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Kommentar Nordkoreas AtomtestIn nuklearer Geiselhaft

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Der Atomtest in Nordkorea zeigt: Das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges scheint ein Nuklearschlag realistisch. Die Welt ist dem ausgeliefert.

Freitag, auf dem Bahnhof von Südkoreas Hauptstadt Seoul: Ein Reisender verfolgt die Berichterstattung über den jüngsten Atombombentest des nördlichen Nachbarn Foto: ap

N ordkoreas inzwischen fünfter Atomtest zeigt vor allem eins: Technisch steht das Regime in Pjöngjang kurz vor seinem Durchbruch. Der inzwischen zweite Atomtest in diesem Jahr beweist, dass das weitgehend isolierte Land in der Lage ist, Atomsprengköpfe in Serie herzustellen.

Und auch in der Raketentechnologie hat Nordkorea trotz aller Sanktionen enorme Fortschritte gemacht. Die Anfang der Woche abgeschossenen Mittelstreckenraketen landeten zwar allesamt im Meer, doch erst nach 1.000 Kilometern. US-Territorium ist damit in Reichweite. Es dürfte sich nur noch um Monate handeln, bis es Nordkorea endgültig geschafft hat, diese Mittelstreckenraketen atomar zu bestücken und sie dann auch anzuwenden. So bitter diese Niederlage klingt: Spätestens dann befindet sich die Welt endgültig in nuklearer Geiselhaft des nordkoreanischen Regimes.

Keine Frage, Südkorea, Japan, die USA und auch die meisten anderen Staaten der Weltgemeinschaft haben diese Bedrohung unmittelbar kommen sehen. Und auch Russland hat sich in den letzten Jahren den UN-Sanktionen meist vorbehaltlos angeschlossen. Es ist vor allem der chinesischen Führung anzulasten, dass sie aus Angst vor einem noch größeren Einfluss der USA in der Region Nordkoreas nukleare Aufrüstung nicht gestoppt hat.

Nun ist es zu spät. Und auch wenn ein nuklearer Erstschlag des Regimes in Pjöngjang einem Selbstmordkommando gleichkommt, weil der nicht weniger gerüstete Süden der Halbinsel sofort zum Gegenschlag ausholen würde, ist die Welt der neuen Nuklearmacht dennoch ausgeliefert. Ein Sturz des brutalen Diktators von außen ist nun nicht mehr möglich. Das erste Mal seit dem Ende des Kalten Krieges ist ein Nuklearschlag wieder sehr realistisch. Und China ist schuld.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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21 Kommentare

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  • Wenn das nicht mal noch einen Schub für die Falken in Washington und für Trumps Wahlkampf gibt ... ?

    • @Nikolaj Nikitin:

      Klingt leicht widersprüchlich für mich.

      Der Begriff "Falke" bezeichnet ja Anhänger bzw. Lobbyisten einer aggressiven Außenpolitik.

      Die findet man derzeit bei Clinton, nicht bei Trump.

      http://www.huffingtonpost.de/2016/05/31/nordkorea-trump-clinton_n_10221742.html

       

      Und:

      " Er könne sich durchaus vorstellen, mit ihm (dem nordkoreanischen Präs.) zu verhandeln, so Trump damals.

      Hillary Clinton dagegen kündigte an, sie werde als Präsidentin den Druck auf Nordkoreas einzigen Verbündeten China erhöhen. Und zwar durch Aufrüstung der Verbündeten Südkorea und Japan: "Wir werden unsere Freunde und Alliierte nicht unbeschützt lassen. Wir werden dort das effektivste Raketenabwehrsystem stationieren." China werde darüber nicht glücklich sein, so Clinton. "Und so haben wir durchaus viele Möglichkeiten, Druck auf China auszuüben."" http://www.tagesschau.de/ausland/nordkorea-atomwaffentest-107.html

  • Lügenpresse! Dickerchen hat lediglich mal wieder einen neuen Rekordversuch im Stabhochsprung unternommen!

     

    Guckt ihr hier: http://www.der-postillon.com/2016/01/erschutterung-in-nordkorea-laut-cia-nur.html

  • Nordkorea hat lediglich klar gemacht, das es nicht so hilflos ist wie der Irak. Eine gute Strategie für kleine Länder. Jahrelang hatten sich Nord- und Südkorea aneinander angenähert, Besuche erlaubt und sogar eine gemeinsame Wirtschaftszone eingerichtet. Und dann werden sie von Bush ohne aktuellen Grund den terroristischen Staaten zugeordnet. Afghankstan und Irak gab Nordkoera daan wohl zu denken.

  • Ganz unverhofft an einem Hügel.....

     

    Oder so: https://www.youtube.com/watch?v=i6VaOpvIhVQ

  • "Ein Sturz des brutalen Diktators von außen ist nun nicht mehr möglich. ... Und China ist schuld."

     

    China hat also nach Ansicht des Autors einen weiteren US-Krieg verhindert.

     

    Die Denkweise des Autors muss doch Staaten dazu bewegen, Atomwaffen zu entwickeln, da nur so ein Angriff ausgeschlossen werden kann.

    Vielleicht den Text noch auf farsi veröffentlichen?

    Im Ernst: Würden Politik und Medien weltweit Angriffskriege mit dem Ziel, eine neue Regierung in einem Land einzusetzen, nicht als geradezu normale Vorgehensweise, ja als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln behandeln und darstellen, so wären die Anreize für viele Staaten weniger groß. Atomwaffen hätten schließlich Assad sein Land und Hussein und Ghaddafi ihr Leben gerettet.

    • @MontNimba:

      "Atomwaffen hätten schließlich Assad sein Land und Hussein und Ghaddafi ihr Leben gerettet."

       

      So pauschal würde ich das nicht sagen. Kleine Staaten können ohne fremde Hilfe nur eine sehr kleine Menge Atombomben einsatzfähig halten. Und selbst wenn sie Trägermittel größerer Reichweite entwickeln, ist ihre Chance, die USA zu treffen, extrem gering. Die USA können das kleine Land aber mit Leichtigkeit auslöschen. Bedingung ist nur, dass sich keine andere große Atommacht gestört fühlt.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ihren Punkt 2 im älteren Kommentar sehe ich jetzt gerade (wieder).

        Den Satz zu China hätte ich mir also sparen können :-)

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Die USA können ja theoretisch jedes Land der Welt auslöschen (inklusive Russland). Die Frage ist jeweils lediglich, was sie das kosten würde. Und Atomwaffen treiben diesen Preis nach oben. Je nach weltpolitischer Lage muss der kleine Staat auch nicht die USA treffen (können) - mit etwas "Glück" reichen enge Partner und abhängige Staaten (Irak-Israel; Lybien-z.B. Frankreich, NKorea-SKorea).

        China spielt der Test vermutlich sogar in die Karten, da ein durch amerikanisches Militär geschaffenes "Groß-Südkorea" mit gemeinsamer Grenze in Peking (also vermutlich US-Atomwaffen an der Grenze) noch unbeliebter sein dürfte als die derzeitige Nachbarschaft.

        • @MontNimba:

          "Die USA können ja theoretisch jedes Land der Welt auslöschen (inklusive Russland)."

           

          Das ist völlig richtig. Wobei Russland (noch) das einzige Land ist, dass auch die USA auslöschen kann.

           

          Was nukleare Einschläge bei Verbündeten angeht, so dürfe den Amerikanern die Opferzahl egal sein. Wichtige sind die weiteren Auswirkungen. Die Auswirkungen nuklearer Schläge lassen sich nicht begrenzen. Wenn z.B. Nordkorea nuklear ausradiert wird, sterben auch Millionen Chinesen. Und nicht wenige Russen. Darauf würde man in Peking und Moskau mit einer äquivalenten Anzahl toter Amerikaner antworten. Darin liegt der Grund für die relative Unantastbarkeit Kims. Ein Diktator, der weiter weg von anderen nuklearen Großmächten lebt, hätte diesen "Schutz" nicht.

  • 1. US Territorium ist weit mehr als 1000 Kilometer von Nordkorea entfernt. Oder haben die USA in letzter Zeit ein paar heimliche Eroberungen gemacht?

     

    2. Hat China durchaus Druck ausgeübt. Es hat Sanktionen nicht blockiert. Allerdings sind US Atomwaffen in Nordkorea für China auch nicht besser, als Kims Bomben, weshalb man in Peking das Land als Pufferzone erhalten will.

     

    3. Stärken die USA Kims innenpolitische Position, indem sie jedes Jahr in Südkorea Manöver abhalten, die einen Angriff auf Nordkorea beinhalten.

     

    4. Sind es am ehesten China und Russland, die es bei Bedarf schaffen könnten, im Nordkorea einen weniger nervösen Machthaber zu installieren.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Mit den Getreidelieferungen nach Nordkorea haben die USA Kim mindestens ebenso gestärkt. Leider sieht er so aus, als habe er das Meiste selbst gegessen.

    • 3G
      30404 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Fakten sind ja nicht so ihre Stärke. Für 1000 km brauchen Mittelstreckeraketen, die werden von NK fleissig getestet, nur wenige Minuten.

      • @30404 (Profil gelöscht):

        Im Artikel steht, dass die Rakete 1000 km weit geflogen ist. Mehr nicht. Und damit kommt man nun mal nicht von Nordkorea in die USA. Auch wenn Kims große Klappe von mehr phantasiert.

         

        Ich wüsste übrigens gern, was die einfachen Nordkoreaner zu diesem Säbelrasseln sagen. Schließlich wurden allein beim Ausradieren der Städte in Nordkorea ein paar Hunderttausend Menschen getötet. Die Älteren sollten sich noch an das Leid erinnern...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Vielleicht erinnern sie sich daran, wie sie von den USA schon einmal platt gemacht wurden.

          • @GarretJaxt:

            Besiegt wurden sie ja nicht. Nur in Trümmern gelegt.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Kein Land wurde jemals mit soviel Napalmbomben verwüstet. Auch die Gesamtzahl der von den Amerikanern auf Nordkorea abgeworfenen Bomben erreichte eine nie dagewesene Dimension in der Geschichte der Bombardierungen. Das Leid für die Zivilbevölkerung war ohne Beispiel.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Die älteren Amerikaner könnten sich aber auch noch an ihr eigenes Leid im Koreakrieg erinnern, und wählen trotzdem keinen Politiker ab der Nordkorea ununterbrochen mit Krieg droht. Und in Deutschland lassen wir ja auch einen Präsidenten gewähren der uns in jeder zweiten Rede anmahnt unseren Pazifismus endlich abzulegen und unser Militär endlich wieder zum "Verantwortung übernehmen" in die Welt zu schicken.

           

          Die Mehrheit der Menschen fällt beim Thema Außenpolitik halt in primitive Stammes-Muster zurück, bei denen die anderen im Zweifel immer die bösen sind, die man bedrohen muß weil sie ja eh nur die Sprache der Gewalt verstehen.

          • @ShieTar:

            "Die älteren Amerikaner könnten sich aber auch noch an ihr eigenes Leid im Koreakrieg erinnern..."

             

            Sie wollen doch das Einebnen der meisten Städte nicht mit ein paar schlechten Nachrichten aus einem Kolonialkrieg vergleichen?

             

            In den USA hat die Zivilbevölkerung nichts erleiden müssen.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Das war nur der Aufhänger für Shietars Argument, dass auch andere Staaten wenig für den Frieden tun. Daher die Schräge im Bild.

              Ihre beider Ansichten scheinen mir im Prinzip nicht weit auseinander zu liegen und Ihrer Antwort wird wohl niemand widersprechen.

              Grüße