Kommentar Flüchtlinge in Budapest: Schickt Sonderzüge, jetzt!
In Budapest spielt sich eine humanitäre Krise ab. Jetzt geht es nicht mehr um Verteilungsfragen, sondern nur noch um Soforthilfe.
E in drastisches Bild: Ein paar Hundert Meter entfernt vom nächsten Burger King und einer klimatisierten Shoppingmall schläft ein kleines Mädchen aus Syrien mit nacktem Po auf dem blanken Steinboden vor dem Bahnhof in Budapest.
Deutschland hat den Eltern des Mädchens Hoffnungen gemacht, als das Bundesamt für Migration völlig zu Recht ankündigte, syrische Bürgerkriegsflüchtlinge vorerst nicht mehr in europäische Erstaufnahmeländer, etwa nach Ungarn, zurückzuschicken. Natürlich haben die Syrer dies als Einladung verstanden. In Ungarn gibt es für sie nichts zu holen. Nun muss Deutschland konsequent sein.
In Budapest spielt sich eine humanitäre Krise neuer Qualität ab. Es war deshalb richtig, dass Anfang der Woche in Budapest für einige Stunden die Züge fuhren und kurzzeitig das absurde Dublin-Abkommen außer Kraft gesetzt wurde, das die reichen Länder im Zentrum Europas von der Fluchtproblematik weitgehend fernhalten soll.
Dass die Grenzen für Fliehende so rasch wieder dichtgemacht wurden, wohl auch auf Druck aus Berlin, ist exakt die falsche Antwort. Ungarn ist weder willens noch in der Lage, die humanitäre Krise in seiner Hauptstadt zu bewältigen.
Viel zynischer geht es nicht: Weil die Ausreisewege am Bahnhof versperrt sind, werden die Menschen direkt in die Hände der Schlepper getrieben, deren Geschäft in Budapest floriert. Immer wieder ziehen Kleingruppen mit Schleppern, für jeden sichtbar, ab. Stunden später dann feiern sich Österreichs Behörden dafür, dass sie etwa 24 Flüchtlingen das Leben gerettet haben, die in einem verschweißten Schlepper-Lkw offenbar kurz vor dem Tod standen. Sie kamen aus Ungarn.
Es nützt nun kein Gerede mehr über abstrakte Verteilungsfragen, sondern nur noch humanitäre Soforthilfe. Die Bilder aus München zeigen, dass die Menschen in Deutschland bereit sind, sich dieser Aufgabe zu stellen. Es sind noch heute Sonderzüge nötig, die ohne Zwischenhalt aus Budapest nach Deutschland fahren und die die Menschen in eine Situation bringen, die ihrer würdig ist: menschenwürdig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was