Kommentar Kampf gegen IS in Libyen: Zu lange weggeschaut
Europa hat den Islamisten in Libyen nur zugeschaut. Nun reicht es nicht mehr, nur zur Zurückhaltung aufzurufen. Es muss mehr tun.
I n dem vom Blut der Opfer rot gefärbten Mittelmeer richtet der maskierte IS-Kommandeur sein Messer gen Norden. „Wir werden bis nach Rom kommen“, verkündet er. Mit dem am Strand von Sirte professionell gedrehten Mord-Video hat der Islamische Staat (IS) seinen Machtanspruch in Afrikas ölreichstem Land deutlich gemacht – und die jahrelangen Beschwichtigungen von Diplomaten und Libyenexperten bloßgestellt.
Übersehen haben vor allem die Europäer den Willen ihrer Bündnispartner Katar und der weltweit verknüpften Szene des politischen Islam, den traditionelle toleranten, aber von den Diktaturen geschwächten Islam Nordafrikas durch ihre ultrakonservative Ideologien zu ersetzen.
Vor genau drei Jahren begann der Aufstand gegen Muammar al-Gaddafi. Bereits in seinen Gefängnissen bereiteten die Werber wahhabitischer und salafistischer Strömungen die nun Realität werdende neue Diktatur vor. Das von ihnen geschaffene Chaos wussten US-Geheimdienste für geheime Waffenlieferungen an syrische Rebellen zu nutzen, britische Diplomaten glaubten den Versprechen der Muslimbrüder und „Moderaten“, die Extremisten bald zu zähmen.
Das Gegenteil trat ein. Europa hat dieser stillen Übernahme Libyens nur zugeschaut, muss aber die Folgen tragen: Migration und Terrorismus. Europa darf sich jetzt nicht mit Mahnungen an Ägypten zur Zurückhaltung begnügen. Dafür ist es zu spät. Denn die pathetische Drohung am Strand von Sirte ist durchaus ernst gemeint. Europa muss dem saudischen und katarischen Export von Extremismus die rote Karte zeigen und den Zellen des IS in Libyen den Boden entziehen. Mit massiver Hilfe beim Aufbau von Polizei, Armee und politischem Dialog. Denn die Kommandos des IS benötigen wie die Flüchtlinge nur wenige Stunden über das Mittelmeer.
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