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Kommentar UnterhaltsvorschussGeld her oder Knast

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Führerscheinentzug? Um den Unterhalt von säumigen Eltern einzutreiben, hat der Staat bessere Möglichkeiten: Pfändungen, Geldbußen, Gefängnis.

So manche Väter rechnen sich arm und zahlen keinen Unterhalt, um der Ex eins auszuwischen Foto: dpa

S igmar Gabriel weiß, wie verzweifelt Mütter sein können, deren Expartner sich um den Kindesunterhalt drücken. Der Vater des einstigen SPD-Chefs hatte sich seinerzeit geweigert, der Mutter Geld für den Sohn zu zahlen. Das ist lange her und Gabriel mittlerweile selbst dreifacher Vater. Aber das Problem mit dem Unterhalt, den Väter nicht aufbringen wollen oder können, ist geblieben.

Seit vor einem Jahr der Unterhaltsvorschuss für bedürftige Alleinerziehende und deren Kinder bis 18 Jahre ausgeweitet wurde, ist auch die Zahl der Anspruchsberechtigten gestiegen: laut Süddeutscher Zeitung von 414.000 auf 714.000 Kinder. Dafür gibt der Staat über eine Milliarde Euro aus. Geld, das er bei den zahlungspflichtigen Vätern (und Müttern) wieder eintreiben will und soll. Doch die sogenannte Rückholquote beträgt nur rund 20 Prozent.

Das hat Gründe: Manche Väter wollen der Ex und dem gemeinsamen Kind nichts zahlen, sie rechnen sich „arm“ und verschleiern Konten. Andere können nicht zahlen, weil sie selbst nichts haben. Nur ein Viertel der alleinerziehenden Eltern erhält dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter zufolge vom Expartner (oder der Expartnerin) den Unterhalt, der ihnen zusteht. Ein weiteres Viertel bekommt zu wenig Geld.

Um säumige Väter und Mütter zur Rechenschaft zu ziehen, gibt es eine Menge populistische Vorschläge wie etwa den Entzug des Führerscheins. Kann man machen, das tut vielen wirklich weh. Ist aber nicht in jedem Fall eine tolle Idee, beispielsweise auf dem Land ohne ÖPNV. Und kann unter Umständen Existenzen zerstören, wenn für den Broterwerb das Auto vonnöten ist.

Zudem hat der Staat andere Sanktionsmöglichkeiten: Konten- und Gehaltspfändungen, Geldbußen, Gefängnisstrafen. Das Problem indes ist, dass die meisten Jugend- und Unterhaltsvorschussämter nicht nur heillos überlastet sind, sondern häufig nicht zusammenarbeiten. Anders als in Bayern, wo das Eintreiben von Alimenten zentralisiert wurde. Bayerische Beamtinnen sammeln knapp ein Drittel der Vorschüsse wieder ein.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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13 Kommentare

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  • Wie kann es denn überhaupt sein das jemand Unterhalt zahlen muss, der sich diesen nicht leisten kann? Da kann man doch von ausgehen das es für solche Fälle eine Regelung gibt.

  • Ich finde in den Kommentaren gibt es ein wenig zu viel Verständnis für nicht zahlende Väter. Wer keinen Verdienst hat, kann nichts abgegeben, klar. Aber alle anderen haben doch eine auf ihre Erwerbslage abgestimmte Unterhaltspflicht. Ist bestimmt nicht immer angenehm, dieser nachzukommen, zumal, wenn man sich dadurch der Hartz-IV-Grenze nähert, aber wenn man es nicht macht sitzen die Kinder im Dreck. Kann man doch nicht einfach ignorieren als Vater - und wenn doch, muss der Staat an die Pflicht "erinnern". Ob allerdings Knast die beste Variante ist, wage ich doch zu bezweifeln.

  • Der unterhaltsvorschuß ist ein gutes Instrument, meist Müttern dabei zu helfen, an den geschuldeten Unterhalt zu kommen, denn der Staat hat andere Möglichkeiten das Geld einzutreiben, denn meist scheitert der Unterhalt daran, dass langwierige Gerichtsverfahren nicht finanziert werden können, die notwendig wären um die einkommensituation zu klären.

  • Übrigens, es ist nicht Geld her oder Knast, sondern Geld her, geh mehr Arbeiten oder Knast. Kannst ja noch einen Nebenjob zusätzlich machen. Wo anders nennt sich das Zwangsarbeit. Bei Vätern geifern die Leute darum, wie sie da die Daumenschrauben weiter anziehen können, denn sie sehen nicht das Gros der Fälle, sondern nur die wenigen Fälle, in denen reiche Väter einfach nicht zahlen wollen. Das die meisten Nichtzahler, die trotz Gefängnisdrohung nicht zahlen einfach nicht zahlen können, kommt hier vielen in Sexismus und Stereotypen gefangenen Kommentator*innen nicht in den Sinn.

  • Hier werden viele Dinge vermengt: Zum einen die Väter, die nicht zahlen können. Ansonsten zahlt der Staat Hartz IV ohne Rückzahlpflicht. Hier aber will er das Geld zurück haben und alle Welt denkt nur darüber nach, wie man hier die Daumenscharuben noch stärker anziehen kann.



    Zum zweiten die Väter, die durch die Trennung psychisch gebeutelt sind, im Job deshalb nicht mehr Höchstleistungen erbringen, darum kämpfen müssen, ihre Kinder weiter sehen zu dürfen und dann noch vom Staat mit Steuerdiskriminierung ausgebeutet werden. Wenn diese dann nicht genug Geld verdienen um plötzlich zwei Wohnungen zu finanzieren, nehmen die Gerichte "fiktives Einkommen" an, von dem sie aber realen Unterhalt zahlen sollen. So werden diese Väter dann konsequent in die Privatinsolvenz getrieben. Dann können sie es sich nicht einmal mehr leisten, ihre Kinder regelmäßig zu besuchen.



    Schließlich die dritte Gruppe, die einfach nicht zahlen will und versucht trotz drakonischer Strafandrohungen sich zu drücken. Die gibt es sicher auch.



    Aber es ist eine Hetze - oder wie man aktuell gerne sagt "Hatespeech", dass alle nicht zahlenden Väter in diese letzte Kategorie eingeordnet werden.



    Aber an diesem Punkt der Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung bewegen wir uns in Deutschland schon seit einiger Zeit rückwärts. Ab und zu wird das ein wenig aufgehalten durch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der klarstellt, dass auch Kinder und Väter Menschenrechte haben - nicht nur Mütter. Aber es bleibt ein Trauerspiel. Ein Vergleich mit z.B. Frankreich würde uns dagegen lehren, dass mehr Gleichstellung in der Familie auch mehr Gleichstellung im Beruf zur Folge hat.

    • @Velofisch:

      Nun das viel beschworene "Mitgefühl" und die "Empatie" gibt es eben nur für Frauen und andere "Opfer-Gruppen". Sowas wie individuelle Probleme und Abweichungen von der Täter-Opfer-Logik kümmern den geneigten Gruppendenker nicht die Bohne.

  • Ich bin verwirrt: Führerscheinentzug geht nicht, weil das die Existenz bedrohen könnte und weil es ja schon Gefängnis als Sanktionsmöglichkeit gibt. Ist das wirklich zu Ende gedacht?

  • Der Hauptpunkt wird irgendwie nicht betrachtet. Denn der ist nicht das Einholen des säumigen Unterhalts. Im Kommentar wird auf die niedrige Quote von 20% verwiesen, mit dem kleinen Seitenhieb, dass Väter sich künstlich arm rechnen. Selbst die als vorbildlich dargestellten Bayern kommen nur auf 30%.

    Da ist doch die eigentliche Frage, was ist mit den 70-80%, der grossen Mehrheit? Vielleicht geht es gar nicht um säumige Unterhaltzahler, sondern darum, dass es den Eltern nicht möglich ist den gewünschten Unterhalt aufzubringen.

    Es soll Elternteile geben, die, wenn sie mehr verdienen würden, dieses Mehr für den Unterhalt abgeben müssten. Warum sollen die dann mehr arbeiten um den ex Partner udn Kind persönlich zu finanzieren? Lass das doch den Staat machen.

  • In der Theorie sind es säumige Eltern, Väter und Mütter. Da Väter aber per se das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht zugesprochen bekommen, außer in absoluten Ausnahmefällen, kann man dies, der Vollständigkeit der Aussage halber, auch erwähnen und nicht mit der geschlechtsneutralen Formulierung den Anschein erwecken, dass darin keine Geschlechterbilder verankert sind und gestärkt werden.



    Im Grunde müsste der Staat diesen Unterhalt leisten, wenn der Vater oder auch die Mutter nicht an der Erziehung des Kindes beteiligt werden. Aus moralischer Sicht, nicht aus wirtschaftlicher.

    • @Hampelstielz:

      Das macht er per Unterhaltsvorschuss, der seit kurzem auch vernünftigerweise länger als 6 Jahre gewährt wird.

      Nur das eintreibend es Vorschusses vom Säumigen Partner ist ein Problem.

      Alternativ müsste man das Kindergeld erhöhen/ein Existenzsicherndes Einkommen (Eine Art Bedingungsloses Grundeinkommen bis man 25 ist) zugestehen.

      • @Sascha:

        Ich meinte ja nicht vorschießen, sondern übernehmen, wenn jemandem die Partizipation an der Erziehung des Kindes verweigert wird.



        Es ist ein spezieller Fall, den ich beschreibe, aber kein seltener.

  • "Geld her oder Knast"



    eine der blödesten Überschriften die ich je gelesen habe! Wenn Er im Knast sitzt kann er doch auch nicht zahlen. Oder soll der Knast nur die Rache sein?

    • @Egon Olsen:

      Im Knast kann er dann jedenfalls mal länger über seine Privilegien nachdenken.....