Maßnahmen gegen säumige Väter: Kein Unterhalt, kein Lappen
Die Grünen möchten Behördengänge für Alleinerziehende vereinfachen und Vätern, die keinen Unterhalt zahlen, den Führerschein wegnehmen.
Der Vorschlag ist eine von vielen geplanten Maßnahmen, um die Lage von Alleinerziehenden in Bremen zu verbessern. Hier gibt es besonders viele Väter, die keinen Unterhalt zahlen. Einige, weil sie selbst Hartz-IV beziehen, andere, weil sie nicht zahlen wollen oder falsche Angaben machen.
Arbeitsunwilligen Vätern sowie Unterhalts-Verweigerern könne man mit Entzug des Führerscheins weh tun: „Wer keine Arbeit hat, braucht kein Auto“, sagte Henrike Müller, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik und Gleichstellung, am Mittwoch bei der Vorstellung ihrer Vorschläge zur Armutsbekämpfung in Kleinfamilien.
In Bremen gibt es 18.000 Alleinerziehende, zu 92 Prozent Frauen. Bei ausbleibendem Unterhalt können sie einen Vorschuss beim Sozialamt beantragen. Erst nach Anerkennung zahlt die Behörde, je nach Alter des Kindes, den Mindestsatz zwischen 154 und 273 Euro pro Monat.
Die gezahlten Vorschüsse kann sich die Behörde vom Vater zurückholen, insofern etwas zu holen ist. Tatsächlich bleibt Bremen meist auf den Kosten sitzen, weil die Väter entweder nicht zahlen können oder wollen – das Land hat seit Jahren bundesweit die schlechtesten Rückzahl-Quoten, nur circa zehn Prozent des staatlich vorgeschossenen Unterhalts werden zurückerstattet.
Henrike Müller, Grünen-Sprecherin für Gleichstellung und Arbeit
Alleinerziehende haben allerdings noch mehr Probleme: Etwa zeitfressende Behördengänge. Allein für die Beantragung des Unterhaltsvorschusses brauchen Alleinerziehende bis zu 14 Nachweise. Ebenso kostet die Beantragung von Wohngeld oder Sozialleistungen Zeit, die Alleinerziehende meist nicht haben. „Selbst erwerbslose Alleinerziehende sind durch Kinder und Behördengänge rund um die Uhr beschäftigt“, sagt Müller.
Um den Alltagsstress zu mindern, schlägt sie deswegen vor, öffentliche Beratungsstellen für Alleinerziehende einzurichten. Dort sollen wohnortnah alle behördlichen Angelegenheiten geklärt werden können. BeraterInnen, etwa vom Jobcenter, sollen sich mit allen für Alleinerziehende relevanten Themen und Anliegen auskennen und beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen helfen.
Nach Ansicht der Grünen sollte Bremen zudem für eine familiengerechtere Arbeitsmarktpolitik sorgen. Das Land sollte Anreize für Unternehmen schaffen, Betriebskindergärten oder Randzeitenbetreuung anzubieten. Vorstellbar sei, Gewerbeflächen zuerst für familienfreundliche Firmen zu vergeben, so Müller.
„Mit der Kinderbetreuung steht und fällt die Erwerbsfähigkeit von Alleinerziehenden“, so Müller. Derzeit haben Kitas in der Regel Betreuungszeiten zwischen acht und sechzehn Uhr. Betreuung in Randzeiten sind in Bremen eine Seltenheit. Aber: „Auch eine Krankenschwester oder Altenpflegerin, die bis 19 Uhr arbeitet, muss in der Lage sein können, ihre Existenz zu sichern“, sagt Müller.
Hol- und Bringdienste für Kitas
Sie schlägt vor, dass Kitas sich für Hol- und Bringdienste zusammen tun könnten, um Lücken am Rande der Betreuungszeiten zu schließen. Ebenso überlegte Müller, ob es nicht sinnvoll sei, in jeweils einer Einrichtung die Randzeitenbetreuung für einen Stadtteil oder ein bestimmtes Gebiet zu bündeln.
Dabei könnte auch für die Einführung ein Bildungsgutscheinsystem in Bremen helfen. Gutscheine ermittelten den tatsächlichen Betreuungsbedarf anhand der Arbeitszeit und ermöglichten es Kitas und Trägern, ihr Angebot flexibler zu machen. Bremens zentrale behördliche Planung sei fehlerbehaftet, weil sie auf Schätzungen der amtlichen Statistik angewiesen ist.
Den tatsächlichen Bedarf an Randzeitenbetreuung kennt der Senat nicht, weil eine Kinderbetreuung außerhalb der üblichen Zeiten bislang nicht vorgesehen ist. Derzeit macht das SPD-geführte Bildungsressort zum Thema eine Elternbefragung.
In Gesprächen mit den Ressorts will Müller nun auf die Maßnahmen drängen: „Wenn es nicht schnell genug geht, gibt es zur Beschleunigung einen parlamentarischen Antrag.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt