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Kommentar Reaktion auf das ReferendumPutschisten aus Madrid

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Rajoy dehnt seine Macht in Katalonien unrechtmäßig aus. Er übernimmt die Kontrolle über Finanzen, Polizei, Bildung, Funk und Fernsehen.

Greift nach der Macht in Katalonien: Mariano Rajoy Foto: reuters

M inisterpräsident Mariano Rajoy setzt die katalanische Autonomie außer Kraft. Er beruft sich dabei auf den Artikel 155 der spanischen Verfassung und gibt dem Ganzen so einen rechtlich einwandfreien Anstrich. Doch was er macht, verdient nur einen Namen: Putsch.

Denn auch wenn es aus Spanien immer wieder heißt, dass auch die deutsche Verfassung Zwangsmaßnahmen zur Umsetzung von Bundesrecht auf Länderebene kenne, wird gern eines vergessen: Es gibt verfassungsgemäß geschützte Rechte, in die kann und darf eine Regierung nicht eingreifen. Und genau hier schlägt Rajoy über die Stränge.

Die rebellische Regierung Katalo­niens, die – das ist richtig – gegen das Verfassungsgericht ein Unabhängigkeitsreferendum hat durchführen lassen, wird entlassen, und die Verwaltung wird Technokraten aus Madrid unterstellt, die vor Ort keinerlei Autorität genießen. Die sozialen Konflikte werden sich verschärfen, denn die Zentralregierung in Madrid übernimmt nicht nur die Kontrolle über Finanzen und Autonomiepolizei, sondern auch Bildung, Funk und Fernsehen. Das verheißt nichts Gutes.

Der Europarat vergleicht Rajoys Medienpolitik und sein Staatsfernsehen TVE mit Ungarn, Rumänien oder der Ukraine. Ausgerechnet diese Regierung will jetzt also für Neutralität bei TV3 sorgen, das nie international gerügt wurde. Wo bleibt die Medienfreiheit, die ebenfalls in der Verfassung garantiert wird?

Dazu machen Rajoys Konservative seit Jahren Stimmung gegen das Katalanische als Hauptunterrichtssprache und werfen dem Lehrpersonal vor, kleine Unabhängigkeitsbefürworter heranzuziehen. Jetzt übernehmen diese Politiker die Kontrolle über das Schulsystem.

Auch das Parlament in Barcelona verliert erheblich an Kompetenzen. Madrid kann fortan Veto einlegen. Rajoys Verwalter unterstehen somit keinerlei demokratischer Kontrolle vor Ort. Wenn das kein Putsch ist.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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44 Kommentare

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  • Na, ein Putsch ist schon noch was anderes! Aber Rajoy macht alles nur schlimmer. Die Katalanisten sind an der Lage allerdings sehr wohl mitbeteiligt. Dass das katalanische TV3 noch nicht gerügt wurde, ist eigentlich unverständlich, wenn man denn schon "rügt". Auch wenn "Polonia" echt lustig ist. Und ja, an den katalanischen Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen wird indoktriniert. Gesammte Schulklassen gehen schon immer auf die Unabhängigkeitskundgebungen, unterlegt mit KatPop und KatReaggae. Die Bands rufen am Ende immer zur Freiheit und Unabhängigkeit auf, was gibt es auch Schöneres für junge Menschen (und alte)? Das erste Geschichtsthema in der 6. Klasse Grundschule "Macht eine PowerPoint zu 1714". Man lernt was über "außerhalb" nur in gröbsten Zügen, ansonsten nur Katalonien, ständig und überall, Fahnen oder katalanische Farben in der Schule, Parolen zur Heimatliebe, hallo, waren Sie mal in den Schulen hier?! Jedes Jahr das Herunterbeten der immer gleichen Gründungsmythen. Falschheit und Heuchelei sind Programm. Aber Opfer, nur hier, die Spanier nicht? Jede Mitteilung, jede Konferenz wird exklusiv auf Katalanisch gehalten, und wenn die afrikanische Mama nicht mitkommt, dann ist sie es eben selber Schuld. Muss halt die "Leitkultur" anerkennen, und wehe sie tut es nicht explizit immer wieder!

    Mal halblang mit den armen Katalanien! So unschuldig an dem ganzen Dilemma sind die nicht - genau deshalb ist ja alles so verdammt schwierig. Die Katalanen sind eben Spanier, die selbe Verbohrtheit, autoritäres Gehabe und Unfähigkeit zum Diskurs, einem ausgewogenen. Manipulation statt vielseitige Information.

    Das einzig Positive an der ganzen Sache wird wahrscheinlich sein - falls es nicht in einem neuaufgesetzten Bürgerkrieg oder "baskischen/irischen Verhältnissen" endet - dass die mal anfangen zu diskutieren und andere Meinungen gelten lassen. Bis jetzt sehe ich keinen Unterschied im zivilen Gehabe zwischen "Katalanen" und "Spaniern". In der Politik ganz genau so.

    • @CV:

      Wow, so so seltsam ist denn, dass ich als katalanische Schülerin auch die Spanische Geschichte und spanisches Ansicht über 1714 super kenne (9/10 in dem Abitur), dass ich super spanisch sprechen kann (eigentlich, besser als katalanisch), dass ich ein Koreaner in meinem Unterricht hatte, die am Anfang kein Katalanisch oder Spanisch sprach, und jetzt sie kann 4 Sprachen (mit English) no NATURAL behalten.

       

      Auch sehr seltsam dass in meiner Universität gab es die gleiche Unterrichte auf Katalanisch, Spanisch und Englisch, sodass man wahlen könnte, welche Sprache am bestens geht, und auch sehr sehr seltsam, dass in meinem Abitur ich musste zwei Fach auf Spanisch machen (Griechisch und Literatur) weil die Lehrerinnen spanisch waren. Und auch seeeeehr sehr seltsam, dass wir es ganz NORMAL findet.

       

      Es ist auch super seltsam dass, als ich mit Super 3 und Tv3 aufgewachsen bin, war ich mein ganzen Leben GEGEN Unabhängigkeit, bis dem 1-okt, wo die Polizei mich geschlagt haben.

       

      Ich muss denn keine richtige katalaner sein... Meine Freuden auch nicht... Meine Familie... Oh, jetzt bin ich traurig, dass ich nicht indoktriniert war!!!!

      • @Andra Rovira:

        Witzig, dass Sie Ihren Kommentar um 17:14 gepostet haben.

         

        Im Übrigen wissen Sie aus Ihrem Abitur dann auch, dass Katalonien im Jahr 1714 nicht die Unabhängigkeit verloren hat, da es zuvor nicht unabhängig war.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @CV:

      Genau. Gesprächskultur unbekannt in Spanien einschliesslich Katalonien. Aber das ist kulturell, die Demokratie existiert zwar formel in Spanien, aber nicht im gegenseitigen Umgang. Und um Ihre These noch weiter zu untermauern, schauen Sie sich an, wie die französischen Katalonier ganz anders als ihre spanischen " Stammesgenossen" mit der Demokratie umgehen, ausser Manuel Valls, der ja auch sehr autoritär ist und null Gesprächskultur hat und aus Barcelona stammt.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @82236 (Profil gelöscht):

        Natürlich haben wir Deutschen traditionell schon in unserer gesamten tausendjährigen, ach, nee, warte mal, das ist doch auch Indok... - vergessen Sie's wo war'n wir stehengeblieben - ach Tradition und tausendjährige Geschichte voller Gesprächskultur, wie z.B. im 30jährigen und im hundertjährigen Krieg, ganz natürlich haben wir Deutschen die Gesprächskultur im Blute, besonders wenn es um Hochkulturthemen wie Antisemitismus geht, Luther war ja auch schon vehementer Kriti..., ach nee, doch nicht - vehementer Hetzer also und seine Beiträge zur deutschen Gesprächskultur bis 1945 und auch danach, bis heute bilden sie das Rückgrat unserer protestantischen Arbeitsethik und Gesprächskultur, die in der ganzen Welt nur als Inbegriff der historischen Gerechtigkeit, ach nee, das auch nicht, na wenigstens doch einer Gesprächskultur, die überall als Inbegriff des ungetrübten Blicks in die Herzen aller Völker bekannt ist, mit lebensfrohen, das Leben liebenden Menschen, die niemals um des eigenen Reichtums willen in anderen Diktaturen, äh, nein - Teilen der Welt brutale Lager des kapitalistischen Vergessens finanzieren würden. Das haben die ganzen anderen EU-Staaten ganz alleine gemacht und Deutschland gar nicht gefragt und wie immer, äh, meistens, äh, oft, naja manchmal wenigstens? - naja wie halt vielleicht auch schon vorher mal in der Geschichte, sind wir auch bei diesem Lagerbau mal wieder, ach nee, "wieder" ist auch falsch, da war doch noch was - also die Opfer jedenfalss sind wir in der Geschichte jetzt ganz bestimmt, schließlich haben wir Deutschen solche hohe Gesprächskultur und so gar keinen Hang zum Autoritären, wir würden niemals Parteien wählen, die Gulags in Nordafrika finanzieren, also natürlich außer der CDU, der CSU, der SPD, der AfD, den Liberalen (!) und wenn die Grünen da mitmachen würden, wäre das die größte Überraschung der Welt bei all der deutschen autoritäts- und herrschaftskritischen Gesprächskultur die sich in tausendjähriger Tradition hier entwickelt hat.

        • 8G
          82236 (Profil gelöscht)
          @85198 (Profil gelöscht):

          Wer redet denn hier von Deutschland? Und die deutsche Demokratie ist nun einmal kompromissbereiter als beispielsweise die französische oder gar spanische, wo die Fronten viel härter sind. In Frankreich wird z.B. erst gestreikt und dann verhandelt. Der Frankismus ist in Spanien immer noch ein Tabuthema, um die nationale Versöhnung nicht zu gefährden. Die prominentesten Holocaustleugner sitzen in Frankreich.

          Eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist ein Zeichen von Reife, sich ständig Asche aufs Haupt zu schützen und gebetsmühlenhaft zu wiederholen, wie schlecht wir alle sind, ist kindisch.

  • Das antidemokratische Durchregieren von Schäuble in Athen hat spätestens gezeigt, was auf das katalanische Volk zukommt:

    Eine weitere "Erdoğanisierung" der EU...

  • Nehmen wir mal an, unsere heimischen "Reichsbürger" würden das Landesparlament z. B. des Saarlandes erobern und ab da den Saarländischen Rundfunk sowie das Schulsystem nutzen, um ihre staatsrechltlichen Theorien zu verbreiten. Würde der Kommentator dann auch dafür plädieren, dass Berlin schön die Füße stillhält und duldet, wenn sich das Saarland nach und nach selber "heim ins Reich" entlässt? Wohl nicht.

     

    Eindeutig verfassungswidrige Inhalte sind nur sehr begrenzt von verfassungsmäßigen Grundrechten wie der Meinungs- oder Lehrfreiheit geschützt. Das gilt auch für Inhalte, die romantische Freiheitskämpfer-Assoziationen wecken.

    • @Normalo:

      Das katalanische Parlament wurde gewählt, nicht erobert.

       

      By the way, dies Parlament ist ein paar Jahrhunderte älter als das spanische.

      • @Kimx:

        By the way ist älter als das Parlament z. B. hierzulandes auch die eine oder andere Dorfeiche. Das ändert aber nichts daran, dass unsere geltende Verfassung Vorrang vor den Beschlüssen eines etwa darunter tagenden Thing beansprucht...

         

        Mit "erobern" war natürlich nichts anderes als die demokratische Form dieses Vorgangs gemeint. Entschuldigen Sie die martialische Ausdrucksweise. Trotzdem darf ich Sie daran erinnern, dass JEDES regionale Parlament seine Kompetenzen letztlich aus der Verfassung des Mutterstaates zieht und an sie gebunden ist - egal wie alt und egal wie besetzt es sein mag.

    • @Normalo:

      Macht es gut Subventionsempfänger würde ich rufen...

      • @Sven Günther:

        Sind Sie Bayer?

        • @Normalo:

          Nein Frankfurter, aber bei dem Thema herrscht in Hessen, Bayern und BW nach meiner Erfahrung eine recht ähnliche Einstellung.

          • @Sven Günther:

            ...bis die Nation als Ganzes Euch dann das nächste Mal Eure Banken retten darf (so denkbar klein der Anteil der Saarländer an sowas auch ausfallen mag). ;-)

            • @Normalo:

              Wer immer so laut nach mehr Markt und weniger Staat geschrien hat, hier wären mal die Möglichkeit gewesen, das hautnah zu erleben. Hätten wir aber auch überlebt und ist ein anderes Thema.

               

              Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

              Die Moderation

  • Zwangsmaßnahmen einer übergeordneten Regierung als Putsch zu bezeichnen, ist doch Unsinn. Da stimmt doch die Richtung des Eingriffs gar nicht. Hätte Puiddemont die Unabhängigkeit schon ausgerufen, hätte er es vll noch als invasiven Akt eines Nachbarstaates verkaufen können. Doch einen Putsch von oben gibt es gewiss nicht, auch nicht gegen autonome Regionalregierungen.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @lions:

      ...wer wird denn so kleinlich sein?

      Vielleicht müssen wir seit letzter Woche den Begriff 'Putsch' einfach weiter fassen?!

      Es handelt sich in Spanien eindeutig um eine Putsch der Zentralregierung, geführt von Mariano Rajoy, mit Zustimmung der EU.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Mehr als nur Kleinlichkeit zu unterstellen und ein eigenes "eindeutig" nachzuschieben, war wohl nicht drin?

        Die Ausdehnung von Begriffen über das bisher Bekannte wird nicht selten gefordert oder gebraucht, wenn´s gerade mal in den Kram passt.

        Sie können Ihr Verständnis von Putsch ja mal erörtern. Vll werde ich dann einsichtig. Dass auch in Madrid was falsch läuft, davon brauchen Sie mich übrigens nicht zu überzeugen, aber doch bitte nicht mit den falschen Begriffen.

  • ich schaue seit wochen immer wieder die journalistischen debatten im tve, und es ist kaum zu glauben, 4 oder 5 journalisten haben alle die gleiche meinung und wiederholen bis zur empoerung 2 stunden lang immer wieder ihre gleichen phrasen. es ist gar keine debatte, es ist ihr mantra, dass sie recht haben. genauso verblendet kommt mir rajoy vor. was ist da nur los in spanien?

  • Danke, Reiner Wandler, für den Bericht.

    All den Gesetzestreuen, die das Verhalten der Francisten verteidigen, sei gesagt, dass auch der Hitlerfaschismus sich auf Gesetze berief, um den Terror zu rechtfertigen.

    Ja, ich weiß, Gummigeschosse und die Prügelorgien der paramilitärischen Einheiten gegen Bürger, die abstimmen wollen, sind noch weit entfernt vom Faschismus. Aber Rajoy verweigert Verhandlungen und setzt auf Gewalt. Das sagt doch alles.

  • Wenn nun eine Radikalisierung der katalanischen Befreiungsbewegung - auch mit einer militanten Option - einsetzen sollte, so trägt allein Madrids Erdogan dafür die Verantwortung.

  • Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist eines der Grundrechte des Völkerrechts. Es besagt, dass ein Volk das Recht hat, frei über seinen politischen Status, seine Staats- und Regierungsform und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Dies schließt seine Freiheit von Fremdherrschaft ein. Dieses Selbstbestimmungsrecht ermöglicht es einem Volk, eine Nation bzw. einen eigenen nationalen Staat zu bilden oder sich in freier Willensentscheidung einem anderen Staat anzuschließen.

     

    Heute wird das Selbstbestimmungsrecht der Völker allgemein als gewohnheitsrechtlich geltende Norm des Völkerrechtes anerkannt. Sein Rechtscharakter wird außerdem durch Artikel 1 Ziffer 2 der UN-Charta, durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR), beide vom 19. Dezember 1966, völkervertragsrechtlich anerkannt. Damit gilt es universell und steht auch über der spanischen Verfassung.

    • @Cristi:

      Ich bin mir sicher, dass außerhalb Kataloniens niemand, gerade nicht Rajoy, das Selbstbestimmungsrecht des spanischen Volkes (also des gesamten Staatsvolkes des Königreichs Spanien) wirklich in Zweifel zieht... :-)

       

      Will sagen: Alles Auslegungssache, was ein selbstbestimmungsfähiges "Volk" ist und was nicht. Das Völkerrecht steht allerdings auf der Seite des Bestandsschutzes, verlangt also bei Sezessionen - bis auf schwerwiegende Ausnahmen - ein Einvernehmen der Abspalter mit dem Rest ihres bisherigen Staates. Das gibt es nicht, also gibt es auch kein höherrangigees Recht, das Rajoy (oder der katalonischen Regierung) den Bruch der spanischen Verfassung erlauben würde.

    • @Cristi:

      Nur mal so: Gibt es auch ein Selbstbestimmungsrecht eines deutschen oder des deutschen Volkes? Oder sprechen wir dann doch lieber von demokratischen Rechten und Mitbestimmung innerhalb eines Staates oder Landes oder einer Europäischen Union?

  • Bin Deutsch-Spanier, KEIN Nationalist !! Keine Verfassung der Welt akzeptiert eine Abspaltung einer Region. Ich muß leider sagen, das ist ein Staatsstreich eines Regionalparlaments, die Katalanen sind tief gespalten, Separatisten sagen nur sie repräsentieren das katalanische Volk, ist aber falsch, die schweigende nicht nationalistische Mehrheit (59%) ist am 8. Oktober endlich auf die Strasse gegangen (https://www.theguardian.com/world/2017/oct/08/catalan-leader-faces-dilemma-as-silent-majority-finds-its-voice ). Eine parlamentarische separatistische Mehrheit mit 1 Mandat Vorsprung, aufgrund Hondtschen Wahlrechtes nur 45% der Bevölkerung hinter sich, hat ein Referendumsgesetz gegen die Opposition durchgepeitscht. Gemäß Autonomiestatut brauche man eine zwei Drittel Mehrheit. Das hat man ignoriert, die Opposition mundtot gemacht , die eigenen Justiziare übergangen.

    Das Gesetz wurde vom Verfassungsgericht für illegal erklärt . Beim illegalen Referendum am 1. Oktober wurden wie einem inoffiziellen Referendum 2014 (ohne Polizeieingriffe) und auch 2015 (Autonomiewahlen wurden zum inoffiziellen Referendum verklärt) immer nur ca. 39% erreicht . Gemäß EIGENER Umfragen der Regionalregierung sind nur ca. 41% für eine Abspaltung (Quelle : elperiodico.com/ encuesta-independencia-cataluna-ceo-julio-2017-6181839 )

    Vor dem 1. Oktober bot man der Zentralregierung als Dialog an : Referendum oder Referendum, jetzt nur noch: paktierte Unabhängigkeit oder einseitige Unabhängigkeitserklärung mit Gewalt auf den Straßen !!! Nur ca. 2 Millionen sind für Abspaltung. bin kein Fan der Zentralregierung, aber wie soll man da verhandeln ?

    Das Motto der Separatisten LOVE DEMOCRACY ist nur Mittel zum Zweck damit eine separatistische Minderheit eine Region abspalten kann. Seitdem viele Firmen Katalonien verlassen und die Bevölkerung versteht, daß die Behauptung der Separatisten man bleibt in der EU Lüge ist, sinkt der Anteil noch weiter.

    • @gonzalez:

      Man merkt schon, dass du Deutsch-Spanier bist und KEIN nationalist...

       

      Wie weißt du denn dass die schweigende nicht nationalistische Mehrheit 59 % ist? Hast du sie gezählt? Vielleicht in einem Referendum?

       

      Tatsache: 74 von 135 Abgeordnete des Parlaments stehen für die Unabhängigkeit (die vertreten 48% der Bevölkerung). 55 sind dagegen (39% der Bevölkerung). Der Rest (Partei CSQP) ist gespalten und jedenfalls für Souveränität.

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    In der Tat ist hier ein Putsch passiert. Mögliche 30 Jahre Haft für Puigdemont. Gleichschaltung der Medien, Unterdrückung von Sprache. Es ist ein Schande, dass die EU sich nicht neutral für eine Lösung eingesetzt hat. Verfassungen entstehen aus dem Volkswillen und nicht ungekehrt. Wir stehen vor einem jahrenlangen Bürgerkrieg mitten in Europa und all das nur, weil ein gewisser Rajoy Demokratie nicht versteht.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @33293 (Profil gelöscht):

      Sie meinen sicher das gesunde Volksempfinden ...

    • @33293 (Profil gelöscht):

      Unterdrückung der Sprache??? Wo haben sie das her? Katalonien hat seine Sprachpolitik ungestört durchsetzen können und im Gegenteil keinen Unterricht auf Spanisch zugelassen, Spanisch auf Fremdsprache reduziert, was zumindest dämlich ist, da bilingual doch immer besser ist als nur eine Sprache zu können, noch dazu, da Spanisch eine Weltsprache ist, im Gegensatz zum Katalan. Wen es jemandem also um das Wohl der Kinder und deren Erziehung geht, und nicht um nationalistische Politik, dann wäre zweisprachige Erziehung (oder dreisprachig mit Englisch) auf jeden Fall interessanter. Im Übrigen müssen z.B. Beamtenanwärter für die Autonomie Katalonien ausreichende Katalanischkenntnisse nachweisen. Und ein langes etc.

      • @Ullke:

        Übrigens, zeige mir bitte ein einziges 10 jährige Kind aus Katalonien, das nicht bilingual ist.

        Passiert so was irgendwoanders in Europa? In Spanien bestimmt nicht.

        • @Kimx:

          Ich konnte mit zehn Kölsch und Hochdeutsch, kann aber nicht behaupten, das mich das nun zum Kosmopoliten prädestiniert hat...

    • @33293 (Profil gelöscht):

      Die Katalanen haben 1978 bei einer sehr hohen Beteiligung mit ganz überwiegender Mehrheit für eben diese Verfassung gestimmt. Insoweit habe Sie in diesem Fall sogar Recht, die Verfassung entsteht aus dem Volkswillen (anders als beispielsweise in Deutschland).

       

      Aus einer Verfassung ergibt sich dann im Weiteren in der Regel auch die Möglichkeit zur Änderung der Verfassung oder zur Durchführung und Reichweite von Plebisziten. Im Fall der spanischen Verfassung sind sogar die Voraussetzungen für den Notstand in der Verfassung geregelt. Ergo, alles wunderbar demokratisch.

  • Rajoy hat Puigdemont zwei mal Gelegenheit gegeben, die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen. Art 155 der spanischen Verfassung ist genau für den jetzt eingetretenen Fall vorgesehen. Der Notstand ist nicht von Madrid verursacht. Die Maßnahmen insoweit mit höchsten Wahrscheinlickeit verfassungskonform. Immer sehr merkwürdig, wenn Menschen, die eine Verfassung missachten, sich auf eben jene berufen.

     

    Herrn Puigdemont entgleitet das Ganze ein wenig. Die Bezeichnung als "Putsch" (wie gesagt Art. 155 ist genau dafür vorgesehen) lässt vermuten, dass er in dem späteren Strafgerichtsverfahren auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren lassen wird.

  • Die Anwendung geltenden Rechts ist illegal? "Putsch" ist, wenn geltendes Recht mit Waffengewalt ausgesetzt wird, Herr Wandler! Die Unabhängigkeitsbestrbeungen der derzeitigen katalanischen Regionalregierungen wurden im letzten Referendum, das legal abgehalten wurde, eindeutig abgelehnt. Jetzt haben die Katalanen die Möglichkeit, eine nuees Parlament zu wählen. Das nennt man Demokratie. Was Puigdemont macht, nennt man "politischer Amoklauf".

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Perdita Durango:

      Nicht umbedingt Dilma Russef wurde durch einen Verfassungstrick aus dem Amt geputscht. Es ist also nicht in Stein gemeisselt, dass ein Putsch unbedingt mit Waffengewalt durch eine Militärjunta ausgeführt werden muss.

      Zur Erinnerung: Die verschiedenen Unabhängigkeitsparteien haben 2105 bei den Autonomiewahlen 48% der Stimmen erhalten, um regieren zu können - die einzige offizielle Zahl, die uns Auskunft über die Stärke der Unabhängigkeitsbefürworter gibt-, wie viel hatte die GroKo bekommen? Rajoy hat 33.01% der Stimmen bei den Nachwahlen im Juni 2016 bekommen und regiert mit einem Miderheitskabinett. Und das gibt ihm also die demokratische Legitimierung, eine demokratisch gewählte Autonomieregierung abzusetzen, die öffentlichen Medien gleichzuschalten, einen quasi Besatzungsstatus einzuführen und Neuwahlen zu veranstalten bei denen die Unabhängigkeitsbefürworter nicht mehr antreten dürfen? Wenn das mal kein Putsch ist...

    • @Perdita Durango:

      Es gab kein legales Referendum. Jetzt nicht und vorher auch nicht. Und für eine Unabhängigkeiterklärung oder ähnlich wichtige Entscheidungen braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, und die haben die Separatisten nicht. Vielleicht schaffen sie das bei Neuwahlen, dank der unfähigen Politik der PP-Regierung in den letzten Jahren. Im Moment ist die Lage vollkommen verfahren und schwierig zu lösen. Die realitätsferne Rebellionsromantik vorallem der ausländischen Medien, ist wahrscheinlich auf mangelhafte journalistische Arbeit zurückzuführen . Immer wieder vergisst man, zum Beispiel, um was für Akteure es sich bei den Separatisten genau handelt.

      • @Ullke:

        2/3 Mehrheit benötigt? Nicht für Quebec, nicht für Schottland, nicht für Brexit, nicht für Nato...

        Warum für Katalonien?

    • 3G
      33293 (Profil gelöscht)
      @Perdita Durango:

      ---- sie sollten sich mal mit der Historie Katalaniens beschäften, erst bilden dann urteilen.

      • 8G
        82741 (Profil gelöscht)
        @33293 (Profil gelöscht):

        Die Historie Kataloniens (mit o, wenn Sie schon "erst bilden" rufen) überschreibt also geltendes Recht? Interessanter Ansatz für die Begründung, das Recht dann zu brechen.

    • @Perdita Durango:

      Schön und gut, aber wer sorgt für freie Wahlen? Schon das Referendum wurde mittels Gewalt aus Madrid behindert. Einzig um der geringen Beteiligung wegen dieses als irrelevant in die Ecke zu stellen. Was sagt man dazu - Nachtigall ick hör dir trapsen!

  • Danke für die klaren Worte, Herr Wandler.

    Bleibt noch zu ergänzen, daß sich kurz nach Rajoys Erklärung die EU-Granden Juncker, Tusk und Tajani ihre Nasen ausgiebig am A%$#h von König Felipe gerieben haben.

    (http://orf.at/stories/2411799/2411800/)

    • 8G
      82741 (Profil gelöscht)
      @jhwh:

      Welch gepflegte Ausdrucksweise ...

      • @82741 (Profil gelöscht):

        Schön, daß das jemand würdigt. Was tatsächlich in Oviedo passierte (s. Link), war einfach zu obszön.