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Kommentar RechtsextremismusHerr Seehofer, schützen Sie uns!

Kommentar von Jagoda Marinić

Wie heißt eigentlich der Beauftragte der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus? Richtig: Es gibt ja gar keinen. Jetzt wird es aber Zeit.

Wo bleibt der Schutz gegen Rechtsextreme? Demo in Brüssel nach der Europawahl Foto: dpa

L angsam dämmert es auch den Letzten: Es geht seit 2015 nicht nur um Ängste vor kulturellem Wandel und besorgte Bürgern. Es geht um Kräfte, die ganz andere Antworten auf die großen Fragen der Bundesrepublik geben möchten: Gewalttätige. Nationale. Und mörderische.

Der Tod von Walter Lübcke ist eine Zäsur. Doch er muss auch ein Stoppschild sein für die Beschwichtiger und notorischen Links-Rechts-Gewalt-Rhetoriker. Die Waffen lagern nach aktuellen Erkenntnissen in rechten Kellern. Punkt.

Es wäre die Aufgabe des Verfassungsschutzes, die Verfassung zu schützen. Es wäre seine Aufgabe, die Bürgerinnen zu schützen. Und während viele Horst Seehofers Agenda-Setting vom Heimatministerium mit Ironie zu verdauen versuchten, ließ er diese Heimat schmerzlich im Stich. Bei allen Strukturproblemen, bei allen Bahnen, die nicht fahren, Straßen, die nicht repariert wurden, ist der Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger die erste und vornehmste Aufgabe eines Innenministers.

Man hätte sich gewünscht, dass wenn er schon Heimat fordert, dann fürsorglich durchgreift – und Heimat bietet. Doch er hat die Falschen versorgt. Zu lange an Maaßen festgehalten. Nicht durchgegriffen. So hat er die sicheren Wurzeln derjenigen gekappt, die sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen, zu dem die Bundesregierung gern regelmäßig aufruft. Lübckes Ermordung verunsichert Menschen, die sich für unsere Demokratie und für Menschenrechte stark machen.

Eine schöne Idee für gute Zeiten

Jetzt sollen die Menschen an der Basis wieder stärker ins Rampenlicht gerückt werden, Wertschätzung im Rahmen des „Donnerstag der Demokratie“. Eine schöne Idee für gute Zeiten. Für die schlechten Zeiten, in denen wir gerade leben, heißt das: Wer im Scheinwerferlicht des Engagements sichtbar wird, den trifft auch der Zorn derer, die ein völkisches Verständnis von Deutschland pflegen. Wer das Ehrenamt ehren möchte, muss das Land zunächst vor denen schützen, die es mit Hass und Gewalt(-phantasien) übersäen.

Bild: imago/Jürgen Heinrich
Jagoda Marinić

ist Autorin und Kolumnistin. Bei S. Fischer erschien soeben ihr Buch SHEROES – Neue Held*innen braucht das Land. Sie twittert zum Zeitgeschehen unter @jagodamarinic.

Die Bundesregierung hat 2015 mit „Wir schaffen das!“ die Zivilbevölkerung aufgerufen, die Verantwortung für eine globale Krise anzunehmen. Viele sind dem gefolgt. Der Lohn dafür darf nicht sein, dass sie nun mit Angst um ihr Leben und mit öffentlichen Verleumdungen im Netz leben müssen – oder gar mit Irren, die ihr Leben bedrohen, weil sie Zugang zu Waffen haben.

Deutschland hat einen Beauftragten für alles mögliche. Sie hat vermutlich sogar einen Beauftragten für den weißen Mittelstreifen auf den Autobahnen. Ob die Bundesregierung hingegen einen Beauftragten gegen Rechtsextremismus hat, an die sich jene wenden können, die sich vom Verfassungsschutz nicht geschützt fühlen, darauf weiß das Bundesinnenministerium auf Anfrage bislang keine Antwort zu liefern. Die Zivilgesellschaft sollte diese Antwort jetzt einfordern.

Jagoda Marinić ist als @jagodamarinic bei Twitter unterwegs

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22 Kommentare

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  • "Man hätte sich gewünscht, dass wenn er schon Heimat fordert, dann fürsorglich durchgreift – und Heimat bietet. Doch er hat die Falschen versorgt."



    Liebe Frau Marinić, er hat genau die seines Erachtens "Richtigen" versorgt. Das hätten Sie aber schon merken können…

  • So wie Fridays für Future von den Verursachern der Krise eine Lösung erwartet, so scheint offensichtlich Frau Marinic von den Rechtsblinden zu erwarten, den Rechtsradikalismus wirksam zu bekämpfen.

  • Der Artikel ist ironisch gemeint, oder? An sich ist es naiv, eine andere Politik seitens der CSU zu erwarten, wie es auch naiv ist, sich durch Überwachung sicher fühlen zu wollen. Dass die SPD da mit macht, sollte den SPD-Wähler*innen zu denken geben, die eigentlich "linkere" Positionen vertreten...

  • Die Konsequenz solcher Artikel, liebe Jagoda Marinic, ist klar: Der Beauftragte für weiße Mittelstreifen auf Autobahnen bekommt jetzt den Job.

  • Die GroKo wird mit Sicherheit dem Beauftragten für weiße Mittelstreifen auf Autobahnen genau diesen Job zuweisen.



    Dafür sorgt schon der "ruhige Feierabend" - Erlass von Seehofer und Scheuer. Hieß früher mal Kompentenzselbstbeschränkungsinitiative; langjährige Forschungen hatten ergeben, dass es langfristig billiger ist, Leute

  • Den Unterschied zwischen "~radikal" und "~extrem" kennsde wohl auch eher nicht? Macht ja nix, wird ja eh immer alles al gusto verwendet.



    Die RAF war linksextrem, die AntiFa ist zum größten Teil linksradikal, auch wenns da zum guten Ton gehört, mal auf ner Demo von den Staatsorganen eingekesselt zu werden und/oder sich auch noch Tränengas, Wasser im Winter, Pfefferspray und -kugeln einzufangen.

    Und natürlich macht der Ton die Musik und solange Rechtsextreme (mittlerweile auch große Teile der AfD) mehr oder minder für konservative bis rechte Kreise ein ärgerlicher Vogelschiß auf dem grade frisch polierten Lack des VW Traba.., äh Golf sind, müssten die geistigen Brandstifter der C-Parteien alle zur Beichte.

    • @Hugo:

      War@Janus, 29.06.0:12 und ich schwör ich drückte auf "antworten".

  • "Es wäre die Aufgabe des Verfassungsschutzes, die Verfassung zu schützen."

    Dazu muss er erst mal von Rechten Kräften gesäubert werden. Wenn es dazu eines Beauftragten bedarf; bitte. Wichtig ist, dass es getan wird.

  • „. . . Lückes Ermordnung“

    Der Mann hieß Lübcke.

    Die Links-Rechts-Gewalt-Rhetoriker hängen sich ja i.d.R. nicht an den aktuellen Statistiken zu Toten auf, die sind im geschichtlichen Kontext auf einem Tiefststand. Aufhängen tut man sich an den Erfahrungen der Vergangenheit, die klar gemacht haben das radikale Linke und Rechte jeweils tödliche Systeme errichten, die ohne Bedenken Millionen töten, um ihr Ideal durchzudrücken. In diesem Kontext ist nichts falsch daran linke und rechte Ideologie gleichermaßen an den Pranger zu stellen. Das die Angestellten einer linken Tageszeitung an der Konfrontation mit linker Vergangenheit nicht viel Freude haben glaube ich nur zu gerne. Eine weitere Gemeinsamkeit von Linken und Rechten! ;-)

    Nun frage man sich was passiert wäre, wenn der Täter ein Islamist gewesen wäre. Es hätte sicher gehießen man dürfe jetzt nicht verallgemeinern. Doch die taz hat die Schuld in diesem Fall bereits vom Täter auf das gesamte konservative/rechte Lager ausgedehnt, auch die CDU sei Teil des Problems, hieß es ja zeitig.

    Die Forderung nach einem Rechtsextremismus-Beauftragtem hingegen zeigt wie hilflos man im Grunde ist. Ich finde einen solchen Vorschlag zwar immer noch besser als die Mecker-Artikel, in denen alles mögliche angekreidet wird ohne einen einzigen, konstruktiven Vorschlag zu unterbreiten, doch es liegt auf der Hand, dass sich an der Lebensrealität Betroffener auch durch einen Beauftragten nichts ändern wird. Es sei denn es geht wieder mal nur um die Gefühle von unbeteiligten, dann wird das sicher ein durchschlagender Erfolg!

    • @Januß:

      Wow - ein Wunder das der Kommentar veröffentlicht wurde.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Da meine Kommentare keinem Reviewing durch die Moderation unterliegen stellt sich diese Problematik für mich nicht.

        Ich nehme an das liegt daran das ich so gut wie nie ausfallend werde und auch schon relativ lange einen Account habe.

    • @Januß:

      Ich kann mir solch einen Schmarrn nicht durchlesen. Erkennen Sie den Unterschied zwischen Abtikapitalismus und Faschismus nicht, oder finden Sie, dass es weiterhin normal ist, den schwarzen Block bei linken Demos zu sprengen und marschierende Nazis gewähren zu lassen? Ich erkenne keine Gemeinsamkeiten in der Forderung nach globaler Gerechtigkeit (Antikapitalismus) mit der menschenverachtenden Ideologie der Rechten (Faschismus)... Sie etwa?

      • @Vollgut2000:

        Ich erkenne einen klaren Unterschied zwischen linker und rechter Theorie und Ideologie, doch in der Praxis sind die Unterschiede viel kleiner als in der Theorie und in Sache Autoritarismus und Mitteln der Machtdurchsetzung stehen sich beide Seiten in nichts nach.

        Im Grunde folge ich sogar der Argumentation die viele Antifaschisten vorbringen. Eine Ideologie die geeignet war ein System zu schaffen das sechs Millionen in Konzentrationslagern umbringt muss man nie wieder ausprobieren, sondern aktiv bekämpfen. Warum diese Antifaschisten dann aber keine Skrupel haben sich einem anderen System zuzuwenden, dass seinerseits Millionen Menschen das Leben gekostet hat ist mir ein Rätsel.

        Die Begründung "das war ja gar kein richtiger Nationalsozialismus" war übringends eine bei der deutschen Nachkriegsbevölkerung beliebtes Argumentationsmuster, bevor sie mir hier mit "Das war ja kein echter Kommunismus!!!" ankommen.^^

    • @Januß:

      Wenn sich ein wesentlicher Teil der CDU/CSU an der pauschalen Hetze Rechtsextremer gegenüber "Anderen" beteiligt, trägt die Partei auch diesen Teil der Verantwortung, insbesondere ein Heimatminister, der mit seinen rassistischen wahlkampftaktischen Anbiederungen an das AfD-Sprech der Szene verbalradikale Steilvorlagen und Wähler geliefert hat, während der ganze Rest der Gesellschaft und ihre Themen in Geiselhaft genommen wurden und so stagnierten. Die Partei hat es durchgehen lassen.

      Die Unionsparteiern stellten desweiteren in der Geschichte der BRD fast sämtliche Aufsichtspersonen über die die rechtsextreme Szene eher päppelnden als belästigenden Dienste und diese haben mindestens durch exorbitante Zahlungen an halbseidene Existenzen finanziell wesentlich rechtsextreme Infrastrukturprojekte subventioniert. Inklusive der Vertuschung durch Datenschreddern zum rechten Zeitpunkt.

      Man hat wohl geglaubt, eine Art eigene rechte Gegen-APO zu benötigen und (bestenfalls) nicht bedacht, dass das auch oftmals blutige Konsequenzen hat.

      Dass das alles mal zusammengedacht wird und Konsequenzen gezogen werden, ist lange überfällig.

      • @Volker Maerz:

        Wenn das so wäre könnte man vielleicht darüber sprechen ob der Charakter der CDU der Gesinnung des Täters entspricht, jedoch ist mein Standard dafür was sich als Rassismus qualifiziert scheinbar wesentlich höher als Ihrer. Die Position die Seehofer vertreten hat kann man vertreten ohne rassistisch zu argumentieren.

        Und bevor sie mir mit irgendeinem "Ich habe zu meinem Geburtstag X Abschiebungen bekommen" Unsinn kommen informieren Sie sich mal ordentlich darüber was der Heimat-Horst wirklich gesagt hat und in welchem Kontext er das gesagt hat.

        Das der Verfassungsschutz so viele Spitzel in der rechten Szene und damit oftmals die rechte Szene selber finanziert hat ist nicht von der Hand zu weisen und auch ich finde das zum Kotzen. Mir ist das ganze Konzept zuwider. Doch das dies allein von der CDU gewollt war ist absoluter Unsinn. Alle Nase lang regt man sich doch von links darüber auf das gegen Rechtsextremismus nicht genug getan wird und das der Verfassungsschutz hier aktiver werden sollte. Entsprechend wurde auch zu Zeiten in denen die CDU keine Regierungsverantwortung getragen hat an dieser Praxis nicht viel geändert.

        Auf Ihre verschwörungstheoretischen Ausführungen gehe ich nicht weiter ein,..

  • Der letzte Satz ist entscheidend. Nur fordert die Zivilgesellschaft keine Antwort darauf ein.



    Die Rechten haben viele Jahrzehnte ausgeharrt, nun ist scheint Zeit gekommen.



    Wofür? Siehe oben.



    Einzeltäter mögen verhaftet werden, die besorgten Bürger stellt keiner mehr infrage...

    Denk ich an Deutschland in der Nacht...kotz ich nen Strahl mitten ins Schlafzimmer, bevor ich nur einen Fuss auf den Boden bekomme.

  • Ich hätte gerne einen Extremismus Beauftragten ganz allgemein, weil dieser sonst wieder nur auf dem jeweils anderen Auge blind wäre.

    • @Weidle Stefan:

      "Der Tod von Walter Lübcke ist eine Zäsur. Doch er muss auch ein Stoppschild sein für die Beschwichtiger und notorischen Links-Rechts-Gewalt-Rhetoriker. Die Waffen lagern nach aktuellen Erkenntnissen in rechten Kellern. Punkt."

      was gibt es daran nicht zu verstehen? die "Extremismus-"""Theorie"""" ist einzig dafür da, rechte Gewalt zu relativieren, indem immer auch idiotisch 'nach links geguckt' wird

      so ein Kommentar unter diesem Text wirkt wie von einem schlechten Bot geschrieben. vollkommen tone deaf und wieder nur dieselbe, dumme, ausgelutschte Parole

      • @LajosH:

        „lechts und rinks“ oder: Wie das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz den Blick in unterschiedlicher Weise nach rechts und links richtet (ddrm.de, 28.06.19)



        ddrm.de/lechts-und...und-links-richtet/