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Kommentar BehindertenrechtskonventionRevolutionspotenzial verschenkt

Manuela Heim
Kommentar von Manuela Heim

Inklusion braucht einen tiefgreifenden Systemwandel. Auch 10 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Konvention sind wir davon weit entfernt.

Eine von wenigen Inklusionsschulen in Deutschland Foto: dpa

E in Jahrzehnt nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Bilanz alarmierend: Nicht weniger, sondern mehr Menschen leben in Behindertenwohnheimen und arbeiten in Behindertenwerkstätten. Die Quote der Kinder, die nicht inklusiv, sondern in Förderschulen unterrichtet werden, hat sich in einigen Bundesländern sogar erhöht. Mit schlecht gemachter Integration unter dem Label der Inklusion wurde und wird gerade im Bildungsbereich der Begriff der Inklusion massiv entwertet. So steht es in dem Bericht, den das Deutsche Institut für Menschenrechte am Mittwoch veröffentlichte.

Sicher gibt es auch Gutes zu berichten: Der Wandel vom Fürsorgeprinzip hin zum Grundsatz der Selbstbestimmung hat vor allem die bereits bestehenden Systeme durchwirkt. Doch die wirkliche Tragweite, ja das Revolutionspotenzial der Inklusionsbewegung – es wurde bislang verschenkt.

Ernstgemeinte Inklusion bedeutet den tiefgreifenden Wandel eines Systems, das den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Mehrheitsgesellschaft entspricht, hin zu einem universell gestalteten System, das allen Menschen gleichberechtigt Zugang gewährt. En passant würden in einer inklusiven Gesellschaft auch Herausforderungen von Bildungsungerechtigkeit, sozialer Ungleichheit und Migration gelöst. In Sachen gesellschaftlicher Zusammengehörigkeit ist Inklusion der wohl fortschrittlichste Ansatz unserer Zeit.

Bislang erschließen sich die Vorzüge eines inklusiven Systems vor allem den Eingeweihten. Zum einen denen, die das Glück hatten, zumindest in Teilbereichen echte Inklusion zu erleben. Zum anderen natürlich allen, die selbst von einer Beeinträchtigung betroffen sind, die sie aus unserem nach wie vor separatistischen System herauskatapultiert.

Die Wahrscheinlichkeit dafür ist übrigens hoch: Ein Viertel aller Deutschen gilt als behindert im Sinne der UN-BRK. Die meisten Beeinträchtigungen sind mitnichten angeboren, sondern werden mit zunehmenden Alter erworben. „Nichtbehindert“ ist insofern immer auch ein „noch nicht behindert“.

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Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
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3 Kommentare

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  • Als langjährige Behindertenaktivistin stelle ich eindeutig fest, dass sich Gewalt an Behindertenaktivisten und an Menschen mit Behinderung in den letzten Jahren nicht reduziert, sondern ganz erheblich gesteigert hat.

    Wer für de Rechte von Menschen mit Behinderungen einsteht, kann in diesem Lande weder mit der Unterstützung von Heimleiterinnen, noch von Behindertenbeauftragten, noch mit örtlichen Lokalpolitiker*innen rechnen. Dort, wo wir in den achtziger Jahren noch Gesprächspartner*innen waren, findet heute überhaupt kein Dialog mehr statt, weil Neoliberalismus diesen Dialog gar nicht mehr vorsieht.

    Über rechte Gewalt an Menschen mit Behinderungen wird kaum noch berichtet, obwohl diese Gewalt passiert.Neoliberalismus in Heimen und bei Ämtern war und ist keine Demokratisierung und Selbstbestimmung im Umgang mit behinderten Menschen.

    Auf Grenzüberschreitungen, bei interner, rechter Gewalt in Heimen und bei externen, rechtsradikalen Angriffen auf Heimen reagiert niemand mehr öffentlich. Solidaritätsbekundungen finden nicht statt. Opfer rechter Gewalt sind weder Heimleiterinnen, noch Behindertenbeauftragten, noch Gleichstellungsbauftragten heute noch ein persönliches Gespräch wert.An diesem Punkt ist eine Unmenschlichkeit und eine Degradierung, Ausgrenzung und Auslieferung Behinderter innerhalb der Opfergruppen rechter Gewalt in einem Maße fortgeschritten, vor der ich als Behindertenaktivistin schon vor mehr als fünfzehn Jahren eindringlich gewarnt habe. Die Gewalt, vor der ich gewarnt habe, haben wir heute und sie interessiert niemanden mehr. Als „Begleitumstand“ der politischen Verhältnisse wird sie heute selbst von jenen Grünen und Linken akzeptiert, die in ihren politischen Anfängen einst dagegen aufgestanden sind. Heute sind sie keine



    Schutzmacht mehr. Da, wo sie preisgeben können, geben sie behinderte Menschen zum Zwecke des eigenen, politischen Überlebens preis. Damit sind Linke und Grüne genau so geworden, wie sie nie werden wollten. Kehrt um.

  • Es tut mir sehr leid, aber ich sehe keinen Vorteil in der Inklusion. Die Arbeit mit gehandicapten Menschen umzugehen, bleibt am Lehrer, der überhaupt nicht Sonderpädagogik studiert hat und das auch nicht wollte!! Und dementsprechend sieht das dann aus. Man müsste MEHR Lehrer einstellen, aber das sieht diese Sparpolitik nicht vor. Also, wer oder was hat dann Vorteile?

  • Mehr Selbstbestimmung wird in naher Zukunft nur noch Selbstverantwortung und dann mehr Selbstversorgung und dann mehr Selbstverwahrlosung bedeuten.



    Die UN-BRK hat gute Sicherungs-, Schutz-und Fürsorgesysteme unter dem Deckmantel der guten Tat unterminiert und abgeschafft.



    Früher waren bedürftige Menschen in Heimen und konnten ohne hohe rechtliche Hürden unterstützt werden, heute sind sie immer noch dort - allerdings mit Gerichtsbeschluss, Verfahrenspfleger (Anwalt) und Betreuer.