Kommentar AfD-Liste Sachsen: Ein Aufschub schadet nur
Die AfD kann vor den Landtagswahlen in Sachsen keine Rechtsmittel gegen die kürzere Liste einlegen. Die Regelung ist sinnvoll – aber nicht in diesem Fall.
D er Landeswahlausschuss in Sachsen hat wegen Verfahrensfehlern nur die ersten 18 Plätze der AfD-Liste zur Wahl zugelassen. Dagegen kann die AfD aber erst nach der Landtagswahl Beschwerde einlegen. Bis zur Wahl muss die rechtspopulistische Partei die Entscheidung akzeptieren und kann kein Gericht anrufen.
So sieht das Gesetz es vor. Das erstaunt. Schließlich ist Deutschland ein Rechtsstaat. Staatliche Maßnahmen können von unabhängigen Gerichten überprüft werden. Das ist im Grundgesetz ausdrücklich garantiert.
Bei Wahlen gilt dies aber nur sehr eingeschränkt. Und der Grundgedanke dieser gewöhnungsbedürftigen Regel ist richtig. Gerade weil Wahlen für die Demokratie so zentral sind, muss ihr Ablauf vor Sabotage geschützt werden. Eine solche Sabotage wäre aber juristisch leicht möglich, wenn jeder Kandidat, jede Partei und jeder Wähler gegen jede Entscheidung im Vorfeld der Wahl die Gerichte anrufen könnte. Deshalb sind Klagen zum Wahlverfahren erst nach der Wahl möglich. Das ist bundesweit so geregelt – nicht nur in Sachsen.
Wenn aber die Verweigerung von Rechtsschutz ebenfalls zu Chaos führt und die Legitimation der Wahl infrage steht, muss noch einmal nachgedacht werden.
Die AfD will nun möglichst viele Direktmandate holen, damit das angebliche „Komplott“ der Altparteien keine Folgen hat. Die anderen Parteien überlegen, gemeinsame Wahlempfehlungen abzugeben, um Direktmandate der AfD zu vermeiden. Der Charakter der Wahl würde dadurch also völlig verändert.
Hier macht der Aufschub gerichtlicher Prüfung offensichtlich keinen Sinn. Die Ordnungsmäßigkeit und die Legitimität der bevorstehenden Wahlen werden so keineswegs gesichert, sondern im Gegenteil eher gefährdet. In einer derartigen Situation sollte das sächsische Landesverfassungsgericht Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ausnahmsweise doch für zulässig erklären und die umstrittene Entscheidung des Wahlausschusses sofort – also vor der Wahl – überprüfen. Noch ist Zeit genug.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene