Kommentar Ceta-Urteil: Jetzt wieder politisch diskutieren
Das Bundesverfassungsgericht hat eine einstweilige Verfügung gegen Ceta abgelehnt. Die eingebauten Sicherungen sind vor allem symbolisch.
D as Ceta-Urteil ist ein typisches Karlsruhe-Urteil: Die Regierung kann ihre Pläne im Prinzip weiterverfolgen, doch das Bundesverfassungsgericht baute einige Sicherungen ein. So nutzt das Urteil am Ende allen. Die Bundesregierung erhält mehr Akzeptanz für die Freihandelspolitik der EU, die ja nicht zuletzt der deutschen Wirtschaft nützt. Die Skeptiker dieser Politik wurden aber angehört, ernst genommen und ihre Befürchtungen von den Richtern aufgegriffen.
Dass Karlsruhe Ceta nicht schon vor der Unterzeichnung stoppt, war aber bereits seit Wochen abzusehen. Denn anders als zunächst geplant, wird Ceta von der EU jetzt als gemischtes Abkommen behandelt. Das heißt neben EU-Ministerrat und Europäischem Parlament müssen auch alle nationalen Parlamente zustimmen. Und bis dahin wird nur der unproblematischere Teil des Abkommen – ohne das umstrittene Investitionsgericht – vorläufig angewandt. Dass hier bis zur endgültigen Karlsruher Entscheidung unumkehrbare Nachteile entstehen, war nicht wirklich zu befürchten.
Die Diskussion um den unkontrollierten Gemeinsamen Ceta-Ausschuss wirkte da ziemlich aufgeblasen. Sie kam ja auch erst auf, als das Investitionsgericht, bei dem Investoren gegen Staaten klagen können, von der vorläufigen Anwendung ausgenommen wurde. Insofern haben auch die von Karlsruhe eingebauten Sicherungen gegen Alleingänge des Gemeinsamen Ausschusses eher symbolische Wirkung.
Die Debatte wird in nächster Zeit nun wieder mehr politisch als juristisch geführt. Und wenn es um die Ratifizierung des Abkommens durch Bundestag und Bundesrat geht, dann geht es um den vollen Inhalt des Abkommens, also auch um den Investitionsgerichtshof. Vermutlich wird der Gemeinsame Ceta-Ausschuss bald wieder zu einem Randthema werden.
Ceta-Kritiker haben recht viel erreicht
Dabei ist festzuhalten, dass die Ceta-Kritiker schon recht viel erreicht haben. Die privaten Schiedsgerichte wurden durch ein öffentliches Investitionsgericht ersetzt. In einer verbindlichen Zusatzerklärung zum Ceta-Vertrag geben die Vertragspartner allerlei Garantien, dass das Investitionsgericht sich auf Fälle von Willkür beschränkt und legitime Sozial- und Umweltregeln akzeptiert. Geht es jetzt nur noch um das Prinzip?
Natürlich braucht man in Deutschland kein Sonderrecht für Investoren. Aber wenn Ceta ein Modell-Abkommen sein soll, dann kann man schlecht Deutschland ausnehmen. Und schon die Entwicklung in vielen EU-Staaten Richtung Nationalismus, Protektionismus und gegen Rechtsstaatlichkeit zeigt, dass das bloße Vertrauen auf örtliche Gerichte oft keine gute Idee ist.
Aber die Diskussion um Ceta läuft ja nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen Europas. Wenn Ceta in jedem Mitgliedsstaat ratifiziert werden muss, dann kann Ceta auch in jedem Mitgliedsstaat zu Fall gebracht werden. Oder auch in Teilen von Mitgliedsstaaten, etwa in Wallonien, einem Gliedstaat Belgiens.
Wie das niederländische Referendum um das Assoziationsabkommen mit der Ukraine gezeigt hat, lassen sich solche Debatten auch schnell von Nationalisten, Rassisten und EU-Kritikern kapern. Dann geht es nicht mehr um den Schutz vor Genpflanzen, sondern um die nationale Souveränität und den Schutz vor „Überfremdung“.
Auch in Karlsruhe saß mit dem deutschnationalen Rechtsprofessor Karl-Albrecht Schachtschneider ein stramm-rechter Ceta-Gegner mit auf der Klägerbank. Ob der europaweite Widerstand gegen Ceta eine zivilgesellschaftliche Erfolgs-Story wird, ist noch sehr zu bezweifeln. Die linken und demokratischen Ceta-Gegner brauchen jedenfalls sehr viel strategisches Geschick, um hier nicht des billigen Erfolgs willen die falschen Kräfte zu stärken.
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