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Kommentar zum Machtkampf in der CDUIt’s democracy, stupid!

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Weil Schäuble für Merz trommelt, droht der Partei laut Altmaier Land unter. Dabei ist das doch der demokratische Normalfall.

Die CDU, sichtlich nicht mehr im Wachkoma Foto: dpa

W enn der Damm bricht, wird das Land überflutet. Der Notstand wird ausgerufen. Keller müssen leergepumpt, alle Reserven mobilisiert werden. Peter Altmaier sieht in der CDU Dämme brechen. Weil Wolfgang Schäuble öffentlich für Friedrich Merz trommelt, droht der Partei laut Altmaier Land unter. Wird nun alles sicher Geglaubte fortgespült?

Es bekennen sich inzwischen ein paar ChristdemokratInnen mehr zu Merz oder Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Wortmeldungen sind nicht überraschend. Der Wirtschaftsflügel, der sich sehnsuchtsvoll an die neoliberale Ära der CDU erinnert, ist für Merz. Der Arbeitnehmerflügel und die Merkel-Anhänger werben für Kramp-Karrenbauer. Angela Merkel tut, was sie als CDU-Chefin 18 Jahre lang gerne tat: schweigen und abwarten.

Doch was Altmaier wie eine Springflut erscheint, ist eigentlich der demokratische Normalfall. Eine Wahl steht an, und ein paar Strippenzieher werben für diesen oder jene, öffentlich und nicht nur im Hintergrund. So what?

Dass manchen in der CDU das, was in der Demokratie die Regel sein sollte, gefährlich erscheint, wirft ein trübes Licht auf die innere Verfassung der Partei. Dass die KandidatInnen öffentliche Fürsprecher haben und man vorher nicht weiß, wie es ausgeht, wirkt wie ein Ausnahmezustand. Das letzte Mal, dass es für den CDU-Chefposten mehr als einen Kandidaten gab, liegt fast 50 Jahre zurück. Die Partei scheint wie nach einem Wachkoma zu sich zu kommen.

Ein neues Modell?

Ist Merkel schuld? Das ist viel zu einfach. Die Grabesstille in der CDU musste nicht rabiat von oben verordnet werden, sie wuchs auch von unten. Die Union war nie eine debattenfreudige Partei – es reichte, zu regieren. Merkel hat die geistige Öde, die bräsige Neigung zum Kompromiss nicht erfunden oder hergestellt – sie hat das lautlose Funktionieren nur perfektioniert.

Zudem gibt es in der Parteidemokratie feudale Restbestände und eingeschliffene Machthierarchien. Die Partei ist da Anhängsel der Fraktion, die Fraktion Anhängsel der Regierung. Das ist bei der SPD auch nicht anders.

In Hamburg geht es um eine Richtungsentscheidung, nicht bloß um die Länge des Beifalls. Es droht keine Überflutung, sondern die lange überfällige Sauerzustoffzufuhr. Die Frage ist, was danach kommt. Ist dieses Experiment in Demokratie nur der Ausnahmefall, der sich dann weitere 50 Jahre nicht wiederholen wird? Oder kann das Neue, Offene Modell werden? Es wäre eine Chance, die kriselnde Parteiendemokratie aus ihrer Verkrustung zu befreien.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Na ja, auch in der CDU machen doch nicht alle das, was Wolfgang Schäuble so empfiehlt. Man darf hier übrigens nicht immer so tun, als ob Schäuble und Merkel unerbittliche Kontrahenten seien. Das Gegenteil ist der Fall. Man darf eines nicht vergessen, Schäuble ist damals nicht über Merkel gestolpert, sondern über seine eigenen schmierigen Schwarzgeld-Schiebereien. Ohne Merkel wäre Schäubles Bundestagskarriere danach normalerweise wohl beendet gewesen.

  • "Der Wirtschaftsflügel, der sich sehnsuchtsvoll an die neoliberale Ära der CDU erinnert, ist für Merz."



    Wo ist die Politk der CDU bitte nicht neoliberal? Weil sie zusammen mit der SPD einen niedrigen Mindestlohn eingeführt hat, oder wie?

    • @Uranus:

      Oder andersrum: wo ist der deutsche Anarchismus, das gehätschelte, gepflegte und gedulte Schmuddel-Schmuckstück der Neoliberalismus-Familie nicht neoliberal?

      • @Rudolf Fissner:

        Ein treffender Kommentar der taz. Sehr schön! (Die meisten Leserkommentare vermitteln, dass diese Leser es nicht verstanden haben!)

      • @Rudolf Fissner:

        Das ist leicht zu beantworten, sehr geehrter Herr Fiesner: Überall! Denn wo 50 % des BIP über den Staat umverteilt werden, wo 34 % des BIP für "Soziales" verwendet werden, kann kein vernünftiger Mensch das als Neoliberalismus bezeichnen!

        • @Kainer Klaus:

          Wenn man über Neoliberalismus wenig bis gar nichts weiss, dann vielleicht. In der realen Welt hat nämlich weder die Staatquote noch der Anteil Rentner (für deren Alimentierung die größten Teile des Postens "Soziales" aubgewendet werden ) explizit etwas mit Neoliberalismus zu tun. WAS hingegen mit Neoliberalismus zu tun hat ist der Rückzug des Staates (z.B. aus dem sozialen Wohnungsbau), die Etablierung einer Unterschicht, die möglichst zu jeder Kondition ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss, die Abschaffung von Regelungen, die die Effekte des Marktversagens (z.B. im Bankensektor) mildert, etc. pp. Und all das sehen wir in Deutschland.

  • Nein, Hr Reinecke.



    Das ein offen bekennender neoliberaler Hegdefondmanager nun die CDU führen soll, ist durchaus nicht Demokratie as usual.



    Es ist ein rechter Putsch mit dem Ziel einer CDU-AfD Regierung

    • @neu_mann:

      In die Richtung dachte ich auch. Interessant wie schnell F. Merz wieder ins Gespräch gebracht wurde nachdem jahrelang nichts von ihm zu hören war. Interessant auch wie diese Popularität von bestimmten Medien reaktiviert wurde. Daran wird doch mal wieder sichtbar, dass die "Demokratie" vor dem Hintergrund einer hierarchischen Gesellschaft funktioniert, in der Reiche und Mächtige leicht ihren Einfluss geltend machen können.

  • Ich freue mich, daß mal demokratische Wahlen und Diskurs nicht als Verstoß gegen die Parteimonarchie berichtet wird. Danke dafür!

  • CDU und 'befreit aus Verkrustung'?



    Ist so absurd wie SPD und 'erfolgreich links'.

    • @JBS_6623:

      Besser aber noch als die Diskussionen der paar hinter verschlossenen Türen wie bei der Linkspartei

  • Sicherlich. Spaltungstendenzen gibt es sowieso nur bei der Linkspartei, weil da die böse Wagenknecht ihr Unwesen treibt. Die Christdemokraten können um die Gunst der Delegierten mit der Abschaffung der GG-Rechte oder dem "Grenzregime" buhlen - it's democracy.