Kommentar Sicherheitskonferenz: Verharmlosen, leugnen, aufrüsten
Hochrangige Politiker aus vielen Ländern der Welt verharmlosen Kriege, militärische Interventionen und Aufrüstung. Ein schlechtes Zeichen.
D ie diesjährige „Sicherheitskonferenz“ in München über die gefährlichsten Konflikte und Bedrohungen dieser Welt stand unter der Leitfrage „Bis zum Abgrund – und zurück?“. Die Antwort der meisten Konferenzredner lautete: „Weiter vorwärts!“
Hochrangige Regierungsmitglieder und Parlamentarier aus der Türkei, Israel, den USA, Saudi-Arabien, Frankreich, Iran und Russland rechtfertigten, verharmlosten oder leugneten die von ihren Ländern aktuell oder jüngst geführten Kriege und militärischen Interventionen sowie ihre Aufrüstungsmaßnahmen. Manche dieser Redner drohten sogar mehr oder weniger offen mit weiteren völkerrechtswidrigen Militärschlägen.
Die Vertreter der EU und ihrer drei gewichtigsten Mitgliedstaaten, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, warben zudem intensiv für eine „weltpolitische“ Rolle Europas und die dafür angeblich unverzichtbare „Stärkung militärischer Fähigkeiten“.
In diesem konfrontativen Kontext waren die Plädoyers von Nochaußenminister Gabriel für eine UNO-Truppe in der Ostukraine, für eine schrittweise Lockerung der Sanktionen gegen Russland sowie für die Realisierung der Northstream-Pipeline geradezu Lichtblicke. Da Gabriel die drei Konferenztage aber in erster Linie für das Schmierentheater zur Rettung seines Jobs instrumentalisierte und deshalb am Freitagabend auch ein wichtiges Treffen mit seinen Amtskollegen aus Paris, Moskau und Kiew zum Ukrainekonflikt platzen ließ, setzt er seine in der Sache richtigen Plädoyers einem bösen Verdacht aus: Sind sie Teil eines Deals? Hat Gerhard Schröder geholfen bei der Freilassung von Deniz Yücel? Unterstützt Gabriel jetzt Gazprom-Schröder und Russland?
War die Freilassung Yücels nur eine isolierte Handlung der Erdoğan-Diktatur? Oder hat diese, wie von Gabriel in München erhofft, ihre Innen- und Außenpolitik tatsächlich korrigiert und damit weitere Konfliktpunkte zwischen Ankara und Berlin aus der Welt geschafft? Letzteres scheint eher unwahrscheinlich. Der türkische Ministerpräsident Yıldırım und sein Außenminister Çavuşoğlu ließen in München mit ihren dröhnenden Rechtfertigungen des Kriegs gegen die syrischen Kurden sowie ihrer stringenten Leugnung jeglicher Demokratie- und Rechtsstaatsdefizite in ihrem Land eher ein „Weiter so“ der türkischen Politik befürchten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen