Kommentar Montagsdemos: Wahn ist Programm

Die vermeintlich gesellschaftskritischen Montagsdemos sind nichts als Unfug. Ändern wird das simplifizierende Gerede der Protagonisten nichts.

Einer der Erleuchteten: Lars Märholz, Organisator der Berliner Montagsdemo. Bild: dpa

Nichts, aber auch gar nichts, ist von links an den Montagsdemos zu besetzen. Die Organisatoren haben zwar ihre Distanz zu rechter Ideologie beteuert. Von der Orchestrierung aller möglichen Verschwörungstheorien aber rücken sie nicht ab.

Das könnten sie auch gar nicht. Wer sich den am Montag wieder anstehenden „Friedensmahnwachen“ aussetzt, muss feststellen: Der Wahn ist dort nicht nur Subtext, sondern Programm.

Die sogenannte Gesellschaftskritik in den Reden und Blogs der Protagonisten ist ein einziges Geraune von Lügen und Verschleierungen des „Systems“; stets wird ein irgendwie hinter den Dingen stehendes Böses angedeutet – versteckt gehalten von „komplett gleichgeschalteten Medien“, die die Massen bis zur „Vollnarkose“ einlullen.

In diesem Denkgebäude bleiben dann nur noch die Montagsdemonstrationen und ihre Gurus zum „Wachrütteln“. Da wird dann die Auflösung von „Nato-Geheimarmeen“ verlangt; die „Bedrohung von Islamisten“ in Afrika als „erfunden“, die Demokratie als „Resterampe der Industrie“, der US-Geheimdienst als „NS-A beziehungsweise N-SA“ hingestellt.

Die da wöchentlich Versammelten fantasieren sich zur Gemeinschaft der Erleuchteten. Tatsächlich steckt in jeder Minute des von ihnen so gescholtenen öffentlich-rechtlichen Fernsehens mehr Wahrheit als in dem antiaufklärerischen Unfug, der auf ihren Demos zu hören ist.

In ihrer simplifizierenden Weltsicht sind Korruption und Verderbtheit finsterer Eliten das liebste Modell, sich sowohl die eigene Marginalisierung als auch die eigene Ohnmacht gegenüber Armut und Kriegen begreiflich zu machen. Aber den Fernseher abzustellen und sich dafür wüste Tiraden gegen Zinsen, die Rothschilds und die US-Zentralbank anzuhören, erklärt die Verhältnisse nicht – und ändert sie schon gar nicht.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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