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Kolumne Wir retten die WeltKlima in guter Verfassung

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Die Grünen wollen die Rettung der Welt ins Grundgesetz schreiben. Das würde viel Blödsinn verhindern. Aber es hätte auch einen Haken.

Im Namen des Volkes: Die Erderwärmung gehört vors Verfassungsgericht Foto: dpa

M eine Tochter blickt von ihrem Buch hoch: „Was ist eigentlich ein Zyniker, was tut der?“ Tja, denke ich. Ein Zyniker sagt vielleicht: In Deutschland sterben Pflanzen und Tiere in rasantem Tempo aus, wir vergiften den Boden, produzieren immer mehr Plastikscheiß und haben mehr Angst vor Fahr- als vor Atemverboten. Aber alles kein Problem: Schließlich steht bei uns der Umweltschutz irgendwo im Grundgesetz.

Weil die Grünen alles können außer Zynismus, haben sie am Donnerstag im Bundestag gefordert: Klimaschutz ins Grundgesetz! Artikel 20a („Der Staat schützt (…) die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung (…)“ soll so ergänzt werden: „Für die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verbindliche Ziele und Verpflichtungen des Klimaschutzes binden alle staatliche Gewalt unmittelbar.“ Dazu soll noch die Atomkraft verboten werden. Zack, alle Problem gelöst.

Oder auch nicht. Denn wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens (Zwei Grad, weg von Kohle, Öl, Gas) plötzlich Verfassungsrang hätten, könnte sich besagte staatliche Gewalt (!) nicht einfach auf ein wolkiges „Gemeinwohl“ berufen, wenn sie einen Wald rodet, um den Klimakiller Braunkohle abzubauen. Und dann müssten sich Behörden und Parlamente plötzlich ernsthaft darum sorgen, wie ihre Pläne für Jobs, Wachstum und freie Fahrt für freie Bürger mit der Verfassung zu vereinbaren sind.

Statt Hamster suchen direkt vors Verfassungsgericht

Umweltpolitiker müsten nicht mehr Feldhamster suchen, um Kraftwerke zu verhindern, sondern würden einfach vor das Verfassungsgericht ziehen. Vielleicht mit guten Chancen: Wie wenig Nachsicht RichterInnen inzwischen mit der Politik haben, sieht man ja derzeit sehr schön bei den Fahrverboten.

Deshalb wird der Klimaschutz auch erst 2029 ins Grundgesetz kommen, wenn die Grünen eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erringen. Sie wären dann nicht mehr die „Verbots-Partei“, sondern würden im Gegenteil in Gesetze gießen, was jetzt schon die Mehrheit will: Bio für alle; Ökostrom als Normalfall; Luft, die man sich zu atmen traut.

Für die Ökos unter uns wird es jetzt lustig. Erst einmal, wenn wir uns die „Argumente“ der anderen Fraktionen ansehen, warum sie den Klimaschutz – sprich: unser aller Überleben – NICHT in die Verfassung schreiben werden: Gibt´s nicht, geht nicht, bringt nichts, da könnte ja jeder kommen.

Dann aber freuen wir uns auch auf die Gesichter der Grünen, wenn sie merken: Irgendjemand müsste ja darüber wachen, dass der Klimaschutz in der Verfassung auch eingehalten würde. Und wer wäre das? Klar: Der Verfassungsschutz.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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19 Kommentare

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  • Apropo Atomkraftwerke, diese schützen das Klima, aus dem Produktinsprozess heraus emittieren sie kein CO2, genau wie Windkraft

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Bernhard Hellweg:

      Was nutzt eine Energie wie die Nuklearenergie, wenn es für ihre Endlagerung - wie @ARIANE schon vor mir erwähnte - keine sichere Lösung gibt?

      Atomkraft ist sicher. Todsicher. Für Tausende von Generationen. Das Unvorstellbare löst sich nicht dadurch auf, dass es verdrängt wird. Alte Weisheit der Dickbauch-Indianer.

    • @Bernhard Hellweg:

      "… Atomkraftwerke, diese schützen das Klima…"

      Aber der Abfall strahlt auf Jahrmillionen – bei ungelöster und m. W. auch unlösbarer sog. Endlagerung.

      Atomkraft ist nicht sicher, zu keinem Zeitpunkt.

  • auch an @Soda



    Dazu kommt noch, dass die BVerfRichter*innen vom Bundesrat (also mit 2/3-Mehrheit der vier größten, etablierten Parteien CDU|CSU, SPD und Grüne) gewählt werden.

    de.wikipedia.org/w...t#Wahl_der_Richter

    Unabhängigkeit der (BVerf)Gerichtsbarkeit sieht für mich nun mal anders aus.

    Da geht es m. E. nur um die Macht und die Interessen der Mächtigen – und das sind weder die Politiker noch die Bevölkerung.



    Und die Räumung des Hambacher Forstes ist m. E. eine sinnlose Zerstörung und unsere "Rest"-Demokratie beschädigende Machtdemonstration dieser Mächtigen.

    Die Gewinnmaximierung des Kapitals wird, so lange sie Priorität hat, die Natur, Wälder, Ressourcen und Menschen vernichten – mit oder ohne BVerfGericht… leider.

    Anders wählen!

    • @Frau Kirschgrün:

      Natur, Umwelt und Klima werden vor allem durch unseren Lebensstil vernichtet. Wie wir wohnen, landwirtschaften, uns bewegen, produzieren, heizen,

      Hambach zeigt nur eines: das die Bevölkerung nahezu in toto nicht bereit ist effektiv runterzufahren. Genauso wie sie nicht bereit ist abzugeben (siehe Flüchtlingsdiskussionen)

      Eine verstaatliche Industrie wird diesen Stil genauso bedienen. Das zeigen die Geschichte und die aktuellen Realitäten.

  • Es stehen so viele sinnvolle Dinge in der Verfassung. Zum Beispiel dass Eigentum verpflichte, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen schütze und dass Eingriffe verhältnismäßig sein müssen. Wie hat uns das bisher geschützt zB vor Mietenwahnsinn, vor Rodung des Hambacher Forstes oder vor der Vorratsdatenspeicherung?

  • Vielleicht gelingt das Ganze ja in Form eines "Deals" - denn schließlich benötigen CDU/CSU und SPD eine Zweidrittelmehrheit für die Verankerung von Bundeskompetenzen für Bildung im Grundgesetz.

  • Am wichtigsten wäre die Abschaffung jeder staatlichen Geburtenförderung.

  • Ich bin vielleicht einfach ein Mensch, der nicht so viel auf die Verfassung, oder wie man das auch in Deutschland nennt ,gibt, aber klar wäre das schön wenn das da irgendwo drinstehen würde. Ich glaube trotzdem weiterhin daran dass der richtige Weg ist politische Mehrheiten zu finden und nicht ei wirklichen politischen Entscheidungen der Judikative zu überlassen. Nennt mich naiv, aber ich glaube das ist der einzige Weg und die Grünen, zu denen ich mich selber zähle, beschreiten da einen Irrweg, sie haben sich asl APO gegründet und wollen die wichtigen Dinge jetzt auf einmal vom BVG geklärt gekommen, dass fühlt sich einfach falsch an.

    • @wirklich?:

      Zumal es ja nicht funktioniert, wie man an zahlreichen Beispielen sieht. Das BVerfG braucht nicht nur etliche Jahre für ein Urteil, es setzt danach wieder eine Frist, dann gibt es wieder eine Art vielleicht-gerade-so-verfassungsmäßig-Kompromiss, dann dauert es wieder etliche Jahre.... In der Tat ein Gericht kann keine Politik ersetzen. Das schöne an der Maßnahme wäre indes, dass sie nix kostet.

  • Ich weiß nicht. Was soll das mit dem GG nützen? Trotz das im GG Menschenwürde verankert ist, gibt es HartzIV, was dann in der Praxis noch bis auf Null gekürzt werden darf.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Stimmt. Papier ist geduldig. Sehr geduldig.

    • @Uranus:

      Ermittelt eigentlich auch der VS gegen das Hartz-Regime?



      Ansonsten hat auch in Deutschland immer noch das Kapital Vorrang vor Mensch, Tier und Natur. Wer das nicht will, sollte sich tiefgehender Gedanken machen und Institutionen und Machtverhältnisse hinterfragen und sich organisieren, solidarisieren ... z.B. mit dem h(A)mbi :)

      • @Uranus:

        Die aktuellen Arbeitslosenzahlen auf dem Stand von 1991 sind so niedrig wie langenicht mehr. Spitzenwerte gab es vor H4

        • @Rudolf Fissner:

          In der DDR waren die Arbeitslosenzahlen noch viel niedriger.

          Haben wir heute hier auch- Bald hat jeder Arbeit, aber kaufen kann sich keiner was. In der DDR gab es nix und hier bekommt keiner Lohn, von dem man mehr wie die Miete und das Lebensnotwendige zahlen kann.

          Vernünftigen Lohn für Arbeitnehmer gab es vor Hartz IV.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Für die Aussagekraft von Statistiken brauchen wir uns doch keinen Illusionen hinzugeben - oder?

          Und dass sich viele Beschäftigte in mehreren Jobs dumm und dämlich arbeiten, weil sie so schlecht entlohnt werden, dass sie nicht von einem leben können, das weiß auch RUDOLF FISSNER.

          Gellewelle?

          • @76530 (Profil gelöscht):

            ;D Schrieben Sie da nicht letztens von Don Quichote?

  • Falsch. Darüber kann jeder wachen. (93-1 4a GG) Das BVerfG entscheidet dann.