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Kommentar Luftbrücke nach AleppoSteinmeiers Placebopolitik

Brot statt Waffen – wer möchte das nicht? Doch Steinmeiers Vorschlag einer Luftbrücke nach Aleppo war von Anfang an eine Luftnummer.

Tatkräftig und hemdsärmelig wirken Steinmeiers Worte – raus kommt dabei aber nichts Foto: reuters

Wenn wohlklingende diplomatische Vorschläge zum Erfolg führen würden, hätte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bereits den Friedensnobelpreis gewonnen. Der deutsche Chefdiplomat ist ein Meister der gefälligen Worte. So auch jetzt wieder: Er befürwortet eine Luftbrücke zur Versorgung der eingeschlossenen Zivilisten in Aleppo.

Ist das nicht wunderbar, wie der Außenminister sich um die Armen und Geschundenen des syrischen Bürgerkriegs kümmert? Tatkräftig und hemdsärmelig? Und dazu auch noch so humanitär und ganz ohne Waffengewalt, dass sich ja im Grunde nicht einmal die Linkspartei seinem Vorschlag verweigern kann? Brot statt Waffen – wer möchte das nicht.

Tatsächlich aber ist Steinmeiers Luftbrücken-Vorschlag von Anfang an eine Luftnummer gewesen. Denn für eine Versorgung von oben müsste die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad zustimmen. Damaskus aber setzt Hunger als Kriegswaffe ein. Dass das Regime den Vorschlag akzeptiert, liegt jenseits aller realistischen Annahmen.

Steinmeier konnte noch darauf hoffen, dass Russland den Verbündeten Assad unter Druck setzt, einer Luftbrücke zuzustimmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschehen würde, lag bei etwa 1:99. Inzwischen liegt sie wohl eher bei null, da die Gespräche in Jekaterinburg krachend gescheitert sind.

Eine regelmäßige Dosis Scheinvorschläge

Natürlich dürfte all das auch dem Auswärtigen Amt klar gewesen sein. Listig hieß es deshalb bei Steinmeier ja auch, man werde die Möglichkeit einer Luftbrücke für Aleppo „prüfen“. Und siehe da, diese Prüfung hat nun bedauerlicherweise ergeben, dass sie der Realität nicht standhielt.

Man könnte es auch Placebo-Außenpolitik nennen: Eine regelmäßige Dosis Scheinvorschläge sorgt dafür, dass man sich irgendwie besser fühlt in einer Welt mit sehr verworrenen Konflikten, die dazu noch für eine dramatische Fluchtbewegung sorgen.

Kontaktgruppen einzurichten, Appelle zu formulieren und Gipfel zu organisieren – all das macht natürlich einen besseren Eindruck, als untätig zu bleiben. Die grausame Wahrheit ist jedoch, dass wir bei manchen Konflikten nicht viel anderes tun können, als dem Leiden und Sterben zuzuschauen – jedenfalls dann nicht, wenn wir nicht aktiv in einen Krieg eintreten wollen. Auch wenn es kaum auszuhalten ist.

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17 Kommentare

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  • Die Nagelprobe für Außenminister Steimeiers Erwägung einer Luftbrücke über Aöeppo kommt erst jetzt, nachdem Russland einer 48 Stunden Waffenruhe um Aleppo wöchentlich zugestimmt hat, ob Steinmeier nun in Deutschland, im Deutschen Bundestag selber Verbündete für eine Luftbrücke über Aleppo findet und sei es mit einem miltärisch robusten Mandat Deutschlands neben anderen als Kriegspartei im Syrienkonflikt zum Schutz der Luftbrücke. Siehe dazu unten die BD Petition 64194:und https://twitter.com/joachim_petrick

    Unterstützt der außenpolitische Sprecher Omid Nouripour Bündis90/Die Grünen Außenminister Steinmeier Plan der Errichtung einer Luftbrücke über Aleppo? http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-778-78365--f458619.html#q458619

    https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2016/_02/_24/Petition_64194.html

    BD-64195 Petition "Luftbrücke für syrische Flüchtlinge"

  • Steinmeier verkauft seine Waehler fuer dumm. Er ist der hoechste Diplomat im Lande,er und seine Leute haben i/d Nato alles abgenickt,den UkrainePutsch,die Syrien+Lybienkriege,Sanktionen gegen Russland,die jetzige Aufruestung der Bundeswehr,das schicken von Bundeswehrtruppen a/d russ. Grenzen,extra Raketensysteme gerichtet gegen Russland.Er hat die Befehle aus USA ueber die Bundeskanzlerin/Bundesrat weitergeleitet wonach alles in groesster Ueberzeugung ausgefuehrt wurde.Durch die dominierende Position von Deutschland i/d EU werden andere EUlaender praktisch gezwungen diese Massnahmen zu uebernehmen.Wenn er jetzt von Kriegsgeheul von Anderen redet ist das eine Unverschaemtheit kaum zu ueberbieten. Ein Atomkrieg m Russland koennte grosse Teile Europas fuer tausende Jahre atomverstrahlen. Atomkrieg im Herzen Europas das alles kommt wenn man selber Kriege vorbereitet und Nato machen laesst i/d Laendern rundherum EU.

  • Tatsache ist doch, dass die Islamisten insbesondere durch deutsche Waffensysteme, die über Frankreich, Katar, Libyen und auch über den Irak nach Syrien gelangten, im Bodenkampf überlegen wurden. Die SPD Steinmeiers hat an all diesen Waffendeals tüchtig mitgewirkt und sein Vermittlergetue jetzt ist deshalb auch nur peinlich und scheinheilig.

    http://www.fr-online.de/syrien/syrien-krieg-deutsche-waffen-toeten-in-syrien,24136514,25967910.html

  • „Die grausame Wahrheit ist jedoch, dass wir bei manchen Konflikten nicht viel anderes tun können, als dem Leiden und Sterben zuzuschauen?“

    Also das kann doch nicht Ihr ernst sein. Wurde der Artikel von der Rüstungsindustrie gesponsert?

    Krieg kostet Geld, für Krieg braucht man Waffen – kein Geld, keine Waffen, kein Krieg! Glauben Sie, die bewerfen sich mit Kokosnüssen?

    Dort liegt das Problem. Würden die radikalen Islamisten in Aleppo nicht von der Türkei, Saudi-Arabien, Katar, den USA und vielleicht aus der EU unterstützt, wäre der Krieg in einigen Wochen beendet. Aber wenn Deutschland Angst hat, sich mit seinen „Partnern“ anzulegen, Druck auf die Terrorsponsoren auszuüben, dann wird das nichts.

    Nun, der Emir von Katar ist Aktionär bei VW, der Deutschen Bank, … und die Deutsche Bahn baut das Schienennetz in Saudi-Arabien aus. Da muss man Prioritäten setzen? Auch die Türkei hat erheblichen Einfluss in Deutschland. Die Prioritäten sind eher so, dass man diesen Staaten die Stange hält und wegschaut, wenn die Terroristen in Syrien unterstützen. Auch die Tatsache, dass Deutschland eine nicht legitimierte syrische Exilregierung anerkannt hat und unterstützt, trägt nicht gerade zum Friedensprozess in Syrien bei. Sie Sanktionen der EU treffen dazu noch in erster Linie die Zivilbevölkerung.

    Was haben sie in Syrien vor? Die Baath-Partei von der Macht verdrängen. Hinter Assad steht ein großer Teil der Bevölkerung! Statt Baath-Partei, radikale Islamisten in Syrien, die sich gegenseitig bekriegen? Manchmal kann man nur glauben, dass es vollkommen Dilettanten sind, die ihren Senf zu Syrien abgeben!

    • @Medienkritiker:

      "Die bewerfen sich mit Kokosnüssen"???

      Ihr Wissen um den arabischen Raum ist ja profund. Die ganzen Dilettanten schweigen in Ehrfurcht.

  • Was für ein Drama – die geringsten menschlichen Gesten werden in aller Öffentlichkeit abgelehnt – alle schauen zu – und nirgendwo ein Aufschrei der Völker. So weit sind wir gekommen, dass wir das alles nur noch ohnmächtig hinnehmen. Der Zynismus ist nicht mehr zu übertreffen! Wer behauptet, dass wir nichts anderes tun können, als zuzuschauen, der soll bitte zuerst nachdenken, bevor er so was sagt! Und ich gebe keine Nachhilfe darin, was wir tun könnten! Aber wir könnten sehr viel tun!

    • @Georg Marder:

      Dann bitte Ihre Vorschläge. Was könnten wir tun? Aber bitte nur realistische Vorschläge.

    • @Georg Marder:

      Gut gebrüllt Löwe. Was soll die dumme Masse auch mit Ihren wertvollen Einsichten anfangen.

  • Seit das Primat der Politik durch das Primat der Steinmeiers, Merkels, Seehofers, Gabriels usw. abgelöst worden ist, fragen wir uns, wozu wir Politik noch brauchen. Mir das Brot und den Gipfel, euch das Placebo und den Krieg reichen jedenfalls nicht.

  • Was für ein Gebilde:

    "Wir nicht viel anderes tun können, als dem Leiden und Sterben zuzuschauen – jedenfalls dann nicht, wenn wir nicht aktiv in einen Krieg eintreten wollen."

     

    Wie soll das verstanden werden? Etwa, dass also auch "wir" am "Leiden und Sterben" teilnehmen sollen?- Für den Fall kann ich nur sagen: der Irrsinn eines wahnsinnig losgelassenen Journalismus wird mehr und mehr Methode.- Dann doch lieber ohne Netiquette für Frieden sein, als unter bigotter Wahrung irgendwelcher taz-Netiquette, Kriegsverschärfungen herbei schreiben.

  • "Die grausame Wahrheit ist jedoch, dass wir bei manchen Konflikten nicht viel anderes tun können, als dem Leiden und Sterben zuzuschauen – jedenfalls dann nicht, wenn wir nicht aktiv in einen Krieg eintreten wollen. Auch wenn es kaum auszuhalten ist." - Liebe Frau Mertens, was würde besser werden, wenn die Bundeswehr nach Syrien geschickt würde?

    • @Albrecht Pohlmann:

      Auf eine andere Weise sind "wir" doch längst in den Krieg eingetreten, bzw. waren ursächlich verantwortlich für den Krieg:

      Als ein Land, das zuvor dem Regierungschef Assad gehuldigt hat und seine im Gegensatz zu anderen Despoten der Region fortschrittliche und weitgehend säkulare Politik gelobt hat, dann aber plötzlich eine 180°-Kehrtwende vollzog und islamistische Terroristen ("Rebellen", "Opposition") mit Waffen und Logistik unterstützte, um nach bewährter Methode den Regime Change herbeizuführen.

      Mit OTPOR/CANVAS hat das woanders meist besser geklappt, aber die sind ja leider gewaltlos, da verdienen die Waffenproduzenten und später die humanitären Hilfsorganisationen der westlichen Wertegemeinschaft nichts dran.

  • Ja ja... Herrn Steinmeiers akademisch/theoretische(naive), Interpretation der Kriegssituation versus die harte Realität des Krieges... Die modern/säkulären Mächte des Assad und Russlands gegen den religiös fanatischen Dogmatismus des IS.. ein menschliches Disaster im Namen religiöser Verblendung ... Scheisse ist das!

  • Naja, die Position der Russen und syrischen Regierung ist wohl, dass die Zivilisten die Stadt ja in den Korridoren während der drei Stunden verlassen könnten. Höchstwahrscheinlich wird ihnen das aber von den (islamischen) Rebellen nicht erlaubt. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Steinmeier mal an al-Nusra appelliert, die Zivilisten gehen zu lassen...

  • Machen kann man schon etwas. Hören Sie doch auf den Bischof von Aleppo: (muenchner-kirchennachrichten.de - 08.06.) Syrischer Bischof verlangt Ende der EU-Sanktionen

    Bischof Georges Abou Khazen, Apostolischer Vikar von Aleppo, hat seinen Sitz in einer geteilten und zerstörten Stadt. Dort harrt er mit den Menschen aus. Für ihr Elend macht er auch den Westen verantwortlich.

    München – Der Apostolische Vikar von Aleppo, Bischof Georges Abou Khazen, hat sich erneut eindringlich für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Syrien ausgesprochen. Sie träfen nicht das Regime oder die Oberschicht, sondern "die vom Krieg gebeutelten Menschen, die dadurch noch mehr hungern und leiden müssen", erklärte der Bischof nach Angaben des internationalen katholischen Hilfswerks missio München vom Dienstag. Es fehlten Nahrungsmittel, Medizin sowie Ersatzteile für Strom- und Wasserwerke. ... Nach den Worten von Khazen könnten innere und äußere Faktoren zum Frieden in Syrien führen. "Die Kombination von Versöhnungsprogrammen im Land und Friedensgesprächen außerhalb Syriens kann erfolgreich sein", betonte der Franziskaner.

    • @Medienkritiker:

      Leute die an Geister und Wunder glauben sind nicht gerade die kompetentesten Ansprechpartner wenn es um Probleme der echten realen Welt geht.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Aha - und Sie meinen,:

    - das Assad darüber entscheidet und nicht Putin?

    - dasman einfach wegschauen soll und die Menschen sterben lassen?

     

    Ihr Beitrag is genauso zynisch wie die Russische Politik.