Kommentar Westbalkan-Konferenz: Arschkarte für Hellas
Österreichs Alleingang bedeutet eine faktische Obergrenze für Flüchtlinge zu Lasten Griechenlands. Eine gemeinsame Strategie wird erschwert.

D ie österreichische Diplomatie spielte gerade auf dem Balkan lange Zeit eine durchaus respektable Rolle. Der so in der Region gewonnene Einfluss wird im gegenwärtigen Flüchtlingsdrama aber genutzt, um die EU und vor allem Deutschland vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gipfelt in der Gästeliste der Westbalkan-Konferenz am Mittwoch: Griechenland war nicht eingeladen.
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat während einer Balkanreise vor zwei Wochen die Weichen dazu gestellt. Mit dem Ziel, die Flüchtlingszahlen drastisch zu reduzieren, versuchte er, die Staaten Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien, aber auch die nicht direkt betroffenen Staaten Bosnien und Herzegowina und Albanien auf einen neuen Kurs einzuschwören – mit Erfolg.
Die Entscheidung, die mazedonischen Behörden mit der Registrierung aller Flüchtlinge zu betrauen, schuf ein Nadelöhr an der griechisch-mazedonischen Grenze. Die überforderten Behörden können nur bestimmte Kontingente bewältigen. Damit ist faktisch eine Obergrenze eingeführt.
Und mit der Entscheidung, Afghanen an der Weiterreise zu hindern, hat man ohne weitere Absprache Fakten geschaffen und Afghanistan zum sicheren Herkunftsland erklärt. Immer unsicherer wird die Lage im südlichen EU-Partnerland: Griechenland hat in dem ganzen Spiel den Kürzeren gezogen. Es muss den von Österreich eingeleiteten Flüchtlingsstau zunächst allein bewältigen.
Destabilisierung in Kauf genommen
Dass die Griechen nicht einmal zur Westbalkan-Konferenz in Wien eingeladen wurden, zeigt, dass Österreich nicht daran gelegen ist, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Das Argument, Griechenland würde die Flüchtlinge nur weiterleiten, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Was haben denn die anderen Anrainerländer bisher getan?
Griechenland so im Regen stehen zu lassen nimmt die Destabilisierung des ohnehin krisengeschüttelten Landes bewusst in Kauf. Dass Wien von München bis Warschau klammheimliche Sympathie genießt, überrascht nicht. Eine gemeinsame Strategie zur Sicherung der Außengrenzen, wie sie Berlin und offiziell auch Brüssel anstreben, wird durch den Alleingang Wiens zwar noch nicht völlig konterkariert, aber doch erschwert. Europa ist wieder ein Stück auseinandergedriftet.
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