piwik no script img

Kommentar Sanktionen für IS-KämpferAusbürgerung taugt nicht als Strafe

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

IS-Kämpfer sollen laut geplanter Regelung ihre deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Mit dieser Art der Strafe sollten wir erst gar nicht anfangen.

Dieser Pass ist offenbar ungültig Foto: dpa

D ie geplante Regelung über den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft für Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) ist gefährlich. Sie wäre der Einstieg in ein allgemeines Ausbürgerungsrecht, wie man es eher aus diktatorischen Staaten kennt.

Die geplante Neuregelung soll so wirken, als ginge es nur um die Schließung einer kleinen Lücke. Schon bisher können Doppelstaatler die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie ohne Genehmigung in fremde Streitkräfte eintreten.

Für Kämpfer in Milizen wie dem IS gilt diese Regelung nach gängiger Rechtsauffassung nicht, weil die Dschihadistenmiliz trotz ihres Namens keine „Staatsqualität“ hat. Deshalb die Ergänzung um Kampfhandlungen für eine Terrormiliz. Ist doch fast das Gleiche, sollen wir denken. Heißt IS nicht sogar „Islamischer Staat“?

Aber es ist eben nicht ganz ähnlich. Die bisherige Regelung greift nämlich nur, wenn zum Beispiel ein Deutschnordkoreaner ohne Genehmigung Teil der nordkoreanischen Armee wird. Dann liegt in dieser Hinwendung zum zweiten Heimatland eine Abwendung von Deutschland, so die bisherige Gesetzeslogik.

Kein Heimatland, sondern Terrororganisation

Wenn aber ein Deutschtunesier für den IS kämpft, ist der IS eben nicht das zweite Heimatland, sondern eine Terrororganisation. Der Kampf für den IS wird mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit sanktioniert, weil er eine verbrecherische Handlung ist, die als Abkehr von den Werten der Bundesrepublik angesehen wird. Mit Tunesien hat das gar nichts zu tun. Die zweite Staatsbürgerschaft ist nur relevant, weil sie die Sanktion überhaupt ermöglicht, denn dann wird der Islamist nicht staatenlos.

Wer dieses Muster einmal akzeptiert, wird schnell noch viele andere Handlungen finden, die man als Abkehr von den Werten der Bundesrepublik einstufen könnte: etwa Mord oder Konsum von Kinderpornografie. Bei Doppelstaatlern könnte dann jeweils der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft festgestellt werden. Die Ausbürgerung würde zur zusätzlichen Strafe. Damit sollten wir erst gar nicht anfangen. Auch nicht bei Dschihadisten des IS.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Also - ich hab diese Diskussion, die ja unter anderem ein Thema des Europäischen Polizeikongresses war, nicht so verstanden, dass der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft primär als Strafmaßnahme zu sehen wäre. Ein Entzug der Staatsbürgerschaft ist ohnehin ja nur dann denkbar, wenn dadurch nicht Staatenlosigkeit erzeugt wird, kommt also grundsätzlich sowieso nur für Leute in Betracht, die über mehr als eine Staatsbürgerschaft verfügen. Insofern sind die Bedenken von Christian Rath zwar im Kern sehr gut nachvollziehbar und werden im Prinzip auch von mir geteilt, sind aber hier speziell eher wohl unbegründet. Der angepeilten Gesetzesänderung stehen im übrigen bei einer Verabschiedung praktisch überhaupt keine anwendbaren Fälle gegenüber, denn rückwirkend kann man sowas schon mal gar machen.



    Tatsächlich bleibt es - ob nun mit oder ohne Gesetzesänderung - völlig unklar, wie mit den geschätzt 150 (!) IS-Kämpfern mit u.a. deutscher Staatsangehörigkeit hier bei einer möglichen Rückkehr nach Deutschland umgegangen werden soll. Donald Trump wusste ausnahmsweise mal sehr genau, was er tat, als er verlangte, dass die jeweiligen Staaten „ihre Leute“ nun bitte wieder aufnehmen sollen.



    Es bestehen bei allen Beteiligten und Unbeteiligten keine Zweifel, dass es sich um einen hochproblematischen Personenkreis handelt, von Leuten die fortgesetzt seit Jahren schwerste Straftaten begangen haben dürften. Nur wird man ihnen diese Straftaten hier schwerlich rechtsstaatlich einwandfrei nachweisen können. In den allermeisten Fällen wird das vorliegende Material, soweit da überhaupt was vorhanden ist, noch nicht einmal für eine Anklage ausreichen. Aus sehr gut nachvollziehbaren Gründen möchte doch niemand diese Leute in seinem Lebensumfeld wissen - ich persönlich auch nicht. Die Vorstellung, dass diese selbstberufenen Söldner hierher zurückkehren und ihre Schweinereien für sie hier völlig folgenlos bleiben könnten, ist - bei aller gebotenen Zurückhaltung - nur schwer erträglich.

  • Doch, das wäre eine Strafe. Und was für eine. Entzug der Staatsbürgerschaft bedeutet auch Entzug der üppigen Sozialleistungen des deutschen Michels, auf die dieses IS-Gelumpe jetzt spekuliert.

  • Zusätzlich zu dem hier schon angeführten Argument des Wett-Ausbürgerns, greift auch die Logik auf die LAPA bereits verwies. Denn diese Gesetz bezieht sich auf Terrororganisationen, also im Grunde allem was dem Staat poltiisch im Weg steht bzw. bereit ist sich gegen seine Maßnahmen zu wehren. Im Falle des IS wird nun zufällig eine völlig blöde Ideologie durchzusetzen versucht, aber es würde auch politische Revolutionen, zumindest durch doppelte Staatsbürger immer iweder ersticken können. Solche Revolutionen sind für einen volksfreundlichen Staat früher oder später nunmal notwendig.



    Auf lange Sicht würde es also bedeuten auf eine doppelte Staatsbürgerschaft zu verzichten für alle politisch Aktiven, das gegenüber Ein-Staatlern benachteiligt sind. Und auch jetzt schon entseht damit jedem mit doppelter Saatsbügerschaft gegenüber denjenigen mit nur deutschem Pass, aber schließlich ahben beide vermeitlich für den IS gekämpft. Damit wäre also rechtlich nicht jeder gleich und damit ist der Doppel-Bürger eigentlich nie wirklich ein deutscher gewesen, da er eben nicht die gleichen Rechte erhält.

    Die ganze Logik des Rechtssystems und der Grundgedanke der Gerechtigkeit machen es gesellschaftlich nicht tragbar aufgrund eines zweiten Passes Unterschiede vorzunehmen.



    Das führe sämtliche Argumentationen der Rechtssprechung ad absurdum.

  • Und wenn dann irgendwann die AfD zusammen mit der CDU/CSU die Bundesregierung bildet, wird dann allen Linksversifften und Transgendern die Staatsbürgerschaft entzogen? Irgendeine Begründung oder auch Erweiterung der Gesetzeslage wird sich schon finden.

    • @Lapa:

      Haben denn alle "Linksversifften und Transgender" einen Doppelpass? Denn nur dann kann einem überhaupt eine Staatsbürgerschaft entzogen werden.

  • Ich möchte nur zu gern wissen ob die Regierung genauso vorgehen würde, wenn es sich im Wesentlichen um französisch-deutsche Staatsbürger handeln würde?

  • Korrekt - anschließe mich.

  • Die Ausbürgerung von Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft führt dann zu einem Wettkampf, wer zuerst ausbürgert, weil der übrig gebliebene Staat sich dann um die Person kümmern muss.



    Das halte ich für eine echt durchdachte Problemlösung

  • Empfinde ich weniger als Sanktion in der Diskussion, denn als ein 'aus den Augen, aus dem sinn'-versuch...

  • Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Ausbuergerung von doppeltstaatlichen Terroristen das Problem nicht lösen wird.

  • "Sie wäre der Einstieg in ein allgemeines Ausbürgerungsrecht, wie man es eher aus diktatorischen Staaten kennt."

    Es geht ausschließlich um Personen mit zwei Staatsbürgerschaften vulgo zwei Pässen.

  • Ich sehe nicht den "Straf"-Gedanken im Vordergrund, sondern den Staatsbürgerschaftsentzug als ultima ratio , Terroristen loszuwerden, ihre Wiedereinreise nach DE zu verhindern, ihnen im Ausland nicht auch noch konsular. Hilfe angedeihen lassen zu müssen, etc. Denn die wichtige Frage ist ja: Was machen wir mit Terroristen? Sind die hier wirklich wieder re-integrierbar (falls sie es je waren)? Oder ist es nicht wirklich besser, sie rigoros los zu sein?



    Die gleiche Frage könnte sich - z.B. bei einem Deutschtunesier - allerdings auch Tunesien stellen und ihm die tunesische Staatsbürgerschaft entziehen, er hätte ja noch die deutsche. Das könnte dann evtl. in einen Wettstreit münden, wer ihm da zuerst die Staatsbürgerschaft entzieht - und im (für den Terroristen) schlimmsten Fall tun es dann doch beide quasi gleichzeitig und derjenige ist dann staatenlos, vom IS-Mitgliedsausweis mal abgesehen.

  • Meiner Meinung nach sollten alle Mehrfachstaatler in Deutschland angeschrieben und über diese neue Regelung informiert werden. Des Weiteren sollte bei zukünftigen Einbürgerungen darauf hingewiesen werden. Auf dieser Grundlage kann dann jede/r für sich entscheiden, ob es ihm das wert ist oder nicht.

    Ich bin für die Aberkennung.

  • Die Idee is scho so a weng sinnfrei. Was "wir" mit den Rückkehrern machen sollen, ist viel wichtiger.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      "Was "wir" mit den Rückkehrern machen sollen, ist viel wichtiger."

