piwik no script img

Kommentar Obamas Klimaplan6 1/2 wertvolle Jahre verschenkt

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Im Vergleich zu anderen Industrieländern sind die USA mit ihrem Klimaplan reichlich spät dran. Und zögerlich sind die Veränderungen auch.

Nicht besonders klimafreundlich: Kraftwerk Ravenswood in Long Island City, New York Foto: dpa

B ei der Klimapolitik haben die USA den Rest des Planeten lange leiden lassen. Sie jagten – zunächst auf einsamer Flur, dann auf dem zweiten Rang hinter China – die größte Menge Treibhausgase in die Atmosphäre. Sie haben das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert.

Ihr Senat hat das Inkrafttreten eines Cap-and-Trade Gesetzes über Schadstoffemissionshandel verhindert. Sie sorgten für die große Enttäuschung beim Kopenhagener Gipfel von 2009. Und sie leisten sich Spitzenpolitiker, die auch im Jahr 2015 – mit Schneebällen und Bibeln in der Hand – bestreiten, dass es überhaupt so etwas wie menschengemachte Klimaveränderung gibt.

Der jetzt vorgelegte „Klimaplan“ von Präsident Barack Obama und der Chefin seiner Umweltbehörde EPA, Gina McCarthy, ist aus dem Zeug gemacht, das nötig ist, den Trend umzukehren. Erstmals in der Geschichte reduziert Washington die CO2-Abgaben von Kraftwerken – sie sollen bis ins Jahr 2030 um 32 Prozent (im Verhältnis zu 2005) gesenkt werden. Dazu vergrößert der US-Präsident den Anteil der erneuerbaren Energien auf 28 Prozent (von 22 Prozent in 2005). Und senkt er den Anteil der Kohle bei der Energieerzeugung auf 27 Prozent (von 31 in 2005).

Im Vergleich zu anderen Industrieländern sind das allesamt zögerliche, späte und kleine Schritte. Zudem hat der Klimaplan den Nachteil, dass er an dem selben alten Mix aus Erneuerbaren Energien, Erdöl-, Gas-, Kohle- und Atomenergie festhält. Und er könnte zu perversen Nebeneffekten führen, wie der Intensivierung des Kohleexports auf den asiatischen Markt, oder dem Nachdenken über den Ausbau des AKW-Parks in den USA.

Dennoch ist der Klimaplan ein gewaltiger Fortschritt. Er öffnet die Tür für neue internationale Entwicklungen. Beim Klimagipfel in Paris wird Präsident Obama nicht mit leeren Händen erscheinen. Er kann die Verhandlungen erleichtern. Und er kann anderen Klimasündern – von China über Indien bis nach Brasilien – Auswege weisen.

Ideologischer Grabenkrieg

In den USA wird trotzdem ein neuer ideologischer Grabenkrieg losbrechen. Die Klimaleugner werden den US-Präsidenten mit den üblichen Spitznamen – wie „Job-Killer“ und „Wirtschafts-Feind“ – betiteln. Sie werden die Klimapolitik in die Bundesstaaten und in die Gerichte tragen. Und sie werden versuchen, im Präsidentschaftswahlkampf damit zu trumpfen.

Doch den lähmenden Widerstand des Kongresses hat Obama dadurch umgangen, dass er seinen Klimaplan per präsidentieller Durchführungsverordnung einführt. So lange dieses Vorgehen nicht gerichtlich gestoppt wird, gilt es – zumindest bis zum Ende seiner Amtszeit.

Der Klimaplan macht die USA von einem Teil des Problems zu einem Teil der Lösung. Unterstützung dafür wird Obama nicht nur im Rest der Welt, sondern auch zu Hause finden: Bei jenen US-Amerikanern, die ihn unter anderem deswegen zwei Mal gewählt haben, weil er eine andere Umwelt- und Klimapolitik versprochen hat. Bei jenen Energieerzeugern, die bereits in den vergangenen Jahren – ohne Klimaplan – von Kohle- zu Gaskraftwerken gewechselt sind.

Nicht unbedingt aus klimapolitischen Erwägungen, sondern weil die Gaspreise durch Fracking günstig geworden sind. Und bei jenen großen Konzernen aus anderen Bereichen, die wissen, dass die USA ihren Platz im internationalen Wettbewerb nur verteidigen können, wenn sie verstärkt in neue Technologien investieren.

Umso bedauerlicher ist es, dass der US-Präsident sich erst in der Schlussphase seiner Amtszeit ernsthaft an die Klimapolitik heranwagt. Darüber sind 6,5 wertvolle Jahre verstrichen, während derer sich die Lage des Planeten kontinuierlich verschlechtert hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Hatten wir doch alles schon mal. War gegen Ende der Präsidentschaft von Clinton. Und wie beim letzten Mal passiert in den nächsten Jahren folgendes: Republikaner gewinnen Wahlen, werden alles auf den Müll, was Obama angerührt hat. Und täglich grüßt das Murmeltier.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Nee, nee, nee. Cassandra callin?

     

    Letztlich reduziert sich alles auf eine einzige Frage: gibt es noch Menschen, Institutionen, Regierungen, die bereit sind, etwas gegen die Folgen des Klimawandels zu tun?

     

    Ob einflussreiche Unternehmen dagegen sind, kann hier nicht das Thema sein. Sollen die doch ihren Murks selbst vortragen! Und dann die verdiente verbale Breitseite erhalten!

  • Der Klimawandel wird die Menschheit voll erwischen.Für ein Umsteuern ist es längst zu spät.Und selbst wenn es das nicht wäre,es finden sich immer noch so viele Klimawandelleugner+Lobbyisten,dass ein wirksames Gegensteuern so lange verzögert werden würde,bis nichts mehr geht.Der Wunsch der Ölmultis,dass die Menschheit sich gefälligst den Veränderungen anpassen muss,anstatt gegenzusteuern,wird sich also erfüllen und sie können sich weiter die Taschen voll machen.

  • Die 6,5 Jahre sind nicht untätig verstrichen. Vielmehr wurde die Stromerzeugung umfangreich auf Gas als Rohstoff umgestellt. Alleine damit wurden weit höhere CO2-Einspareffekte erzielt als in Deutschland in diesem Zeitraum.

    Dass das Fracking Nebenwirkung dieser Strategie ist, bleibt unschön, kann aber per Federstrich durch Rückgriff auf andere Quellen in den Folgen gemildert werden.

    Vor allem wurden aber tatsächlich Strukturen der verändert, die nun mit 30% Erdgasanteil an der Stromerzeugung insgesamt die Energiewende (zu Wind und Solar) in den USA unterstützen. In Deutschland ist so ziemlich jedes Kohlekraftwerk noch am Netz. Die flexiblen Gaskraftwerke führen dagegen hier ein Nischendasein.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Besser spät als nie!!!

     

    Natürlich kann auch hier wieder festgestellt werden, dass das sprichwörtliche Glas halb leer ist. Muss aber nicht. Genauso ist es möglich, zu sehen, dass das Glas halb voll ist.

     

    Auf gut deutsch: freuen wir uns darüber, wenn diesen Worten auch die angekündigten Taten folgen. Und hoffen wir, dass dadurch die Folgen der Erderwärmung abgemildert werden. Mehr ist ohnehin nicht mehr drin.

  • „ … Im Vergleich zu anderen Industrieländern sind das allesamt zögerliche, späte und kleine Schritte …“

     

    In der Tat: Auch wenn Obamas „Clean Power Plans“ eine lobenswerte Abkehr von der bisherigen US-Klimapolitik sind: Anderswo (z.B. in D.) ist man schon deutlich weiter.

    Außerdem steht das alles unter dem Vorbehalt, dass nicht die nächste Regierung von den Republikanern gestellt wird.

     

    Mir erschließt sich nicht, wie Oliver Krischer (stellv. Grünen-Fraktionsvorsitzender) auf die abenteuerliche Idee kommt: „Obama fängt an, Europa und Deutschland zu überholen“!

    Naja, als Opposition muss man halt gegen die Regierung motzen. Aber dann wenigstens mit ein klein wenig Substanz!

  • Dass die letzten "6,5 wertvolle Jahre" verstrichen sind, ohne das sich viel verbessert hätte an der Lage des Planeten, ist nicht nur Schuld der USA.

     

    Die USA waren lange auch moralisch eine Führungsmacht. DER Westen hat sich ihnen, getrieben vom Wunsch nach Führung und Verantwortungs-Abgabe, jahrzehntelang beinah kritiklos angeschlossen und sie mit seiner Möchtegern-Gefolgschaft immer weiter vor sich hergetrieben auf einem ziemlich abschüssigen Weg. Inzwischen haben einige weniger Blinde erkannt, wohin die allgemeine Vertrauensseligkeit führen wird. Man bemüht sich redlich, den schwerfälligen Flugzeugträger namens Westen, der eigentlich für den Kampf gegen einen ganz anderen Feind gebaut worden ist, umzusteuern. Wer bisher Erster war, gehört nun zu den Letzten. Das ist jedoch kein Grund, ihm mit Verachtung zu begegnen. Im Gegenteil.

     

    Die Regierungen Deutschlands und der übrigen westlichen Staaten sollten sich endlich wie Erwachsene verhalten. Sie sollten Obama unterstützen. Nicht bloß moralisch, sondern handfest ökonomisch und politisch. Das wird vermutlich schwer genug. Man hat ja schließlich gewisse Strukturen wachsen lassen in den vergangenen Jahrzehnten. Es ist jedoch ein Kinderspiel verglichen mit dem, was die USA werden leisten müssen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

     

    Das Gute an den im Vergleich zu anderen Industrieländern eher "zögerlich[]", "spät[]" und "klein[]" wirkenden Schritten der Amerikaner ist ja immerhin, dass es erkennbar Schritte in die richtige Richtung sind. Für alle, die sich immer noch ganz gerne führen lassen wollen von einer Supermacht, die punktuell keine mehr ist, die ökonomisch aber immer noch durchaus etwas zu sagen hat, ist das entscheidend, nehme ich mal an. Die Deutschen, eitel wie sie nun mal sind, könnte das selbst höchstwahrscheinlich gar nicht selber leisten.

  • Ein Schritt in die richtige Richtung. Kommt aber a) viel zu später und b) ist der Widerstand ja bereits jetzt schon gewaltig. Obamas Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Es braucht nur einen neuen Präsidenten und die Gesetze werden gekippt. Das muss man leider pessimistisch sehen.