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Kommunikationswissenschaftler„Fake News muss man schon glauben wollen“

Welchen Einfluss haben Social Media und KI auf den Wahlkampf? Kommunikationswissenschaftler Jörg Haßler über den medialen Nachrichtenkreislauf.

„Die Trennung zwischen digitalem und analogem Raum ist nicht mehr sinnvoll, das Mediensystem ist eng verknüpft“ Foto: Kay Nietfeld/dpa
Interview von David Honold

taz: Herr Haßler, wird der Winterwahlkampf im digitalen Raum entschieden?

Jörg Haßler: Die Trennung zwischen digitalem und analogem Raum ist nicht mehr sinnvoll, das Mediensystem ist eng verknüpft.

Warum?

Analoge Ereignisse wie der Haustürwahlkampf werden von den Parteien in Social Media aufgegriffen. Die Botschaften landen wiederum in der „Tagesschau“ und den Zeitungen. So entsteht ein Nachrichtenkreislauf. Ausschlaggebend ist weniger, wo Themen aufploppen, sondern welche davon für die Bevölkerung wichtig sind.

Bild: Valerio Agolino
Im Interview: Jörg Haßler

Jörg Haßler bekleidet eine Vertretungsprofessur an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er forscht zu Onlinekommunikation und Medienwandel.

Sie haben der Deutschen Welle kürzlich gesagt: „Mit Social Media kann man keine Wahlen gewinnen, aber Wahlen verlieren.“ Soziale Medien haben darauf also sehr wohl Einfluss.

Ja, das war bei CDU-Kandidat Armin Laschet 2021 der Fall. Da wurde ein kleiner Ausschnitt aus einem TV-Livestream, der ihn lachend nach dem Hochwasser im Ahrtal zeigt, auf Social Media so richtig hochgekocht – und dann natürlich wieder in den Medien ausgespielt. Das hat sich in den Umfragen niedergeschlagen. So etwas ist auch im aktuellen Wahlkampf möglich.

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Welche Themen sind denn gerade besonders auffällig in den sozialen Medien?

Insgesamt zeigen unsere Daten, dass dort vor allem mit dem Thema Migration Wahlkampf gemacht wird. Auch durch die hohe Vermarktbarkeit dieses Themas auf den Plattformen war es in den letzten vier Jahren kontinuierlich im öffentlichen Bewusstsein. Denken Sie zum Beispiel an die aktuellen Äußerungen der Union zur Staatsbürgerschaft. Das ist ein Thema, was sich bei Social Media extrem gut spielen lässt und dann vom Journalismus wieder aufgegriffen wird. So rückt das Thema immer höher und höher auf der Agenda.

In diesem Wahlkampf können wir auch beobachten, dass die direkte Kommunikation zwischen Parteien und Bür­ge­r:in­nen zunimmt, ohne den Umweg über die Medien. Wie bei der Küchentisch-Kampagne von Robert Habeck, die auf Social Media groß gespielt wird.

Robert Habeck gelingt es dadurch, eine gewisse Nahbarkeit herzustellen. Aber das muss man differenziert betrachten: Auf der einen Seite wird das als positiv wahrgenommen. Auf der anderen Seite spiegelt sich eine Social-Media-Kampagne nicht eins zu eins in den Umfragen wider. Bislang konnten die Grünen dadurch keine riesige Aufholjagd starten.

Welche Parteien sind denn am erfolgreichsten auf den Plattformen?

Unsere Studien zeigen, dass auf Facebook die AfD die Nase vorne hat. Auf Instagram haben in den vergangenen Jahren die Grünen und FDP die größte Reichweite erzielt und die meisten Follower gesammelt. Und auf Tiktok ist die AfD voll durchgestartet.

Welchen Einfluss haben Fake News?

Es ist extrem schwierig, den Einfluss von einzelnen Falschnachrichten zu identifizieren. Aus der Psychologie wissen wir, dass wir Informationen, die unsere Meinung bestätigen, in unsere Vorstellungswelt integrieren. Diese hinterfragen wir weniger kritisch.

Können Sie ein Beispiel nennen?

In der Vergangenheit hat es vielerorts Straßenproteste gegen Geflüchtete und Asylbewerberheime gegeben. Davor hatten sich Nachrichten sehr schnell in Facebook-Gruppen verbreitet. Später hat sich herausgestellt, dass es sich um Falschinformationen gehandelt hatte. Fake News muss man schon glauben wollen.

Der Chef von Facebook und Instagram, Mark Zuckerberg, hat verkündet, dass es auf seinen Plattformen keine Faktenchecks mehr geben soll, zuerst für User in den USA.

Jetzt werden Probleme sichtbar, die mit der privaten Eigentümerschaft dieser Social-Media-Plattformen zusammenhängen. Sie regeln den Umgang mit Fakten und Hassrede einfach selbst. Wissenschaftliche Befunde zeigen, dass Faktenchecks die Wirkung von Falschinformationen vermindern können. Dass Fakten nun erst mal nicht mehr systematisch geprüft werden sollen, ist aus normativer Sicht problematisch. Und es verändert die digitale Kultur.

Immer wieder sieht man auf den Plattformen auch KI-generierte Inhalte. Gibt es dadurch mehr Fake News?

Anders als die anderen Parteien hat die AfD die Selbstverpflichtung abgelehnt, im Wahlkampf auf KI-Inhalte zu verzichten. Bei der AfD haben wir am häufigsten gesehen, dass sie künstliche Intelligenz einsetzt und zum Beispiel Bilder generiert. Aber auch Markus Söder von der CSU hat auf Instagram schon KI-Videos ohne Kennzeichnung gepostet – trotz der Selbstverpflichtung.

Muss man das als aufkommende Gefahr ansehen?

Insgesamt ist der Einsatz künstlicher Intelligenz von den Parteien noch nicht so gut gemacht, dass eine große Gefahr besteht, die Bevölkerung massenhaft zu täuschen. Aber: Künstliche Intelligenz kann Phänomene so überspitzt darstellen, dass dadurch Einstellungen verstärkt werden. Zum Beispiel, indem Kriminalität stark visualisiert wird. Das kann schon Einfluss auf die Art des Wahlkampfs nehmen. Gefühlte Wahrheiten können durch künstliche Intelligenz bebildert werden.

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13 Kommentare

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  • Für mich ist das Problem, dass News noch nicht mal Fake sein müssen, um das Publikum in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Bestes Beispiel sind die Attentate in Deutschland: Eine Seite listet immer nur die rechtsextremen Attentate auf (Hanau-Halle-NSU), die andere listet nur islamistische Attentate (Breitscheidplatz-Dresden-Mannheim) auf. Keine Seite lügt, aber sie erweckt Eindrücke, die ihr zupass kommen.

    Man braucht Medienbildung, die zur Eigenrecherche aufruft, anstatt immer nur das Plausible oder den Teil der Wahrheit zu glauben, der einem vorgesetzt wird, in den Medien, die man sich selbst ausgesucht hat.

  • Kommunikationswissenschaft als angewandte Wissenschaft im Dienst der 'alten' Medien oder schlicht unwissenschaftlich und naiv?

    Mediale Nachrichten sind immer eine Auswahl von Themen, Bildern, Texten und Perspektiven. Was der 'Bevölkerung wichtig ist', interessiert dabei nur als Auflage, Quote oder Klicks, also als Marktanteil. Die Technologien und 'Gesetze' des Medienmarktes bestimmen, was als Nachrichten angeboten wird. Ob ARD, ZDF, FAZ, Spiegel oder taz, gezeigt werden nicht Wirklichkeiten, sondern perspektivisch verzerrte Ausschnitte von Rohmaterial, dass teilweise gezielt für oder von Medien erzeugt wird.

    Nachrichten muss man schon glauben wollen. Fake News kann man nicht mehr glauben, als alten Nachrichtenformaten. Ein Unterschied besteht darin, dass 'alte' Medien Nachrichten redaktionell betreuen, vielleicht noch mit konventionellem Wissen und konventionellen Meinungen abgleichen. Das verhindert nicht, dass die 'alten' Medien Falschmeldungen und falsches Wissen verbreiten, aber dass 'alte' Medien die Vielfalt von Meinungen und wissenschaftlichen Theorien abbilden. Inszenierung von Nachrichten ist eine funktionale Notwendigkeit und hat Fake Media vorbereitet.

  • So einfach ist das ganz sicher nicht. Bei manchen Themen findet man selbst mit aufwendiger Recherche nicht heraus, was gesicherte Fakten sind. Auch auf vermeintlich seriösen Quellen werden zunehmend ungeprüfte Informationen übernommen und verbreitet. Und es gibt neben den Fake News und Verschwörungstheorien mit dem Holzhammer auch ganz subtile Einflussnahem, Grauzonen und hybride Nachrichten, die Fakt und Fiktion so verbinden, dass es bei flüchtigem Konsum nicht auffällt. Geradewährend der Pandemie wurden selbst von Wissenschaftlern und hochrangigen Politikern Falschmeldungen in Umlauf gebracht. Und nicht selten spielt dabei der politische Background der Informationsquelle eine Rolle. Da müssen sich auch etablierte Medien mal an die Nase fassen, wie sorgfältig man beim Kampf um die Wahrheit selbst arbeitet.

    • @Deep South:

      Danke. Sie beziehen sich auf den Satz „Fakenews muss man schon glauben wollen“, vermute ich mal.

      Wenn das so einfach wäre, wären Fakenews ja nicht so gefährlich.

      • @Strolch:

        Ja, so isses. Bestes Beispiel ist der aktuell Fall bei den Grünen. Die Schlampigkeit des RBB auf der einen, das notorisch blinde Abschreiben etlicher anderer Medien. Oder die Sache Ofarim, der angebliche Suizid von Frau Föderl-Schmid, Schulen als Virenschleudern. Beispiele gibts etliche.

  • Übernahme der Weltmacht durch Social Media

    Mit Social Media haben wir das „Stammtisch-Geschwätz“ in die Öffentlichkeit gebracht. Oft geht es darum, Unsinn zu verbreiten und durch „Likes“ Anerkennung zu erhalten, die Glücksgefühle auslöst und das Ego stärkt.

    Manche sehen sich dabei als „Denker*innen“, andere inszenieren Urlaube, Autos oder Familienfotos – meist eine Form der Selbstdarstellung auf der Suche nach Anerkennung.

    Etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland verbringt täglich ein Drittel ihrer Zeit in sozialen Medien. Dadurch entsteht eine Plattform, die wenigen Großkonzernen immer mehr Reichtum und Einfluss gibt.

    Faktenbasierte Medien geraten zunehmend in den Hintergrund und könnten eines Tages verschwinden.

    Ohne bewussteren Umgang mit Social Media riskieren wir nicht nur den Verlust von Journalismus, sondern überlassen die Kontrolle über Kommunikation und Meinungsbildung wenigen Profiteuren.

  • Wenn die Wurst größer ist als Markus Söder, dann ist es KI. Denn niemand größer als #söderisst...

  • „Fake News muss man schon glauben wollen“

    Da irrt der Professor gewaltig.

    Erstens werden junge Menschen mit wenig politischer Bildung gezielt auf social media 24/7 mit fake news und Propaganda zugeschüttet und weder sie selber noch ihre Schulen oder Eltern haben dem was entgegenzusetzen.

    Die politische Bildung ist stark zusammengekürzt worden und zuhause gibt es auch oft nur Stammtisch, wenn überhaupt über Politik gesprochen wird. Junge Leute lernen nicht hinreichend, Informationen gegenzuchecken.

    Zweitens wissen wir aus jahrzehntelanger Forschung dass das permanente Wiedeholen von Lügen und Propaganda selbst bei gebildeten Menschen einen Effekt hat.

  • "Insgesamt zeigen unsere Daten, dass dort vor allem mit dem Thema Migration Wahlkampf gemacht wird. Auch durch die hohe Vermarktbarkeit dieses Themas auf den Plattformen war es in den letzten vier Jahren kontinuierlich im öffentlichen Bewusstsein. "

    Ja, und ich würde mir entweder mehr Verantwortungsbewusstsein bei den Medien wünschen, oder das Pressegesetz anpassen.

    Es geht hier um Menschenrechte und die sollte man nicht auf dem Altar der Profitmaximierung von Medienkonzernen opfern. Nur weil man damit knallig Auflage und Klicks generieren kann, ist es ja wohl unmöglich, dass die Medien immer und immer wieder dieses Thema zugunsten des rechtsradikalen Mobs der AfD und CDU so präsentieren als wäre das Deutschland größtes Problem.

    • @Jalella:

      "rechtsradikalen Mobs der AfD und CDU"

      Genau deshalb scheitert der "Kampf gegen Rechts". Weil die Menschen merken, dass damit der Kampf gegen alles gemeint ist, was nicht stramm links ist.

      Wer demokratische Parteien mit der AfD in eine Ecke stellt, der stärkt am Ende die AfD.

  • Mir scheint das ein weites Feld sträflich außen vor zu lassen: Die Kommunikation zwischen den Anwendern von "sozialen" und anderen Medien. Wahlkampf wird ja nicht nur von oben nach unten geführt. Der “Stammtisch“ findet nun weit offener im Internet statt.

    In den meisten öffentlichen Foren, über die ich in letzter Zeit im Internet so gestolpert bin, wird ganz offensiv Stimmung gemacht. Und schon früher konnte man nicht sicher sein, dass die Äußerungen von echten Personen stammen. Aber nun brauchen Interessenvertreter (seien es Parteien, Konzerne, Staaten oder Einzelpersonen) nicht einmal mehr bezahlte Akteure in Großraumbüros, um Stimmung zu machen: Mit KI ist passgenauer Inhalt in Massen leicht zu erzeugen. So überall reaktionsschnell wie KI können echte Menschen gar nicht sein.

    Ich denke, dass diese Gefahr digitaler Brunnenvergiftung nach wie vor weit unterschätzt wird.

    Und von wegen "Fake News muss man glauben wollen": Da ist zwar bestimmt was dran. Aber wenn massiv mit selbst nur subtiler Inhaltsverdrehung vorbereitet wird, dann lassen sich auch offensichtliche Falschnachrichten um so leichter platzieren.

    • @Helmut Fuchs:

      Sie haben Recht mit dem was Sie da sagen. Das Problem ist halt nur was man dagegen macht, jetzt wo die Kiste der Pandora einmal geöffnet wurde.

      Ein Verbot der US und chinesischen Plattformen wäre zwar wünschenswert, aber hier fehlt eindeutig der Wille und die Durchsetzung wäre auch schwierig. Die Plattformen zu irgendetwas verpflichten klappt bedingt. Und selbst versuchen den ganzen Spam auf sozialen Medien und dubiosen Nachrichtenseiten mit Faktenchecks über KI Algorithmen zu belegen, scheint illusorisch und würde von vielen als Zensur wahrgenommen.

      Man kann natürlich festlegen, dass mehr Bildung in Richtung Medien und ihre Handhabung in den Unterricht an Schulen einfließt, aber das wäre ein eher langfristigesr Ansatz.

      Ich sehe im Moment irgendwie keine praktikable Lösung, was ein großes Problem ist aufgrund der fortschreitenden rechtsradikalisierung der großen Plattformen.

  • "In der Vergangenheit hat es vielerorts Straßenproteste gegen Geflüchtete und Asylbewerberheime gegeben. Davor hatten sich Nachrichten sehr schnell in Facebook-Gruppen verbreitet. Später hat sich herausgestellt, dass es sich um Falschinformationen gehandelt hatte." ... Leider ein Interview, bei dem in der Kürze nicht die Würze, sondern mehrfach die Unverständlichkeit liegt ...