      So ganz sinnfrei ist der Versuch, das Problem abzuschieben nicht. Mit rechtsstaatlichen Mitteln kann der Bedrohung, die von solchen Personen ausgeht nur sehr unzureichend begegnet werden. War schon bei der RAF zu sehen: wenn eine Kleinstgruppe den impliziten Kontrakt zwischen Staat und Bürgern bricht, rüstet der Staat auf (bzw. beschneidet die Freiheit der Bürger). In dem Sinne habe ich keine Probleme damit, wenn Personen Islam statt Freiheit wollen, in Staaten abgeschoben werden, die es mit den bürgerlichen Freiheiten nicht so genau nehmen.

      • @83492 (Profil gelöscht):

        Auf diesem Weg kann ich nicht recht mitwandern.

  • Kann jetzt den Unterschied zwischen einem Deutschen der in der nordkoreanischen Armee dient und einem der beim IS kämpft nicht wirklich erkennen (Außer das Nordkorea nicht wirklich kriegerische Handlungen vollzieht) Und klar könnte man jetzt jeden Doppelstaatler der über rot fährt, die Staatsbürgerschaft entziehen - man kann es aber auch lassen: Ich sehe nicht, dass das irgendwer will - außer die Afd vielleicht, aber wenn die an die Macht kommen, ist das wohl das kleinere Übel...

  • Die Dschihadistenmiliz mag kein eigener Staat sein, da ein solcher "Staat" niemals international anerkannt werden würde. Diejenigen, die für einen solchen "Staat" kämpfen machen es jedoch, um einen neuen Staat zu erschaffen. Sie unterwerfen sich daher freiwillig einer fremden ausländischen Macht.

    Für die Frage der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft kann und darf es nicht darauf ankommen, ob der "Staat" für den der Dschihadist da nun kämpft anerkannt wird oder nicht. In beiden Fällen ist es mit der Staatsbürgerschaft nicht vereinbar.

    Daher ist die Aberkennung der Staatsbürgerschaft auch keine Strafe sondern nur logische Folge.

  • Ausbürgerungspraxis kündet von unseliger Tradition totalitärer Staaten aller politischen Farben.

    Heute erscheinen solche Ausbürgerungsbestrebungen in Berlin wie gesellschaftspolitische Leerlauf Arbeitsgeräusche, das Hintergrundrauschen globaler Wirklichkeit zu übertönen, an der auch Deutschland als Interventionspartei an gegenwärtig 11 Bundeswehr Auslandsstandorten weltweit beteiligt ist, salopp gesagt, IS Kämpfern u. a. Terror Fightern, "Gefährdern" zwischen 15. und etwa 35. Lebensjahr weltweit Kriegsschauplätze als "Abenteuerreise" zu organisieren, auf denen deutsches Kriegsgerät, Rüstungsgüter erprobt, in "Liveshows" um Käufer werben.

    Wer IS Kämpfer u. a. ausbürgert, fördert willentlich, unwillentlich das Heer an ausgewildert global rekrutierbarer Soldateska von Privatarmeen namenloser Finanzierer für Anschläge, Kämpfe to Go on Demand

  • Übertriebener Kommentar. Natürlich darf kein Entlassung in die Staatenlosigkeit stattfinden.



    Aber die Personen haben sich einem staatsähnlichen Gebilde zugewendet und diesen höchstwahrscheinlich subjektiv als Staat empfunden und diesen durch Kampf-, sex- bzw. sonstigen Leistungen unterstützt und sich faktisch vom deutschen Staat abgewendet.



    Der vom Autor herbeigeführte Vergleich hinkt zudem, da die erwähnten Verbrechen nicht in einem Zusammenhang mit einer staatsbürgerlichen Abwendung zu tun haben.



    Letztendlich handelt es sich zudem nicht um eine Sanktionierung, da eine freiwillig behaltene Staatsbürgerschaft noch der Person verbleibt.



    Dementsprechend wären die Fälle natürlich kritisch zu prüfen, in denen eine gebetene Entlassung aus der nichtdeutschen Staatsbürgerschaft erfolglos war. Hier hätte eine Abwendung vorgelegen, die aus meiner Sicht der alleinigen deutschen Staatsbürgerschaft ähnlich wäre.

    • @Andi S:

      Die zweite Konsequenz dieses Schrittes wäre: die Terroristen des IS bleiben an den Kurden hängen (die vielleicht irgendwann Probleme haben werden mit der Bewachung und Beköstigung) oder gehen zurück in ein Heimatland, wo sie auch nicht unbedingt gute Taten vollbringen. Also wir laden das Problem mal wieder in Ländern ab, die eh schon genug Probleme haben. Gaanz wunderbar!

      • @Artur Möff:

        Böse: Die können damit auch umgehen, "wir" nicht.

    • @Andi S:

      "Aber die Personen haben sich einem staatsähnlichen Gebilde zugewendet und diesen höchstwahrscheinlich subjektiv als Staat empfunden und diesen durch Kampf-, sex- bzw. sonstigen Leistungen unterstützt und sich faktisch vom deutschen Staat abgewendet."

      Gilt das dann auch für organisiertes Verbrechen. Mafia, Mitarbeitern*nnen von Globalplayern, die Verbrechen überführt, zur kriminellen Vereinigung erklärt werden ?