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Kommentar Reiterstaffel HamburgAuf dem Rücken der Pferde

Lena Kaiser
Kommentar von Lena Kaiser

In Hamburg verletzt ein Polizeipferd einen Demonstranten schwer. Das antiquierte Herrschaftsgebaren gehört abgeschafft.

Letztlich dazu da, um Demonstranten einzuschüchtern: Polizeipferde beim Revolutionären 1. Mai in Hamburg. Bild: dpa

T iere sind nicht dazu da, gegen Menschen eingesetzt zu werden, die aus politischen Gründen auf die Straße gehen. Welche Risiken durch den Einsatz einer Reiterstaffel von der Polizei billigend in Kauf genommen werden, zeigte sich wieder mal bei einer Demonstration zum 1. Mai in Hamburg: Ein Polizeipferd trat einem Anwesenden ins Gesicht und verletzte ihn schwer.

Nicht wegen des Leids der Tiere oder des der Demonstranten, sondern wegen des unzulänglichen Kosten-Nutzen-Effekts hatte die Hamburger SPD 2009 noch aus der Opposition heraus den Einsatz der Reiterstaffel in Frage gestellt. Drei Jahre später gab Innensenator Michael Neumann (SPD) grünes Licht für die Verlängerung ihres umstrittenen Einsatzes. Dabei liegen die Gründe, den Holzweg eines antiquierten Herrschaftsgebarens zu verlassen, auf der Hand.

Tierschützer der Organisation Peta verweisen etwa darauf, dass die Dressur einer artgerechten Haltung widerspreche. Und radikale Tierrechtsaktivisten halten es für falsch, Tiere gegen ihren Instinkt daran zu hindern, einer unübersichtlichen und für sie bedrohlich wirkenden Situation zu entfliehen. Die Tatsache, dass viele Bundesländer ihre Reiterstaffeln aufgegeben haben, zeigt: Es geht auch sehr gut ohne sie.

Polizeipferde sind in Hamburg vor allem deswegen im Einsatz, weil die Polizei sich immer noch gerne in erhabener Position sieht. Letztlich ist die Reiterstaffel nur dazu da, um einzuschüchtern und Macht zu demonstrieren. Ohne Rücksicht auf Verluste, denn verlieren die berittenen Polizisten die Kontrolle über ihre Pferde, kann es für alle Beteiligten lebensgefährlich werden.

Pferde sind scheue und sensible Fluchttiere, die auf einer Demonstration angesichts der Menschenmasse erheblich in Stress geraten. Der Vorfall vom Maifeiertag in Hamburg reiht sich ein in die Geschichte unkontrollierter Gewalt, bei der Angst, Schrecken und Verletzungen Teil der Rechnung sind. Deshalb sollte die Reiterstaffel lieber gestern als heute abgeschafft werden.

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Lena Kaiser
Transformatorin und Autorin
studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Potsdam, Berlin und Mexiko-Stadt und schreibt seit 2009 für die taz. Sie volontierte bei der taz in Hamburg, war dort anschließend Redakteurin, Chefin von Dienst und ab Juli 2017 Redaktionsleiterin. 2019 wechselte sie in die Produktentwicklung der taz und ist verantwortlich für die Digitalisierung der täglichen taz.
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14 Kommentare

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  • Wie viele Beamte (Staats-Hools) werden wohl in der Statistik "Im Einsatz bei Demonstration verletzte Beamte" geführt, obwohl sie von ihren eigenen Kampfhunden gebissen wurden oder in ihr eingenes Pfefferspray gerannt sind?!

    Wer Tiere auf Menschen hetzt, ist geistig auf der Höhe der alten Römer, und gehört zu den widerlichsten Kreaturen dieser Erde. Ich habe nichts gegen Lawinensuchhunde, doch sogenannte Schutzhundeführer widern mich an.

