Kommentar Probleme der Linkspartei: Das Flüchtlingsdilemma der Linken
Die Grünen werden rechter, die SPD wird kleiner. Die Linkspartei müsste jetzt richtig durchstarten. Wäre da nicht eine ungeklärte Frage.
Die Lage für die Linkspartei war nie besser. Die Grünen rücken in die Mitte und koalieren, wo es geht, mit der CDU. Die SPD schrumpft in jeder Umfrage ein bisschen weiter. Viel Raum links von der Mitte, Raum für Ideen von Solidarität und Internationalismus.
Dumm nur – die Linke kann diesen Platz nicht nutzen. Sie wirkt zerstritten und diskutiert in einer Endlosschleife das Thema Flüchtlinge. So der Anschein.
In Wahrheit hat die Partei eine klare Position, ihre Wahlkämpfer mussten sich für diese ja auch bespucken und beschimpfen lassen: Es gibt einstimmige Beschlüsse des Parteivorstands – offene Grenzen für alle, Asylrecht ohne Wenn und Aber –, die auch in der Bundestagsfraktion eine Mehrheit haben. Allein die eigene Fraktionsvorsitzende und ihr Mann stellen diese Prinzipien immer wieder infrage.
Warum sie das darf? Zum einen weil das talkshowkompatible Spitzenpersonal der Linken recht übersichtlich ist. Schwerer wiegt, dass die Partei derzeit selbst keine schlüssigen Antworten hat, wie sie die Wähler, die bei den Landtagswahlen von der Linken zur AfD wechselten, zurückholen oder ersetzen kann.
Jahrzehntelang war die Linke die Protestpartei. Sie mobilisierte mit dem Versprechen: Wenn ihr die da oben ärgern wollt, müsst ihr uns wählen. Doch den Protestwimpel mopste ihr die AfD. Um diese Wähler zurückzuholen, müsste die Linke eine Wende in der Flüchtlingsfrage machen und wäre moralisch am Ende.
Für wen will die Linke Politik machen?
Also bleibt ihr nur, standhaft auf Solidarität zu setzen. Und weiter Wähler zu verlieren. Sachsen-Anhalt, wo die einst stolze Linkspartei die Oppositionsführerschaft an die AfD abgeben muss, ist ein Menetekel für die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern im Herbst und die Bundestagswahl im nächsten Jahr.
Die existenzielle Frage ist, für wen die Linke eigentlich Politik machen will? Thematisiert sie vor allem soziale Fragen und wendet sich an Arbeiter, Arme und Abgehängte? Ausgerechnet die verschreckt die Linke aber mit der Forderung nach unbegrenzter Aufnahme von Flüchtlingen. Oder versucht sie neue Wählerschichten, wie etwa das akademische Proletariat, zu erschließen?
Welchen Weg die Partei auch wählt, sicher ist: Markige Slogans à la „Wir müssen einfach den Reichtum gerecht umverteilen, dann wird alles gut“ nimmt ihr auf Dauer keiner ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht