Kommentar Sicherheitskonferenz: Stell dir vor, es ist ...
Auf der Sicherheitskonferenz in München sind alle damit beschäftigt, anderen die Schuld zuzuschieben. Sie reden vom Frieden – aber der Krieg ist längst da.
Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ beginnt ein 80 Jahre altes Gedicht des US-Amerikaners Carl Sandburg, das Ministerin von der Leyen vergangene Woche in einer ZDF-Talkrunde zum Syrienkonflikt fälschlicherweise Bertolt Brecht zuschrieb. In den 80er Jahren wurde diese Gedichtzeile zum populären Slogan der Friedensbewegung.
„Stell dir vor, es ist Krieg und alle machen mit – obwohl sie gleichzeitig ihren Willen zu Frieden und Kooperation behaupten.“ Das wäre der passende Titel für die Münchner Unsicherheitskonferenz vom Wochenende gewesen. Man muss ja nicht ganz so weit gehen wie Russlands Ministerpräsident Medwedjew und der israelische Verteidigungsminister Jaalon, die in München beide die Gefahr eines dritten Weltkrieges an die Wand malten.
Die Fortsetzung und Eskalation des Syrienkrieges demnächst auch mit direkter Beteiligung der Streitkräfte Saudi-Arabiens, der Türkei und anderer Nachbarstaaten, das Wiederaufflammen der Kampfhandlungen in der Ukraine und ein erneuter Kalter Krieg zwischen der Nato und Russland mit verstärkter Aufrüstung und atomarer Abschreckung auf beiden Seiten – all diese leider sehr wahrscheinlichen Aussichten für die nahe Zukunft sind schon düster genug. Diese Konferenz war geprägt von einseitigen Schuldzuweisungen aller an den genannten Konflikten beteiligten Akteure – vor allem an die Adresse Russlands.
Den dreisten Falschbehauptungen Moskauer Regierungspolitiker über die Ziele und Auswirkungen der russischen Bombardements in Syrien entsprach die ebenso dreiste Arroganz, mit der der republikanische US-Senator McCain in seiner Attacke auf Russland, der zugleich die große Mitverantwortung seines Landes für die Konflikte im Nahen Osten unterschlug, insbesondere für das Entstehen des „Islamischen Staates“.
Neben den noch am Freitag entstandenen leisen Hoffnungen, zumindest auf eine Feuerpause in Syrien, platzten auf dieser Konferenz aber auch die letzten Kalküle der Regierung Merkel für eine baldige Entlastung in der Flüchtlingsfrage. Das lässt Schlimmes befürchten bis hin zu einem Sturz der Kanzlerin, für welchen Fall sich von der Leyen bereits als Nachfolgerin warmläuft.
„... dann kommt der Krieg zu euch“, geht das Gedicht von Carl Sandburg weiter. Der Krieg ist längst da.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag