigung.

Zerstörte Geräte

Zerstörte Brunnenpump- und Wasserreinigungsanlage in Merkas südlich von Hebron Foto: Susanne Knaul

MERKAS taz | Ein paar tausend Hirten und Beduinen leben unter ärmlichsten Verhältnissen in insgesamt 28 nicht anerkannten Minidörfern im südlichen Zipfel des Westjordanlandes. Um das Dorf Merkas zu erreichen, braucht man einen Geländewagen oder einen Esel für die letzten Kilometer, die über Geröll und Schlaglöcher führen.

Die Bauern leben meist in Höhlen. Wer kann, zimmert sich aus Steinen, Wellblech und dicken Planen ein zusätzliches Zimmer oder einen Unterschlupf für die Tiere.

„Es hat ein Jahr gedauert, bis wir den Ziegenstall fertig hatten.“ Widad Ahmad steht ratlos in dem Gehege, dem seit gestern das Dach fehlt. Sie sorgt sich um die Tiere, für die es weit und breit keinen Schattenplatz mehr gibt.

Der Sommer hat noch nicht angefangen, trotzdem steht am späten Vormittag schon die Luft vor Hitze in dem kleinen Wüstendorf.

Keine Chance auf Baugenehmigungen

Israels Militärverwaltung nimmt an den „illegalen“ Anbauten der Bauern Anstoß. Die Palästinenser verzichten darauf, Baugenehmigungen zu beantragen, wohl wissend, dass das ohnehin aussichtslos wäre.

Die Hirten leben in der sogenannten C-Zone, dem Teil des Westjordanlandes, der noch komplett unter Israels Verwaltung steht. Jüdische Siedlungen werden in der Regel genehmigt, Bauvorhaben der Palästinenser grundsätzlich nicht.

In den nicht anerkannten Dörfern weiß keiner, wen es als nächsten trifft. Widad Ahmad und ihre Tochter holten noch Teller und Besteck aus der Küche, um sie vor den Bulldozern zu retten, als vor lauter Eile der Tochter ein Messer auf den Boden fiel.

„Es war eine riesige Aufregung“, berichtet die Mutter. „Zwei Grenzpolizistinnen hielten meine Tochter fest und sagten, sie habe sie mit dem Messer angreifen wollen.“ Erst nach längerem Hin und Her hätten die israelischen Sicherheitskräfte dies 15-Jährige laufen lassen.

Alle paar Wochen verteilt die Armee neue Abrissbefehle, die manchmal zeitnah umgesetzt werden, manchmal Jahre in der Schublade liegen. Die Hirten setzen sich auf dem Rechtsweg zur Wehr und erreichen mit ihren Widersprüchen oft Aufschub.

Rückenwind kommt aus der EU, die Israel kritisiert, den Palästinensern die Nutzung von rund der Hälfte des Westjordanlandes zu verweigern.

Bislang ließ die Armee Solaranlagen weitgehend unangetastet. Rund 170.000 Euro investierte medico international mit Unterstützung des deutschen Auswärtigen Amtes in die Stromversorgung der Höhlenbewohner. Auch Holland setzt sich für die Dörfer ein und finanzierte Wasserpumpen und elektrische Filter.

Verlust an moderner Zivilisation

Das Projekt, das als politisches Signal gewertet werden kann, bringt die Hirten einen riesigen Schritt der modernen Zivilisation näher. Die Solarzellen reichen zur Stromversorgung der Kühlschränke und der Buttermaschinen, mit denen die Frauen Ziegenmilch zu Käse verarbeiten sowie für Fernseher, Licht und die Wasserpumpen.

Widad Ahmad sorgt sich vor allem um die Milch. „Ohne Kühlschrank wird alles verderben“, schimpft sie. Täglich zwei Kilogramm Käse konnte sie mit Hilfe der elektrischen Buttermaschine produzieren und im Kühlschrank bis zum nächsten Markttag aufbewahren.

Die Familie wird jetzt weniger Einkünfte haben und gleichzeitig höhere Ausgaben. Solange die Pumpen ausfallen, müssen die Hirten Wasser kaufen und bald wieder auf Generatoren umstellen.

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