Ceta-Ultimatum auf dem EU-Kanada-Gipfel: Der Wallonie läuft die Zeit davon
Die Wallonie soll bis zum Sonntagabend den Widerstand gegen Ceta aufgeben. Doch die Belgier sträuben sich und der Streit weitet sich aus. Bis nach Berlin.

Parlamentspräsident Martin Schulz bleibt cool: „Ich bin sehr optimistisch.“ Foto: dpa
BRÜSSEL taz | Der Countdown läuft. Bis zum Abend soll die belgische Region Wallonie das umstrittene Ceta-Abkommen absegnen – sonst platzt der EU-Kanada-Gipfel. Die EU und Kanada haben dieses Ultimatum gemeinsam gestellt, so die belgische Zeitung La Libre Belgique am Sonntag.
Über „unerträglichen Druck“ hatte zuvor Elio Di Rupo geklagt, der Chef der Sozialisten in der Wallonie. Rund zwei Dutzend EU-Politiker versuchten mit allen Mitteln, ihn und den wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette umzustimmen. Am Samstag hatte sich auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz eingeschaltet.
„Ich bin sehr optimistisch, dass wir eine Lösung finden“, sagte der deutsche SPD-Politiker nach einem Treffen mit Magnette. Doch der belgische Sozialist dämpfte die Hoffnungen. „Wir haben noch einige kleine Schwierigkeiten“, sagte er. Eine Lösung brauche Zeit. Ob es bis Montagabend klappt, blieb offen.
Magnette fordert rechtlich verbindliche Zusicherungen, dass die wallonischen Landwirte nicht schlechter gestellt werden. Zudem hat er Vorbehalte gegen den geplanten neuen Gerichtshof, vor dem Investoren gegen Belgien und andere EU-Staaten klagen können, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen.
Schlecht für das Image aller
Zwar wurde das Klagerecht bereits eingeschränkt. Europäische Sozial- und Umweltstandards sollen nicht betroffen sein. Magnette fordert aber weitere Garantien. So möchte er ausschließen, dass US-Konzerne Kanada als Sprungbrett nutzen können, um in der EU aktiv zu werden und zu klagen.
Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland hatte die Verhandlungen bereits am Freitag für gescheitert erklärt. Nach einem Gespräch mit Schulz am Samstag änderte sie ihre Meinung. Kanada könne keine weiteren Zugeständnisse machen, sei aber bereit, das Abkommen am Donnerstag zu unterzeichnen.
Das bleibt auch das Ziel der EU-Kommission. Sie hoffe immer noch auf eine Einigung bis Donnerstag, sagte die belgische EU-Kommissarin Marianne Thyssen. Ein Scheitern wäre „schlecht für das Image Europas, Belgiens und der Region Wallonie“, warnte sie.
Um Ceta ist ein Machtkampf entbrannt
Auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger schaltete sich in den Streit ein. „Schuld sind die Mitgliedstaaten, die das Thema an sich ziehen wollen. Dass Minister einzelner Mitgliedstaaten zu Verhandlungen nach Kanada reisen, ist absurd“, sagte Oettinger der Funke-Mediengruppe. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) war Mitte September nach Kanada gereist, um Verbesserungen zu erreichen.
Der SPD-Chef wiederum warf der EU-Kommission Unvermögen vor. „Es ist die Ignoranz mancher Vertreter der Europäischen Kommission gegenüber den Fragen und Sorgen in der Bevölkerung, die den Abschluss von Abkommen wie Ceta so schwierig machen“, sagte er.
Um Ceta ist ein Machtkampf entbrannt, der über die Wallonie hinausgeht.
Leser*innenkommentare
urbuerger
Der SPD-Chef wiederum warf der EU-Kommission Unvermögen vor. „Es ist die Ignoranz mancher Vertreter der Europäischen Kommission gegenüber den Fragen und Sorgen in der Bevölkerung, die den Abschluss von Abkommen wie Ceta so schwierig machen“, sagte er.
Dies sagt Herr Gabriel, womit nimmt er sich das Recht andere zu kritisieren, er selbst hat doch bei den geheimen Verhandlungen die Füße still gehalten, und die Öffentlichkeit musste draußen bleiben.
Alle Politiker, ob Deutschland, Frankreich, Belgien oder EU haben es so sehr mit ihrem Elitären Regieren, das es doch nicht verwundert, dass europäische Volk nicht mehr mit ziehen will, Einer bringt jetzt den Mut auf dem ganzen Paroli zu bieten.
Hochachtung dafür!!!
conny loggo
Weshalb eigentlich läuft der Wallonie die Zeit davon? Raus mit den Geheimgerichten aus dem Vertrag. Öffentlichkeit und jetzt Zeit genug um den Vertrag wirklich zu verstehen (Welcher Parlamentarier versteht ihn denn?). Jede Möglichkeit ausschließen mit der man aus Ceta einen Knebelvertrag machen kann, und dann kann man reden.
Index
Die Demokratievernichtungsmaschine läuft.
Das ist aber auch schon das einzige klar Erkennbare bei dieser transatlantischen Verbrechensaktion.
Brüssel beschließt schlimmste Dinge über die Köpfe der Menschen hinweg, kaschiert, verheimlicht, spielt mit gezinkten Karten — alles das, was eine Mafia nunmal so tut.
61321 (Profil gelöscht)
Gast
Man möchte sie umarmen.
Wie bezeugt man ihnen seinen Respekt?
Hat jemand die E-Mail Adresse von Magnette?
Anjetta Christner
@61321 (Profil gelöscht) Es gibt auf der Website von Mehr Demokratie e. V. eine Solidaritätserklärung: "An die wallonischen Abgeordneten: Wir stehen hinter euch!" https://www.mehr-demokratie.de/aufruf_wallonien_stoppt_ceta.html
61321 (Profil gelöscht)
Gast
@Anjetta Christner merci
Anjetta Christner
Sehr gerne. Ich habe es selbst schon unterschrieben.
Es gibt übrigens auch noch eine Aktion von Campact auf Facebook. (Nur kann ich da leider nicht mitmachen, weil ich Facebook nicht nutze.) https://blog.campact.de/2016/10/ceta-wallonien-kaempft-fuer-uns-alle/
Georg Marder
"Magnette fordert aber weitere Garantien. So möchte er ausschließen, dass US-Konzerne Kanada als Sprungbrett nutzen können, um in der EU aktiv zu werden und zu klagen."
Ein solide erarbeiteter Vertrag sollte genau dies ausschließen - und wenn nicht, dann sollte man den Wallonen für den Hinweis dankbar sein und das sofort im Vertrag ergänzen - so sehe ich das - und nicht mit Zeitdruck auf die Unterschrift drängen, ohne das zu korrigieren!
Georg Marder
Zeit ist nicht das Problem - das wurde jahrelang im Geheimen verhandelt und es gibt keinen vernünftigen Grund, jetzt diesen künstlichen Zeitdruck aufzubauen - gemach, gemach.
0371 (Profil gelöscht)
Gast
@Georg Marder Künstlicher Zeitdruck ist ein alter Trick unseriöser Verkäufer ...
markstein
"Der Wallonie läuft die Zeit davon"
So wie ich die Sache sehe, hat die Wallonie noch sehr viel Zeit. Schließlich wollen die Kanadier abreisen und nicht die Wallonen.
Da ist wohl etwas durcheinander geraten.
warum_denkt_keiner_nach?
@markstein So ist es.
Da Hias
Aaaaaaaaaarghhhh!
[gebrüllt] GABRIEL!!!!!! [/gebrüllt]
"Der SPD-Chef wiederum warf der EU-Kommission Unvermögen vor. „Es ist die Ignoranz manc her Vertreter der Europäischen Kommission gegenüber den Fragen und Sorgen in der Bevölkerung, die den Abschluss von Abkommen wie Ceta so schwierig machen“, sagte er."
Ausgerechnet Gabriel!!!. Der, der im Minutentakt in andere Richtungen umfällt, auf dem Parteikonvent auf die Bedenken der eigenen Parteibasis sch.... tut jetzt wieder so, also ob er die Sorgen der Bevölkerung ernstnehmen würde. Merkt er überhaupt noch was? Ich bin etwas fassungslos.....
Anjetta Christner
@Da Hias Die Emotion teile ich. Die Analyse nicht: Natürlich merkt er was. Links blinken und rechts abbiegen ist doch mittlerweile sowas wie der Markenkern der SPD (spätestens seit Schröder).
0371 (Profil gelöscht)
Gast
@Da Hias Der gute Mann scheint mir auch ziemlich schmerzfrei.
Friderike Graebert
CETA und Mordio
gute Abkommen sind gut, schlechte schlecht.
Und damit eins gut wird muss man es eben gut verhandeln.
All das "geheim" verhandelte ist wertlos für die, die dann drüber abstimmen sollen.
Wer abstimmt, muss alle Fakten auf dem Tisch haben, sonst kann man keine verantwortliche Entscheidung (für die man dann ja Verantwortung übernimmt) treffen.
Oben hat schon jemand geswchrieben: Zeit ist genug da. Der künstliche Druck musst das Problem derer bleiben die ihn aufbauen.