    Wo wird man außerdem als wütender Bürger zu erst hinzielen? Würden mir die Tiere leidtun ... ja! Habe ich sie in diese Situation gebracht ... nein! Millionen Pferde sind hingemetzelt wurden von dummen Menschen mit Herrschaftsgebaren.

    https://youtu.be/OJtWdjnFmRw

  • Soweit ich weiß, werden Reiterstaffeln primär eingesetzt, weil die Pferde eine nachgewiesene positiv beruhigende Wirkung auf die Gemüter der Menschen haben, denen sie gegenüberstehen. Mit Abschreckung und Herrschergehabe hat das allerdings nichts zu tun, sondern mit Sympathie für die Tiere. Solange sie also nicht als Schlachtrösser im Straßenkampf eingesetzt werden sondern zur Deeskalation - und abgezogen werden, wenn diese misslingt -, können sie mehr Personenschäden verhindern als sie je anrichten werden.

     

    Was den Tierschutzaspekt angeht, wage ich These, dass Poliziepferde insgesamt ein wesentlich bnehüteteres stressfreieres Leben führen als ihre meisten Artgenossen - unter anderem auch WEIL sie zeitig lernen, sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Und was soll bitte der Maßstab für eine "artgerechte Haltung" von solchen Pferden sein? Wildpferde, von denen die heutigen Tiere hunderte von Generationen Zucht und Domestizierung entfernt sind?

     

    Zuletzt weiß ich nicht, ob ich es besonders erhaben fände, auf einem etliche hundert Kilo schweren Kraftpaket von "scheuem und sensiblem Fluchttier" zu sitzen, wenn um mich herum Randale herrscht. Da wäre mir eine Hundertschaft Kollegen bei aller gelungenen Dressur doch irgendwie die verlässlichere Umgebung. Die berittenen Beamten, die ich bisher erlebt habe (meist in der Nähe von Fußballstadien), machten auch eher nicht so den Eindruck als fühlten sie sich wie der fleischgewordene Hoheitsträger. Dazu waren sie viel zu besorgt um ihre Hottehüs.

  • "Letztlich ist die Reiterstaffel nur dazu da, um einzuschüchtern und Macht zu demonstrieren."

    Die Polizei an sich hat meiner Meinung nach diesen Zweck. Und als normaler Mensch folge ich auch meinem Instinkt, nämlich Abstand von einem Pferd zu halten. Eben damit ich keinen Tritt kassiere.

    • @Spider J.:

      Ich habe mir mal das Video angeschaut, der Demonstrant hat wirlkich pech gehabt und konnte nicht wirklich damit rechnen, das plötzlich ein Pferd hin hinten an ihn vorbeiläuft und ist deshalb auch so unvermittelt umgeworfen worden.

       

      Der Tritt des Pferdes war dann aber wohl nicht gezielt getreten sondern es hat seine Fuß wohl schnell wieder zurückgezogen als es für es selber unerwatet gegen den Kopf gestoßen war.

       

      Na ja, das ganze war wohl wirklich doof gelaufen und es gab ja auch Glück im Unglück für den Demonstranten, da die Verletzung scheinbar eher glimpflich ist.

       

      Cool fand ich das Statement des Demonstranten danach, nix Opferrolle sondern: "Gut gehts mir, wirklich gut..."

       

      Das ist ja wenigstens mal ein Revolutionär von echtem Schrot und Korn!

       

      Die Story kann er später seinen Enkeln erzählen, ich hoffe aber dennoch, dass er noch zum Arzt gegangen ist!

      • @Waage69:

        Sorry für die vielen Fehler, war halt mal wieder "zwischen Tür und Angel" schnell geschrieben.

         

        Eins habe ich aber noch vergessen und zwar meine persönliche Meinung:

         

        Der Kampf zwischen "Reaktion" (viele nennen sie auch mehr oder weniger legitime Staatsgewalt) und "Revolution" (manche nennen sie auch kindisches Sandkastenspiel für Lebensabschnittsradikale) interessiert nur die Zweibeiner und sollte daher auch ausschließlich unter diesen ausgetragen werden.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Spider J.:

      Leichter gesagt als getan, wenn die Viecher gezielt in eine Menschenmenge geführt werden.

  • Das eine Reiterstaffel in einer "Demokratie" nichts zu suchen hat, begründet sich selbst.

    Noch wichtiger wäre die Beendigung des völlig unangebrachten Herrschaftsgebahrens der Bereitschaftspolizei selbst!