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Kommentar Europas FlüchtlingspolitikMenschen sind stärker als Zäune

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Für viele Flüchtlinge geht es ums nackte Überleben. Sie haben alles verloren und lassen sich von keiner Schikane aufhalten.

Städte wie der „Jungle“ bei Calais sind beeindruckende Zeugnisse der schöpferischen Kraft von Menschen, die komplett auf sich allein gestellt sind. Foto: dpa

E uropas Flüchtlingskrise steht erst am Anfang. Je mehr in der arabischen Welt und in Afrika Diktatoren Krieg gegen das eigene Volk führen, Terrorgruppen die Gesellschaften zerstören und ganze Staaten untergehen, desto mehr Menschen bleibt keine Alternative zur Odyssee in die Fremde, in der verzweifelten Hoffnung, dass zumindest ihre Kinder überleben. Alle Überlegungen über gerechtere Lastenverteilung, bessere Kontrollen, schnellere Asylverfahren und einfachere Abschiebungen ändern daran nichts. Sie verschärfen höchstens das Problem.

Denn wenn es um das nackte Überleben geht, lassen sich Menschen, die ohnehin alles verloren haben, durch keine Schikane und keinen Schießbefehl mehr aufhalten. Das sollten alle deutschen Politiker bedenken, die meinen, man müsse nur die Regeln verschärfen und die Flüchtlinge würden sich dann, aus Einsicht in das Leid der deutschen Bevölkerung, doch mit dem mörderischen Bombenhagel von Aleppo oder dem eisigen Schlamm von Albanien zufriedengeben.

Am Rande von Calais in Frankreich bauen Flüchtlinge, denen der Weg zur Erfüllung ihres Lebensziels versperrt wird, inzwischen ganze Städte, die mehr an kongolesische Goldgräbersiedlungen erinnern als mit Ordnung eingerichtete europäische Turnhallen. Es sind beeindruckende Zeugnisse der schöpferischen Kraft von Menschen, die komplett auf sich allein gestellt sind.

Der angeblich so brüderliche französische Staat gewährt ihnen nicht einmal ausreichenden Zugang zu Trinkwasser, ihr Wunschzielland Großbritannien investiert mehr Geld in ihr gewaltsames Fernhalten als es für ihre Eingliederung ausgeben müsste. Das Ergebnis: Die Flüchtlinge stecken fest – und beweisen Erfindungsreichtum und Unternehmergeist.

Mehr Abschottung wird Schutzsuchende nur in die Illegalität treiben

Je mehr Hürden der legalen Flucht in den Weg gestellt werden, desto mehr illegale Wege werden die Flüchtlinge finden. Dann organisieren sie ihr Leben eben selbst. Deswegen wird Calais kein Einzelfall bleiben. Bald könnte es an jeder innereuropäischen Grenze so aussehen. Auch die deutsche Regierung kann natürlich Schutzsuchende einfach ignorieren, wenn sie nicht brav sind. Aber dann verrät sie ihre eigenen Werte. Einerseits machen Bürokraten Menschen das Leben schwer; andererseits bauen sich Flüchtling ein Leben auf – auf welcher Seite entsteht da eine menschenwürdige Zukunft?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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18 Kommentare

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  • Keine Mauer konnte, kann und wird je können Menschen aufhalten, die ihr Glauben an die Gerechtigkeit und ihre Hoffnung für die Freiheit nicht aufgeben!

  • Die Argumentation der Linken in der "Zaun-Frage" ist tatsächlich blödsinnig und widersprüchlich. Man ist vehement gegen Zäune, und zwar weil sie doch nichts bringen und sowieso jeder durch kommt. Wie absurd! Weil wenn angeblich eh jeder durchkommt, was soll dann die Aufregung über diese nutzlose Maßnahme, die nichts bringt?

     

    Richtig wäre es, ehrlich zu sein: Ja, Zäune sind effektiv und halten Flüchtlinge auf und genau deswegen sind wir dagegen!

    • @Herbert Tok:

      1. Zäune sollen Flüchtlingen ihr Asylrecht vorenthalten. Das ist die Absicht.

       

      2. Zäune werden überwunden, wenn den Leuten nichts anderes übrigbleibt.

       

      3. Die Überwindung von Zäunen durch Flüchtlinge wird entweder nicht gestoppt oder mit staatlicher Gewaltanwendung. Letzteres heißt in äußerster Konsequenz Schießbefehl. Das ist aber die falsche Entwicklung.

       

      4. Fazit: Egal, aus welcher Sicht man es betrachtet, sind Zäune ungeeignet, Probleme zu lösen und daher völlig sinnlos.

  • Was soll der Pathos?

    Was eigentlich wollen Sie sagen? Die Welt ist schlecht, das Individuum gut?

     

    Welcher deutsche Politiker spricht von Schießbefehl?

    Wie definieren Sie "gewaltsames Fernhalten"?

    Wie schätzen Sie den Erfolg des Zauns rund um Gaza ein?

    Wie den Zaun damals in Berlin?

     

    Und wie eigentlich stets um die Zäune in Ihrem Kopf, fragt echt besorgt ein geneigter Leser!

    • @Tom Farmer:

      der erfolg des zaunes um 'Asa ist so 'durchschlagend', dass wer kann flieht. entweder in den suizid (nimmt unter kindern+jugendlichen zu) oder aber übers mare nostrum.

      • @christine rölke-sommer:

        @Christine RS

        Zäune sind das Gift der Politiker und Grundlage für Kriege.

        Hier gibts nix zu verharmlosen...

        • @Tom Farmer:

          im übrigen wissen Sie so gut wie ich auch, dass der 'zaun' - hübsches wort für blockade zu land+wasser+luft - 'Asas insassinnen nicht davon abhält, dagegen anzukämpfen, mit allen mitteln.

        • @Tom Farmer:

          bitte?

          ich halte weder suizid noch flucht für harmlos.

    • @Tom Farmer:

      Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen zum Thema Flüchtlinge:

      " Die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit"

      • @Andreas J:

        @Anreas

        AFD ist ein Zeiterscheinug, deren Protagonisten sicher keine Politiker und liegen daher nicht in meinem Betrachtungswinkel.

        • @Tom Farmer:

          hmpf.

          ich brauche nicht irgendeinen pappnas von der AfD, um zu wissen, dass grenzsicherung auf schießbefehl und/oder selbstschußanlage und dergleichen hinausläuft - dazu reicht kenntnis der geschichte des nationalstaats im allgemeinen und kenntnis der geschichte des zauns USA ./. Mexiko (im 1! beispiel zu nennen) im besonderen völlig aus.

        • @Tom Farmer:

          Die AfD sollten sie aber durchaus in Ihren Betrachtungswinkel einbeziehen, wenn sie nicht die nostalgischen DDR-Verhältnisse wieder haben möchten.

        • @Tom Farmer:

          Sehr weit scheint ihr Betrachtungswinkel nicht zu sein.

  • Herr Johnson möchten sie einen "Unternehmergeist" beschwören?

    Ist das innovativ?

    Sie würden also richtig kapitalistisch tätig werden, wenn man ihnen nur einen Marshall-Plan geben würde?

    Soll also die Selektion vorangetrieben werden, damit die besten es schaffen?

    • @nzuli sana:

      Entschuldigung, aber sie schreiben Blödsinn. Wenn sie mal in Afrika gewesen währen, wüsten sie was gemeint ist. Es ist in der tat erstaunlich, was sich die Menschen dort in der Not einfallen lassen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

  • Zwei Fragen:

    1. Welche Möglichkeiten gibt es die Diktaturen zu verringern, zu stürzen oder nicht entstehen zu lassen?

     

    2. Wie sehen die Zusammenhänge aus zwischen Welthandel und verschärftem, gefördertem Wettbewerb und der Entstehung von Erpressungsnetzwerken, die z.B. befürchten, dass andere Konkurrenten ihre Gewinngarantien wegnehmen?

    Fördern die Institutionen des Weltmarktes die Entstehung von Diktaturen?

     

    3. Der Sturz Saddam Husseins war sehr notwendig und richtig. Wenn es aber der Bevölkerung nicht selbst gelingt, ist das leicht gekoppelt mit anderen Machtinteressen. Hier wäre ein anderes Vorgehen als 2003 wichtig gewesen als mit pompöser Selbstgerechtigkeit der Bushregierung.

     

    4. Und wenn auf den Despot aus einem "kleinen unbedeutenden Stamm" wieder ein anderer folgt, der sich seine Geheimdienstschergen aus unbedeutenden Clans sucht?

    Wenn es Putsch statt soziale Bewegungen gibt, und gar keinen Staat?

     

    5. Und eigentlich garantieren ja im Sinne der westlichen Sicherheitspolitik Staaten wie Ägypten die Repression, und die Verhinderung der Auswanderung. Das wird auch von Erdowahns Regime erwartet.

     

    6. Zuschauen bzw. wegschauen und ignorieren geht jedenfalls nicht.

  • "Je mehr Hürden der legalen Flucht in den Weg gestellt werden, desto mehr illegale Wege werden die Flüchtlinge finden. Dann organisieren sie ihr Leben eben selbst."

     

    Jepp. Und genau hier muß Solidarität erst richtig anfangen, denn letztlich leiden die Menschen überall nur unter den "Mächtigen". Die Bundesregierung macht sich mit ihrer Abschottungs- und Abschiebepolitik letztlich zum Komplizen der Warlords, Ausbeuter und Massenmörder, vor denen die Leute fliehen. Die Bundesregierung geht über Leichen und ist sich dessen - hoffentlich - auch bewußt.