Kommunalwahl in Thüringen: AfD holt keinen Sieg
In Thüringen gilt die Kommunalwahl als Stimmungstest vor der Landtagswahl. Nirgends kann sich die AfD durchsetzen. Aber sie hat auch nicht verloren.
Auch der AfD-Kandidat Stefan Möller steht im Saal. Er stemmt die Hände in die Hüften und schaut hoch zur Leinwand. Der Co-Landesvorsitzende liegt mit 18 Prozent auf Platz drei. Allerdings sind bisher nur 33 von 210 Bezirken ausgezählt. „Zufrieden mit dem Ergebnis?“, fragt ein Herr mit Schnauzer, der offenbar mit seinem Handy filmt. „Bisher nicht“, antwortet Möller. Wenn es dabei bliebe, wäre er raus aus dem Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters, während CDU und SPD in 14 Tagen in die Stichwahl um die Mehrheit gingen.
Doch in vielen anderen Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten sieht es bei den Kommunalwahlen an diesem Sonntag anders aus: Im Wartburgkreis, im Ilm-Kreis oder im Kyffhäuserkreis liegt die AfD auf Platz zwei. Im Altenburger Land bekam der AfD-Kandidat Heiko Philipp sogar die meisten Stimmen, muss aber voraussichtlich auch in die Stichwahl – zumindest laut des Zwischenergebnisses zum Redaktionsschluss.
Eigentlich geht es an diesem Sonntag nur um eine Kommunalwahl: Etwa 1,7 Millionen Thüringer:innen durften rund 7.500 Plätze in Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten wählen, ebenso wie mehr als 1.000 Ortsteil- und Ortschaftsbürgermeister:innen, 94 Bürgermeister:innen und Oberbürgermeister:innen sowie die Landratsposten in 13 von 17 Landkreisen.
Empfohlener externer Inhalt
Lokalpolitik – und trotzdem ist bundesweit das Interesse groß: Was sagen die Ergebnisse über die Landtagswahl am 1. September aus? Welchen Zuspruch bekommt die AfD? Zumindest im ersten Anlauf konnte sie keine Landratsämter oder Rathäuser gewinnen.
Mehr als ein Stimmungstest
Doch auch über die Kommunalparlamente oder in der Stichwahl könnte die AfD in Thüringen ihren Einfluss ausbauen, ohne auf Bündnisse angewiesen zu sein. Etwa in Sonneberg, wo im vergangenen Jahr der AfD-Politiker Robert Sesselmann die Landratswahl gewonnen hat. Bisher hatte er aber keine Mehrheit im Kreistag und scheiterte daran etwa mit seinem Vorstoß, Demokratieprojekte zu streichen.
Sollte die AfD nun eine Mehrheit im Kommunalparlament bekommen, könnte Sesselmann durchregieren. Bis zum Redaktionsschluss lagen noch keine Ergebnisse für den Kreistag in Sonneberg vor.
Zudem gelten die Kommunalwahlen als Stimmungstest. Bei der Wahl der Landrät:innen und Oberbürgermeister:innen gingen in Thüringen etwa 21 Prozent der Stimmen an die AfD. Deutlich weniger als die 30 Prozent, die die AfD derzeit in Umfragen für die Landtagswahl bekommt.
Allerdings zeigt die Erfahrung der vergangenen Wahlen schon: eins zu eins lassen sich die Ergebnisse nicht übertragen. Aus den letzten Kommunalwahlen 2019 ging zwar die CDU als stärkste Partei hervor. Aber ein paar Monate später gewann dann die Linke mit 31 Prozent die Landtagswahl.
Das Bundesland regieren aktuell Linke, SPD und Grüne in einer Minderheitenkoalition. Ministerpräsident ist seit 2014 fast durchgehend Bodo Ramelow (Linke) – nur 2020 unterbrochen durch Thomas Kemmerich (FDP). Den hatten nach der Landtagswahl CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt – und lösten damit eine Krise aus, die über Thüringen hinaus Kreise zog.
Damals gab es bundesweit Demonstrationen gegen die FDP, weil die in Thüringen gemeinsam mit den Faschisten der AfD paktiere. Die CDU musste sich rechtfertigen, da für sie eigentlich der Beschluss feststand, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Schließlich sollen die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner den einzigen FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich nach wenigen Tagen zum Rücktritt gedrängt haben.
Vor diesem Hintergrund steht in diesem Jahr die Thüringer Landtagswahl am 1. September. Die schon damals schwierigen Mehrheitsverhältnisse sind bis heute nicht einfacher geworden.
Was die Kommunalwahlen aber gezeigt haben: Trotz der jüngsten Skandale der AfD in Thüringen und international bekamen Kandidat:innen der Partei bei vielen Wahlen die zweitmeisten Stimmen und ziehen voraussichtlich in die Stichwahl ein.
Für Stefan Möller in Erfurt hat es nicht gereicht. Der Thüringer AfD-Landeschef neben Björn Höcke ist raus aus der Wahl. Ein anderer Rechter hat es hingegen ohne AfD in die Stichwahl geschafft: Der bundesweit bekannte Neonazi Tommy Frenck hat in Hildburghausen mit 24,9 Prozent der Stimmen den zweiten Platz bei der Landratswahl belegt. Er bekam 63 Stimmen mehr als der CDU-Kandidat Dirk Lindner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung