Kommentar Finanzierung freier Schulen: Schluss mit dem Schnösel-Faktor
Der Anteil von Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen an Privatschulen ist gering. Verantwortlich dafür ist vor allem die Politik.
D ie Privatschulfreiheit ist im Grundgesetz verankert. Vielfalt im Bildungssystem ist erwünschter als ein staatliches Erziehungsmonopol. Dabei ist der Begriff „Privatschule“ eigentlich irreführend: Der Staat erstattet Schulen in privater Trägerschaft die Personalkosten, steuert also einen Großteil ihrer Budgets bei. Dafür verlangt er aber, dass der Besuch einer Privatschule nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängig sein darf.
Die meisten Privatschulen in Berlin und Hessen verstoßen gegen dieses „Sonderungsverbot“. Sie verlangen ein Schulgeld, das sich arme Eltern nicht leisten können, und werden so zu Inseln der Besserverdienenden.
Doch es ist zu einfach, anklagend mit dem Finger auf die Schulen zu zeigen. Zumal die meisten Privatschulen keine elitären Horte für wohlstandsverwöhnte Kinder sein wollen und sich dementsprechend lieber als Schulen in freier Trägerschaft bezeichnen. Klar ist aber: Die staatliche Förderung deckt nicht alle Kosten. Die entsprechenden Schulen sind auf Elternbeiträge und Spenden angewiesen.
Die Verantwortung dafür, dass der Anteil der Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen an den freien Schulen in der Praxis dann doch gering ist, trägt vor allem die Politik. Die meisten Bundesländer machen keine Vorschriften zur Ausgestaltung des grundgesetzlichen „Sonderungsverbots“, in dem sie etwa eine Obergrenze für die Höhe des Schulgeldes vorschreiben. Der Staat zahlt, egal wie elitär die Einrichtung ist.
Hier könnte man ansetzen. Wieso knüpfen die Schulministerien die Höhe der Zuwendungen nicht an Kriterien wie die Zahl der Schüler aus einkommensarmen Haushalten? Schulen mit hohem Schnösel-Faktor müssten Abstriche machen. Doch das wäre wiederum ein Anreiz für all jene Schulen, die derzeit eklatant gegen das Sonderungsverbot verstoßen, sich um benachteiligte Schüler zu bemühen. Dann würde sich auch in den Privatschulen die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin