Kommentar Terrorfahndung in Berlin: Polizei unter Vertuschungsverdacht
Neue Vorwürfe: Das LKA in Berlin hätte den Anschlag auf dem Breitscheidplatz im Advent verhindern können. Zeit für einen Untersuchungsausschuss.
I m Terrorfall Anis Amri droht der Berliner Polizei ein handfester Skandal. Wenn sich der Verdacht bewahrheitet, den Berlins Innensenator Andreas Geisel am Mittwochnachmittag öffentlich machte, dann hätten Beamte des Landeskriminalamtes Amri Wochen vor dem verhängnisvollen Anschlag mit zwölf Toten am Breitscheidplatz festnehmen müssen.
Doch das taten sie nicht. Besonders für die Überlebenden des Anschlags und die Angehörigen der Opfer ist das eine furchtbare Information. Denn sie bedeutet: Die Berliner Polizei hätte den Anschlag wohl verhindern können.
Amris Dealerei dürfte bei weitem nicht das einzige Drogendelikt jenseits von Kleinstgeschäften sein, das in Berlin nicht verfolgt wird. Doch statt sich dem eigenen Versäumnis – und damit bohrenden Fragen von Politik und Öffentlichkeit, die nach dem Anschlag auf der Suche nach einem Schuldigen war – zu stellen, sollen die zuständigen Beamten einen Bericht gefälscht und damit ihr Versäumnis vertuscht haben. Wer alles im LKA davon wusste und es möglicherweise deckte, ist bislang nicht bekannt.
Zwar sind dem Sonderermittler und ehemaligen Bundesanwalt Bruno Jost diese Informationen zu verdanken. Doch seine Untersuchung reicht nun wirklich nicht mehr. Schließlich hat ihn die Landesregierung eingesetzt, der die Polizei untersteht. Das Vertrauen in die Polizei aber ist massiv erschüttert. Soll vollständig aufgeklärt und Vertrauen zurückgewonnen werden, wie Geisel am Mittwoch sagte, muss es nun endlich eine neutrale Untersuchung gegeben.
Dafür sollte sich nun auch die SPD stark machen. Ihr Innensenator hat bislang bei der Aufklärung keine schlechte Figur gemacht. Anders als sein inzwischen abgewählter SPD-Kollege in NRW, Ralf Jäger, ist Geisel erst kurz vor dem Anschlag ins Amt gekommen, den Innensenator hat davor die CDU gestellt. Da fällt die Aufklärung leichter als in Düsseldorf.
Das mutmaßlich von den Berliner LKA-Beamten gefälschte und rückdatierte Papier aber stammt aus dem Januar. Damals war Geisel schon im Amt und politisch für die Berliner Polizei verantwortlich. Es sollte also auch in seinem Sinne sein, nicht nur scharf, sondern auch möglichst transparent aufzuklären. Das kann ein Sonderermittler nicht leisten. Es ist höchste Zeit für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund