Kommentar Zehn-Punkte-Plan der Grünen: Vorauseilender Gehorsam
Das Papier ist sozialpolitisch schwach, Ökothemen fallen weit hinter Parteibeschlüsse zurück. Es leistet die Vorarbeit für Jamaika im Bund.
D ass sich die Grünen nach den Erfahrungen im letzten Bundestagswahlkampf diesmal mit progressiven steuer- und sozialpolitischen Forderungen zurückhalten, ist bedauerlich – aber zumindest nachvollziehbar.
Stattdessen will die Partei wieder mit klassischen Ökothemen punkten. Doch auch dort bleibt der „Zehn-Punkte-Plan“, den das Spitzenteam aus Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir am Mittwoch präsentiert hat, erstaunlich zahm und fällt weit hinter die Beschlusslage der Partei zurück.
So verspricht das Papier, die Ära des fossilen Verbrennungsmotors zu beenden. Doch das Jahr 2030 steht zwar im Entwurf fürs Wahlprogramm, nicht aber im Zehn-Punkte-Plan – wohl aus Rücksicht auf Diesel-Fan Winfried Kretschmann.
Auch bei der Beschleunigung der Energiewende und dem Kohleausstieg fehlt das Entscheidende: eine konkrete Angabe zum Zeitplan. Zur Erklärung heißt es von der Grünen-Spitze, das Papier sollte nicht zu lang werden. Für die sieben Worte „bis 2030“ oder „innerhalb von 20 Jahren“ war auf den vier Seiten kein Platz mehr? Das glaube, wer will.
Tatsächlich deutet alles darauf hin, dass Göring-Eckardt und Özdemir mit dem knappen Papier die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung erhöhen wollen: Je weniger konkret überprüfbare Forderungen aufgestellt werden, desto leichter fällt es später, auch einen Koalitionsvertrag mit Union und FDP als Erfolg zu verkaufen.
Auch die Aussage, dass das Wahlprogramm natürlich trotzdem gelte, hilft wenig. Die Grünen verkaufen den Zehn-Punkte-Plan ausdrücklich als ihr „verbindliches Angebot“. Das heißt im Umkehrschluss: Was dort nicht steht, ist unverbindlich, also Verhandlungsmasse.
Ein weichgespültes Programm mag Anschlussfähigkeit nach allen Seiten garantieren – ob es bei den WählerInnen ankommt, ist aber offen. Gerade bei ihren Kernthemen wird von den Grünen schließlich immer noch eine gewisse Konsequenz erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen