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Hitze und VorsorgeDer Ventilator allein schafft es nicht

Kommentar von Svenja Bergt

Tipps, wie man die Hitze besser aushält – schön und gut. Für dauerhafte Linderung sind jedoch grundsätzliche Veränderungen in den Städten notwendig.

Rekordhitze im französischen Nantes, ein Sonnenhut hilft Foto: Stephane Mahe/reuters

V or allem morgens und nachts ordentlich lüften, tagsüber, so vorhanden, Rollläden runter oder zumindest Vorhänge zuziehen. Trotzdem auf Frischluft achten, genügend trinken und leicht essen, ein Auge auf betagte Menschen und sehr kleine Kinder haben, denn beiden Gruppen setzt die Hitze besonders zu. Die Ratschläge finden sich überall, wenn sich heiße Tage ankündigen. Behörden geben sie, Medien, Social-Media-Nutzer:innnen.

Es sind diese Tage, an denen in den Haushaltswarenabteilungen der Elektronikhändler die Ventilatoren knapp werden. An denen zum See oder ins Schwimmbad fährt, wer die Möglichkeit dazu hat. Die Tage, an denen man, wenn es schlimm kommt, später in der Statistik sieht, dass es heiß war. Nicht nur anhand der Temperaturkurve, sondern auch daran, dass die Übersterblichkeit darauf hinweist, dass mehr Menschen als sonst in diesem Zeitraum gestorben sind und dass Wis­sen­schaft­le­r:in­nen einen Zusammenhang sehen zur Hitze.

Was auffällt: Es gibt reihenweise Ratschläge an Bürger und Verbraucher:innen. Sie scheinen primär in der Verantwortung zu stehen, wenn es um Schutz vor Hitze geht. Dabei sollten wir doch in der Debatte längst weiter sein: So wichtig es auch ist, dass je­de:r Einzelne etwas tut, wenn es ums Abbremsen von oder die Anpassung an die Klimakrise geht; um fundamental etwas zu ändern, braucht es mehr. Denn der Ventilator sorgt nur punktuell für Linderung, nicht dauerhaft.

Das passiert erst, wenn es einen echten Wandel gibt: grüne Fassaden, entsiegelte Böden, überhaupt mehr Grün und weniger Grau und Blech in den Städten, Frischluftschneisen, Kaltluftentstehungs­gebiete und öffentlich nutzbare Möglichkeiten zur Abkühlung, von Flüssen bis zu Wassernebeln. Denn es sind gerade die Städte, diese Ansammlungen von Beton, in denen die Temperaturen an Hitzetagen bis ins Unerträgliche steigen.

Debatte

Inzwischen zählt auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu den Unterstützern für ein Polendenkmal in Berlin. Am 1. September werden der CDU-Politiker und die polnische Sejmmarschallin Elżbieta Witek am Askanischen Platz einen Kranz niederlegen. Mit dabei wird auch Zbigniew A. Kruszewski sein, einer der Teilnehmer des Warschauer Aufstandes von 1944. Der vierte Redner ist Dieter Bingen, der Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt. Der Askanische Platz ist der Ort, an dem das Denkmal entstehen soll.

Bingens Institut ist auch eine Art Schirmherr für die Denkmals-Initiative, die Florian Mausbach, der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, im November 2017 ins Leben gerufen hat. Neben den 129 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern, zu denen auch der Autor dieser Zeilen gehört, kommen inzwischen auch 240 Bundestagsabgeordnete aus allen Parteien mit Ausnahme der AfD hinzu. Damit ist wohl klar: Das Denkmal wird kommen.

Unumstritten ist es allerdings nicht. Schon zu Beginn der Initiative warnte Markus Meckel, lange Zeit Präsident des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, vor einer Einteilung der NS-Opfer nach Nationalitäten. Der ehemalige Direktor des deutsch-russischen Museums, Peter Jahn, monierte: „Mit dem Gedenken an der Ostgrenze Polens aufzuhören, ist nicht angebracht. Die Vernichtungslogik der Nazis hielt sich nicht an diese Grenzen.“ Jahn plädiert deshalb für einen „Gedenkort für die Opfer der NS-Lebensraumpolitik“. Zuletzt kritisierte taz-Polenkorrespondentin Gabriele Lesser das Denkmal als „Entjudaisierung der Schoa“.

Demgegenüber betonen die Befürworter des Denkmals, dass Polen das erste Land war, in dem die deutsche Besatzung auch gegen die Zivilbevölkerung vorging. „Von den ersten Tagen an war die deutsche Besatzungspolitik in Polen von massenhaftem Terror begleitet“, schreibt Bingen in der Jüdischen Allgemeinen. „Das Ziel war die Versklavung und Dezimierung der polnischen Zivilbevölkerung insgesamt, die gezielte Ermordung der polnischen Eliten und im Besonderen die systematische und vollständige Ermordung der Juden Polens.“

Darüber hinaus, so Dieter Bingen, würde ein „Lebensraum-Denkmal“ eine „Opfergemeinschaft symbolisieren, die es nie gab, und ungewollt ein historisches deutsches Stereotyp des slawischen Ostens bedienen“.

Positiv über die Initiative hat sich auch die nationalkonservative Regierung in Warschau geäußert. (wera)

Klimaschutz lohnt sich

Aber nicht nur dort sind planerische Veränderungen nötig: Krankenhäuser, Schulen oder Pflegeeinrichtungen in alten oder schlecht vor Hitze geschützten Gebäuden stehen schon jetzt im Sommer vor Problemen – und vor riesigen Investitionslücken. Wo waren noch mal die Leute, die meinten, wir könnten uns Klimaschutz nicht leisten, da viel zu teuer? Zu wenig Klimaschutz wird nicht billiger.

Klar, in Deutschland ist die Zahl der heißen Tage, an denen die Temperatur 30 Grad überschreitet, verglichen mit Südfrankreich oder Spanien noch niedrig. Doch auch hier steigt sie. Bislang werkeln Städte und Gemeinden weitgehend allein vor sich hin. Einige tun nichts, manche tun etwas, wenige viel. Dabei wäre es so wichtig, dass sich nicht erst dann etwas ändert, wenn Sommertemperaturen über 40 Grad zur Regel werden. Überlebenswichtig.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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13 Kommentare

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  • Lesen wir nicht allenthalben, dass die Städte nachverdichtet werden sollen, um mehr Wohnraum zu schaffen?



    -> www.bundesbaublatt..._Raum-3583573.html

    So werden die letzten Grünflächen und Ausweichräume in den Städten eliminiert.

    Vielleicht wäre es an der Zeit, einen taz-Artikel aus 2022 neu aufzulegen.

    -> taz.de/Nachhaltige...wicklung/!5883701/

  • Lesen wir nicht allenthalben, dass die Städte nachverdichtet werden sollen? So werden die letzten Grünflächen und Ausweichräume in den Städten eliminiert.



    Vielleicht wäre es an der Zeit, einen Artikel aus 2022 neu aufzulegen.



    -> taz.de/Nachhaltige...wicklung/!5883701/

    Quellen:

  • Solange die Chefetagen angenehm kühl sind, Schweißflecken sind ja ziemlich, wird das Überleben auf die Eigenverantwortung abgewälzt. Der Markt entscheidet, wer genug verdient, um zu überleben.

    All diese Ventilatoren brauchen viel Strom. Der wird zum Glück (nicht) billiger.

  • Schulen als Beispiel anhaltender, lernresistenter Fehlplanung:

    Asphaltierte oder gepflasterte Schulhöfe ohne Bäume oder wenigstens schattenspendende Pavillons!

    Neue Schulen, die ohne Möglichkeit zur Kühlung gebaut werden.



    Eine Erdwärme-Anlage würde hier beides bieten, Heizung und Kühlung, und könnte zumindestens im Sommer locker von Fotovoltaik gespeist werden.

    Fenster mit Vorhängen gegen die Sonne. Funktioniert gegen Licht. Die Wärme steckt dann aber im Vorhang und ist IM Raum, heizt diesen also wunderbar auf. Vernünftige Außenverdunklungen (breite Lamellen, die geschlossenen Schatten geben, aber den Luftfluss möglichst nicht behindern) gibt es inzwischen manchmal in Neubauten.

    Und so weiter.

    • @Jeff:

      Ich war auf einer neuen Schule mit riesigen Fenstern - insbesondere nach Süden.



      Abdunklung gab es nur für manche Fenster (tatsächlich von außen) und der einzige klimatisierte Raum im Gebäude war das Büro des Schulleiters.



      Das ganze hat einen Architekturpreis bekommen - offensichtlich nicht für das Wärmekonzept

  • Ich habe mich mal gefragt, warum "Urban Sprawl" bei uns z.B. nicht wirklich Thema war, bis ich gemerkt habe, dass wir in einigen Gebieten längst im Endstadium davon sind. Die Bevölkerungsdichte zu begrenzen ist auch nicht wirklich moralisch vertretbar, jedoch bedeutet das auch, dass wir die Städte weiter expandieren und verdichten müssen.

  • Ging schnell mit der Klimaveränderung und wir in Europa, sind noch vergleichsweise wenig davon betroffen. Aber verantwortlich wären wir schon.

  • In warmen Ländern benutzen sie eine Klimaanlage. Wäre das keine tolle Idee?

  • IngenieurInnen und BaubiologInnen sind nicht untätig, es gibt Konzepte wie in Hannover.



    "Abkühlung für heiße Städte



    Heiße Sommer werden zur Normalität. Beton und Glasfassaden heizen die Städte auf. Nachhaltige Konzepte zu Bepflanzung, Luftzirkulation und Wassermanagement sollen die Innenstädte abkühlen."



    www.3sat.de/wissen...dung-wido-100.html



    "Hitzeschutz in der Stadtplanung



    Ein zentrales Element der Anpassungsstrategie ist die klimaangepasste Stadtplanung. Neue Bauvorhaben berücksichtigen bestehende Kaltluftentstehungsgebiete und -leitbahnen. Helle Materialien für Straßenbeläge und Fassaden sollen die Wärmeentwicklung verringern. Die Planung wird durch Daten aus einer regelmäßig aktualisierten Klimaanalyse sowie einem Messnetz mit 38 Sensorstationen in der Innenstadt unterstützt. Im Sommer 2025 plant die Stadt eine Umfrage, um heiße und kühle Orte im Stadtgebiet zu kartieren.



    Beteiligung privater Eigentümer*innen



    Die Stadt ruft auch Eigentümer*innen privater Grundstücke dazu auf, selbst aktiv zu werden. Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung oder die Entsiegelung von Flächen können zur Verbesserung des Mikroklimas beitragen."



    bg-press.de

  • Immer noch werden Stadtbereiche und Plätze zubetoniert, ohne Schatten, ohne Grün. Vielleicht weil Überdachungen und Pflanzen Unterhaltskosten auslösen, da sieht man wieder, wie fast alles mit Steuerpolitik zusammenhängt.

  • > grüne Fassaden, entsiegelte Böden, überhaupt mehr Grün und weniger Grau und Blech in den Städten, Frischluftschneisen, Kaltluftentstehungs­gebiete und öffentlich nutzbare Möglichkeiten zur Abkühlung, von Flüssen bis zu Wassernebeln.



    Nichts davon ist neu (bis auf die Wassernebel). Alles ist Wissen unserer Großeltern -- warum eigentlich, wenn Hitze ein so neues Phänomen darstellt?



    Kann es sein, daß Kohlendioxid doch nicht das einzige und vielleicht nicht einmal das wichtigste Problem unserer Verstädterung und Zivilisation darstellt? Wenn man einmal zugibt, daß es vielleicht doch mehr als ein einziges Problem auf der Welt geben könnte und daß Konzentration auf dieses eine um jeden Preis die anderen vielleicht verschlimmert, dann kann man endlich anfangen, nach den lösbaren Aufgaben zu suchen, die für maßvollen Aufwand den größten Gegenwert bieten.



    Selbst wenn die Hitze hier wirklich beispiellos und nie dagewesen sein sollte, gibt es doch genug bewohnte Gegenden auf der Welt, die schon immer heiß waren und von denen man lernen könnte --die meisten jedenfalls, Hunde und Engländer angeblich nicht.

  • Warum Städte künftig noch heißer werden



    Das Zauberwort von Großstädten heißt nicht "Begrünung", sondern "Nachverdichtung". Weil Wohnraum fehlt, will man bestehende Gebäude aufrüsten und noch mehr Wohnraum pro km² bauen. Und da der neue Wohnraum möglichst bezahlbar sein soll, wird erst gar nicht an Begrünung gedacht, denn das kostet Geld.



    Fazit: Großstädte werden zu Tropenhäusern, was man ja auch schon an den vielen wilden Papageien wie Halsbandsittiche und Alexandersittiche erkennt, denen es in Städten sogar schon im Winter noch warm genug ist. Wer in einer Großstadt lebt, muss sich künftig auf noch viel mehr Sommerhitze einstellen. Auch hier wird es bald 45 Grad und mehr geben.

    • @Hans Dampf:

      Mehr und höhere Bebauung führt zu mehr Verschattung und bewirkt damit, dass sich die Stadt weniger aufheizt. Aus diesem Grund finden sich in wärmeren Gefilden die Orte mit ausgedehnten Vierteln, die von engen Gassen geprägt sind.